Wer Martin Luther und sein Wirken in Deutschland geografisch verorten möchte, der denkt natürlich zuerst an Wittenberg (Thesenanschlag), dann an die Wartburg (Bibel-Übersetzung) und vielleicht noch an Worms, wo der Reformator den Widerruf verweigerte. Sie alle haben sich für das „Luther-Jahr 2017“ herausgeputzt, harren der Touristen aus aller Welt. Aber was, um Himmels Willen, passierte denn reformationsbezüglich im Landkreis Elbe-Elster?
Vor 500 Jahren, da gab es diesen Kreis natürlich noch nicht – wohl aber diverse Städte und Gemeinden in diesem im Bundesland Brandenburg gelegenen Landstrich. Und von diesen spielten manche eine historisch bedeutsame Rolle im Glaubenskampf. Die Kreisstadt Herzberg etwa, wo Luthers Mitstreiter Philipp Melanch-thon die erste protestantische Schulordnung initiierte.Oder Ort-rand, wo man Luthers Tischreden druckte. Oder Liebenwerda, wo der Reformator mit Abgesandten des Papstes verhandelte.
Ein rachsüchtiger Bauer verriet die Protestanten
Eine besondere Rolle allerdings hat Mühlberg inne. Der direkt an der Elbe gelegene kleine Ort mit 3800 Einwohnern ist liebevoll saniert, man sieht fast nichts mehr von den Verwüstungen des Hochwassers, dass die Kommune in den vergangenen 15 Jahren drei Mal heimsuchte. Hinter der Hafenmauer lockt sogar eine kleine, aber feine Marina Schifffahrtsreisende an. Der gut ausgebaute Elbe-Radweg führt ebenfalls durch den Ort.
An diesem Vormittag schiebt sich Deutschlands drittgrößter Fluss breit und träge durch die braun-grüne, flache Landschaft. Vor 470 Jahren wäre es hier fast schon wieder vorbei gewesen mit der neuen Konfession. Kaiser Karl V., strenggläubiger Katholik, schlug vernichtend die Truppen des protestantischen Schmalkaldischen Bundes unter dem sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich. Mehr als 7000 tote Landsknechte sollen damals die Ufer entlang der Elbe mit ihrem Blut getränkt haben. Kunstfreunde kennen das Ereignis durch das Gemälde von Tizian mit dem siegreichen Kaiser hoch zu Ross und in glänzender Rüstung. Eine Kopie ist heute vor Ort zu bestaunen.
Die Legende, erzählt die in Renaissance-Textil gewandete Gästeführerin Katrin Brunk beim nächtlichen Laternenbummel durch Mühlberg, berichtet, dass der evangelische Feldherr seine Niederlage einem Bauern mit Namen Bartholomäus Strauchmann verdankt. Kurfürstliche Söldner hatten dem Landwirt mehrere Pferde beschlagnahmt. Der wütende Bartholomäus verriet daraufhin aus Rache den ortsunkundigen Truppen des Kaisers eine Furt in der Elbe, um den flüchtenden Sachsen noch nachzusetzen. Doch bekanntlich berappelten sich die Evangelischen wieder, aus den wenigen hunderttausend Gläubigen Mitte des 16.Jahrhunders wurden inzwischen weltweit mehr als eine halbe Milliarde Lutheraner.
Heute sind die meisten Leute im Ort Atheisten
In Mühlberg freilich gibt es nicht mehr viele von ihnen. Christen sind auf dem Territorium der ehemaligen DDR allerdings generell dünn gesät. Wenn die SED in ihrer 40-jährigen Herrschaft überhaupt mit etwas Erfolg hatte, dann mit der Verbreitung des Atheismus. Im vergangenen Jahr eröffneten die Mühlberger trotzdem unter dem Namen „Mühlberg 1547“ ein eigenes Reformationsmuseum, um den Kulturtourismus weiter anzukurbeln. Viel Prominenz war mit dabei, etwa Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) und der spanische Botschafter in Berlin, Pablo Garcia-Berdoy Cerezo. „Es wird eine Lücke auf der kulturhistorischen Landkarte Europas geschlossen“, hieß es.
Untergebracht ist das neue, zwei Millionen Euro teure Museum mit seiner aufwendig restaurierten Deckenmalerei – erzählt wird das Ereignis detailliert, aber nicht mit übertriebener Schlachten-Faktenhuberei, wichtig ist eher die inhaltliche Reflektion des konfessionellen Konflikts – in einer baulich der Gegenreformation verpflichtenden katholischen Propstei. Dieses Gebäude wiederum ist verbunden mit einem aus dem 13. Jahrhundert stammenden ehemaligen Zisterzienserinnen-Kloster namens „Marienstern“. Die Nonnen sind schon lange weg, doch seit zehn Jahren betreibt hier Pater Alois, ein 66-jähriger Claretinermönch, eine Herberge. Wer Ruhe sucht, ist in den Klosterzellen nachempfundenen Zimmern richtig. Pragmatisch wird hier, in der gesamtkirchlichen Diaspora des deutschen Ostens, geschäftstüchtige Ökumene praktiziert. (APL)
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