Freizeit und Reise

Das Amphitheater in Pula. (Foto: Wiegand)

02.05.2017

Tempel, Treppen, Trüffel

Das grüne Istrien ist ein ideales Wanderziel

Die Gechmäcker sind zwar verschieden, doch die ganzjährig grüne kroatische Halbinsel Istrien ist ein ideales Ziel für alle, die statt steiler Gipfeltouren lieber locker durch stille Landschaften, traditionelle Dörfer, mittelalterliche Bergorte und auf den Spuren der alten Römer wandern. Für die Erfrischung danach sorgt das Mittelmeer und die zahlreichen blauen Flaggen an den Stränden verheißen unbeschwerte Badefreuden von Mai bis in den Oktober.
Schon als Istrien noch zu Jugoslawien gehörte (bis 1991), zog es die Deutschen auf diese naturschöne und damals spottbillige Halbinsel. Inzwischen ist alles picobello, doch das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt immer noch und vor allem die gastliche Atmosphäre. Vermutlich fühlen sich hier alle genau so willkommen und sicher, wie unsere Wikinger-Wandergruppe.
Standquartier ist Porec an der Westküste, ohnehin Istriens beliebtestes Ziel. Dennoch verschandeln keine „Betonklötze“ die Promenade, wo neben den Ausflugsschiffen noch immer die Fischerboote ankern. Gegen Abend liegen schon die Netze für die nächste Ausfahrt bereit. Was auf die Teller kommt, ist wirklich frisch und von guter Qualität. Das Richtige für aktive Wanderer.
Porec wurde von den Römern gegründet und bewahrt sein Erbe. Decumanus heißt die Straße, die vom Platz Trg Marafor, dem früheren Forum, quer durch die Altstadt führt. Auf 2000-jährigem Boden durch die von gotischen Bauten, Läden und Galerien gesäumten Gassen zu gehen, ist eine besondere Einstimmung. Und schon leuchtet den Neulingen ein Tor mit einem goldglänzenden Christus-Mosaik entgegen, der Eingang zur Euphrasius-Basilika aus dem 6. Jahrhundert. Sie ist Porecs größter Schatz und seit 1997 UNESCO-Weltkulturerbe. Drinnen können sich die Augen kaum an den farbenprächtigen frühbyzantinischen Mosaiken sattsehen, klar sind die vielen Figuren zu erkennen. Draußen taucht derweil die Sonne den Runden Turm von 1473, einst Teil der mittelalterlichen Stadtbefestigung, in güldenes Licht. Er dient nun als Café mit Meeresblick.
Noch reichen Trekking-Sandalen und Jogging-Schuhe für die ersten Touren mit Wanderführerin Anita Schober auf den Wegen entlang der felsigen Küste. Auch die ist nicht zugebaut, da sich Hotels und Apartmentbauten zumeist unter Pinien verstecken. Die sauberen Dörfer mit ihren akkuraten Gemüsefeldern und Weinplantagen brauchen sich jedoch nicht zu verstecken und ihre traditionellen Steinbauten schon gar nicht.

