Freizeit und Reise

Blick durchs Guckloch in die Hinrichtungszelle auf das Scharfrichterbeil. (Foto: Friedrich H. Hettler)

22.09.2020

Mit dem Kanu zum Gefängnismuseum

Dänemark: Interessantes sehen und erleben rund um den Horsens Fjord in Mitteljütland

Horsens gehört mit seinen rund 60 000 Einwohnern zu den größten Städten Dänemarks und ist bekannt als Konzert- und Kulturstadt. Die abwechslungsreiche Natur, der einzige „richtige“ Fluss des Landes und die hügelige Landschaft prägen die achtgrößte Stadt Dänemarks an der Ostküste Jütlands. Der Ortsname bildet sich aus den Worten „hors“ (Pferd) und „næs“ (Landzunge). Horsens bedeutet als Landzunge mit Pferden. Die russische Zarin Katharina die Große verbannte 1780 zwei Prinzen und zwei Prinzessinnen in die Stadt, wo diese den Rest ihres Lebens in einem großen Palais am Marktplatz verbrachten. Darüber hinaus ist Horsens Schauplatz des größten Mittelalterfestivals in Nordeuropa. Außerdem war die Stadt Bühne der größten Konzerte, die je in Dänemark stattfanden. Zweimal 85 000 Besucher sahen und hörten Madonna und die Rolling Stones.

Eine besondere Sehenswürdigkeit in Horsens ist das Gefängnismuseum Fængslet, das sich im ehemaligen Staatsgefängnis Horsens befindet. Das preisgekrönte Museum bietet einen einzigartigen Einblick in das Leben als Gefängnisinsasse. 153 Jahre waren hier unzählige, ausschließlich männliche Gefangene inhaftiert bis das Staatsgefängnis 2006 geschlossen wurde. Seit 2012 werden die Gefängnisgebäude unter anderem als Museum genutzt. Die Zellen und Korridore, die Gefängniskirche, der Besucherraum und die Krankenstation wurden seit der Schließung nicht verändert und sind somit dieselben wie damals. Darübner ist Fængslet Europas größtes Gefängnismuseum und verfügt über die weltweit größte Sammlung von Gefängnisgegenständen.

Der Besucher erlebt hier Geschichte live, wenn Gefangene und Wärter durch Schatten an den Wänden vorbeiziehen. 2019 wurde eine neue interessante Ausstellung in den tiefen Kellern eröffnet. Diese Räume dienten der Bestrafung, Disziplinierung und Erziehung der Gefangenen. Hier kann man das Gefängnissystem und deren wirklich düstere Seite kennenlernen. Die Öffentlichkeit hatte das Gebäude ja immer nur von außen gesehen und gefürchtet.

Relativ breiten Raum in der Ausstellung nehmen die Geschichten von Jens Nielsen und Carl August Lorentzen ein. Nielsen wurde am 8. November 1892 im Westhof des Gefängnisses hingerichtet. Er war der letzte, der in Dänemark mit der Axt hingerichtet wurde. Die Axt des Scharfrichters ist hier als Exponat ausgestellt und die Enthauptung als Schattenspiel anschaulich nachgestellt.

Carl August Lorentzen gelang in der Nacht auf den 23. Dezember 1949 der Ausbruch aus der Haftanstalt, nachdem er in elfmonatiger Wühlarbeit einen 18 Meter langen Tunnel gegraben hatte. Dabei benötigte er 600 Bretter und 800 bis 900 Ziegel zum Stabilisieren des Tunnels. Über dem Tunneleingang hängte er ein Schild, worauf stand: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“ Sein Ausflug in die Freiheit währte jedoch nur sieben Tage, dann wurde er wieder aufgegriffen und kam zurück ins Gefängnis nach Horsens. Auch diese Flucht ist durch einen Teil des Tunnels und Lorentzens Grabarbeiten sehr realistisch nachempfunden. Generell lässt sich sagen, dass das Gefängnismuseum für Besucher die Welt hinter Gittern etwas, im wahrsten Sinne des Wortes, aufschließt und verständlicher macht. Ein absolut sehens- und besuchenswertes Museum mit tollen interaktiven Installationen und Schattenspielen.

Kanutour auf der Gudenå

Gleiches gilt aber auch für Den Genfundne Bro – Die wiedergefundene Brücke – bei Vestbirk, das in Horsens Kommune, vergleichbar mit unseren Landkreisen, liegt. Die wiedergefundene Brücke ist eine 13,4 Meter hohe Stahlgitterbrücke, die anlässlich des Baus der Privatbahn von Horsens nach Bryrup errichtet worden war und den Fluss Gudenå überspannte. Das war 1899. Bereits 1925 wurde die Brücke in einem riesigen Damm „versteckt“, bevor sie 2014 bei Vorbereitungsarbeiten für die Renaturierung der Gudenå „wiedergefunden“ wurde.

Die Brücke der Schmalspurbahn war zum Zeitpunkt der Erbauung die höchste Stahlgitterbrücke in Skandinavien. Die Brücke wurde überbaut, da in Vestbirk ein Wasserkraftwerk gebaut und in Betrieb genommen wurde, um Elektrizität zu erzeugen. Zeitgleich mit der Inbetriebnahme des Wasserkraftwerks sollte die Spurweite der Bahn von Schmalspur auf Normalspur erweitert und dann bis Silkeborg verlängert werden. Da die Brücke für die Schmalspurbahn konstruiert und gebaut worden war, musste eine Lösung gefunden werden, um die Gudenå zu überbrücken. Ein entsprechend breiter Damm wurde errichtet und für den Durchfluss der Wassermassen wurden zwei große Betonrohre eingebaut. Über der vorhandenen Stahlgitterbrücke errichtete man wegen der damals niedrigen Schrottpreise einen Damm.