In Motovun gibt es
Istriens längste Treppe

Doch nun rein in die Wanderstiefel, um La Parenzana zu erkunden, eine ehemalige, zum Wander- und Radweg umgestaltete Bahntrasse. Von 1902 bis 1935 ratterte dort ein Schmalspurbähnle durch Tunnel und über Viadukte von Porec nach Triest und retour. Selbst die mittelalterlichen Bergorte Motovun und Gronjan verknüpfte es mit der weiten Welt. Heute ist die frühere 123 Kilometer lange Bahntrasse, die auch durch Slowenien und Italien verläuft, ein EU-finanzierter „Gesundheits- und Freundschaftsweg“.
Durch Täler und hügelan führt dieser Weg nach Motovun, das 277 Meter hoch über dem grünen Land thront. Auf der längsten Treppe Istriens geht’s weiter hinauf und durch ein altes Stadttor bis zur Terrasse mit Weitsicht. Bei der Ortsumrundung auf der alten Stadtmauer schweift der Blick über die Dächer ins Mirna-Tal. Sogar ein 3-Sterne-Haus, das Hotel Katel, gibt es dort oben, eingerichtet in einem venezianischen Palast aus dem 17. Jahrhundert. Denn Motovun ist ein Ziel für Feinschmecker und auch per Auto und Bus erreichbar. Im Wald drumherum wachsen die begehrten istrischen Trüffel. 1999 wurde dort das weltgrößte, 1,31 Kilogramm schwere Exemplar gefunden und kam ins Guinness Buch der Rekorde. Also bieten die Läden Trüffel in vielen Varianten an, eingeweckt in Gläsern oder als Zutat in Wurst, Käse, Honig, Schokolade und Grappa.
Mit solchen Luxuswaren kann Gronjan nicht konkurrieren und dem gelben Wander-Wegweiser scheinen nur wenige zu folgen. „Vorsicht Dornen“, warnt Anita mehrfach. Der Pfad ist mitunter fast zugewachsen, aber spannender als die Autostraße ist er allemal. Lange Zeit lebte kaum mehr jemand im vom Bahnverkehr abgeschnittenen Gronjan, bis einige Künstler in die alten Steinhäuser zogen und so das urige Bergdorf retteten. Gutes Kunsthandwerk fertigen sie und eine Terrasse mit Aussicht gibt’s hier ebenfalls.
„Eine Seefahrt, die ist lustig“ gilt andererseits für Rovinj, das gewählte Ziel am wanderfreien Tag. Dieser Stadt sollten sich ohnehin alle per Schiff nähern. Die pastellfarbene Häuserparade, dominiert von der barocken St. Euphemia-Kirche, wirkt vom Wasser aus malerisch. Die bronzene Euphemia auf dem Kirchturm dreht sich übrigens mit dem Wind. Bei schönem Wetter schaut sie zum Hafen, bei schlechtem gen Norden, so als wolle sie die Stadt schützen. Ihr vertrauen die Bewohner mehr als den Meteorologen.
Vom Hafen, vorbei am Grünen Markt mit den bunten Chili-Paprika-Gebinden, winden sich die Kopfsteinpflaster-Gassen hügelan. Der Einfluss der Venezianer auf den Baustil ist unverkennbar, hatten sie doch 500 Jahre lang, bis 1797, in Istrien das Sagen. Nach wie vor tragen viele Orte italienische Zweitnamen.
Alle Wege führen hinauf zur Euphemiakirche, aber nicht ihr Innenraum ist optisch der Clou, sondern die Aussicht vom Turm. Die schmale, wackelige Holztreppe mit den durchgetretenen Stufen sollten eigentlich nur schwindelfreie Leichtgewichte emporsteigen, doch ein grandioser Blick auf Rovinj belohnt die Mutigen.
Anders der Frauenheld Casanova. Der liebte die einige Kilometer entfernte Aussicht auf den Hafen von Vrsar mitsamt den vorgelagerten Inselchen, bekannt als Casanova-Blick. Eine rostige Tafel an diesem Viewpoint erinnert an seine Besuche in den Jahren 1743 und 1744.
Der Lieblingsort der alten Römer war jedoch Pula, unweit der Insel-Südspitze, und diese Stadt ist für viele Besucher Istriens Highlight. Dort können sich Touristen in der gut erhaltenen Arena, dem römischen Amphitheater, umschauen. Winzig wirken die Menschen in dem 132,5 x 105 Meter großen Oval. Durch die Bögen und Fensternischen leuchten der blaue Himmel und das Meer um die Wette. Dank ihrer fabelhaften Akustik wird die Arena im Sommer für Filmvorführungen und Konzerte genutzt.
Das älteste Römerrelikt ist jedoch der kleine Augustustempel auf dem Forum neben dem 1296 fertiggestellten Rathaus. Oft sitzen Menschen auf den Tempelstufen, denn auch Pflastertreten macht müde Füße. Andere schauen aus den Cafés auf den zierlichen 2000-jährigen Bau. Ebenso bescheiden wirkt die Kathedrale aus dem 5. Jahrhundert. Doch wozu dienen die Deckel über den alten, höchstfein gemeißelten Kapitellen? „Die regulieren die Luftfeuchtigkeit, um sie für unsere Nachkommen zu retten“, erklärt ein älterer Aufseher, hebt dann den Teppich am Altar hoch und zeigt ein wertvolles Bodenmosaik.
Doch das ist nicht alles. Schon in der Altsteinzeit (Paläolithikum) lebten in Istrien Menschen, die sich durch die Jagd ernährten und daher viel umherstreiften. So gesehen hat Gehen und Wandern dort Tradition. In der Romualdo-Höhle oberhalb des Limski-Kanals zwischen Rovinji und Vrsar wurden etwa 130 000 Jahre alte Überreste von Urmenschen gefunden. Über solch junge Nachfahren hätten die Dinos nur lachen können. Die stapften schon in der warmen Kreidezeit, also vor rund 145 bis 65 Millionen Jahren, an Istriens Südspitze nahe Premantura durch das damals wuchernde Grün. Die Fußabdrücke wurden in der Bucht gefunden. Inzwischen können die kleinen Menschlein am nahen Kap Kemanjak ihren Spuren auf einem Dinosaurierpfad folgen. (Ursula Wiegand) (Das Bergdorf Motovun. Hier befindet sich auch Istiens längste Treppe. Blick auf Rovinj mit der Altstadt und dem Turm der St. Euphemia-Kirche. Das Sabadini-Viadukt und der Augustustempel in Pula - Fotos: Wiegand)

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