Nach der Freilegung und Sanierung der Brücke wurde „Die wiedergefundene Brücke“ am 13. Dezember 2014 eingeweiht. Mittlerweile ist die Strecke ein Naturpfad zwischen den Städten Silkeborg und Horsens, der von Radlern und Wanderern genutzt wird. Mehr als 100 000 Besucher jährlich wollen dieses tolle Stück Ingenieursbaukunst bewundern.

Im Tinnet Krat südlich von Horsens entspringt eine kleine Quelle aus der Erde. Hier beginnt der längste Flusslauf Dänemarks – die Gudenå. Der Fluss ist über 150 Kilometern lang und hat von der Quelle bis zur Mündung ein Gefälle von 70 Metern. Der Wasserlauf beginnt in Tørring und fließt bis nach Randers.

Wer die Gudenå etwas näher kennenlernen möchte, sollte dies bei einer Kanutour tun. Für weniger geübte Kanuten bietet sich hierzu das erste Stück des Flusslaufs an, das von Tørring bis Verdens Ende (Ende der Welt) führt. Für den rund 5,5 Kilometer langen, kurvenreichen Streckenabschnitt benötigt man etwa 1,5 bis zwei Stunden und Jan Mindedahl von Tørring Kanuverleih, der mitkommt und nützliche Tipps fürs Steuern und Paddeln gibt, erzählt über die Tour und die Gudenå . Das weitaus schönste Stück verläuft jedoch durch den westlichen Teil von Horsens Kommune von Astedbro im Süden vorbei an der Voervadsbro bis hin zur Klostermølle. Die schweißtreibende, aber äußerst interessante Tour endet, wie erwähnt, bei Verdens Ende.

Super Softeis in Juelsminde

Dänemarks vielleicht schönste Hafenstadt ist Juelsminde am Horsens Fjord. Ein lokales Original ist Pernille Juul, Inhaberin von Juelsminde Fisk und Havens Café og Isbar. An der Eisbar (Isbar) gibt es hervorragende Eisspezialitäten und ein sagenhaft gutes Softeis, alles natürlich selbst zubereitet. Darüber hinaus kann Pernille, eine Frohnatur von Kopf bis Fuß, gestenreich und interessant amüsant viel vom Leben am Hafen von Juelsminde erzählen. Die Stadt selbst ist voll von klassischem dänischen Hafencharme. Direkt am Hafen liegt der kinderfreundliche Storstrand.

Apropos Strand: Der Saksild Strand in Odder mit seinem feinen, weißen Sand wird von Vielen als bester und kinderfreundlichster Badestrand der dänischen Ostküste bezeichnet. Hier ist das Wasser der Ostsee besonders sauber und klar. Außerdem gibt es hier viel Platz zum Sonnenbaden und der Sprung ins erfrischende Nass der Ostsee ist herrlich.

Natürlich bietet sich auch ein Inselhopping im Horsens Fjord an. Eine gemütliche Insel ist Alrø mit seinen Fachwerkhäusern, der schönen Natur sowie der überall sichtbaren Küstenlinie und riesigen Pasteten. Auf der Insel befinden sich einige gemütliche Restaurants. Hier kann der Gast sogar in einem ehemaligen Schweinstall, dem Restaurant Møllegården, essen oder die berühmten Tarteletts im Café Alrø probieren. Beliebt ist die Insel insbesondere bei Wind- und Kitesurfern, Kajakfahrern, Anglern und Seglern.

Am südlichen Ende der Insel liegt die alte Dampfschiffmole. Dort legt auch die kleine Fahrradfähre an, die im Sommer Alrø mit der Insel Hjarnø und Snaptun verbindet.

Die Insel Hjarnø liegt nur 800 Meter entfernt vom Festland im Horsens Fjord. Der Name kommt wahrscheinlich vom altnordischen Wort Hjarni, das Erhebung bedeutet – und der höchste Punkt der Insel liegt ja auch ganze sieben Meter über Meereshöhe.

Auf Hjarnø findet man viele Spuren von Wikingern und 2018 fanden Amateurarchäologen einen beachtlichen Goldschatz aus der Eisenzeit. Eine weitere Besonderheit Hjarnøs ist, auf dieser Insel gibt es die zweitkleinste Kirche Dänemarks. Das Kirchenschiff ist das Modell eines Wikingerschiffs. Wer die Insel etwas genauer erkunden will, kann dies bei einer Traktortour machen, die Carl, der Besitzer des dortigen Campinplatzes, anbietet. Er erzählt bei dieser Inselrundreise viel Interessantes über die Insel und ihre Geschichte.

Ein Urlaub in Horsens und Umgebung ist allemal lohnenswert. Die Landschaften rund um den Fjord und im Hinterland sind wunderschön, die Inselerlebnisse einzigartig und die Sehenswürdigkeiten sehr interessant.
(Friedrich H. Hettler)

(Mit dem Kanu der Gudenå und Die wiedergefundene Brücke. Schattenszenen aus dem Gefängnismuseum in Horsens und die zweitkleinste dänische Kirche auf Hjarnø. Der Saksild Strand in Odder - Fotos: Friedrich H. Hettler)

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