Kommunales

Der frühere Landkreis Aichach war oberbayerisch, doch zum 1. Juli vor 50 Jahren kam ein Teil des Kreises zum heutigen Landkreis Dachau, der andere Teil musste schwäbisch werden und gehörte fortan zum Landkreis Aichach-Friedberg. (Foto: dpa/Ulf Vogler)

30.06.2022

71 statt 143 Kreise

Vor 50 Jahren reformierte Bayern seine Kommunen

Moderner sollte er werden, der Freistaat, sich effizienter verwalten lassen. In den 1970er Jahren setzte die CSU-Staatsregierung eine Gebietsreform um, die das Gesicht Bayerns veränderte. 1970 sagte der damalige Ministerpräsident Alfons Goppel: "Wir wollen die Verwaltung modernisieren und wir wollen auf diese Weise alle öffentliche Investitionen sinnvoll gestalten." Vor 50 Jahren griff die große Gebietsreform in Bayern: Zum 1. Juli 1972 wurden aus 143 Landkreisen gerade einmal 71.

Später wurden auch noch Gemeinden zusammengelegt: Statt mehr als 7000 Kommunen gab es fortan noch etwa 2000. Dass der Bürgermeister sein Dorf oft vom Wohnzimmertisch aus regiert hat? Gehörte der Vergangenheit an.

Freilich - viele Menschen in den betroffenen Kreisen, Städten und Gemeinden protestierten gegen die Reformpläne. Sogar vor die Staatskanzlei in München zogen sie, um ihren Unmut zu bekunden. Schließlich ging es nicht nur um Verwaltung und Straßenbau, sondern auch um Identität. Beispiel Kötzting: Der Kreis gehörte einst zu Niederbayern, wurde zerschlagen und zum großen Teil dem oberpfälzischen Cham zugewiesen.

Kulturelle Unterschiede

Oder Aichach: Der frühere Landkreis Aichach war oberbayerisch, doch zum 1. Juli vor 50 Jahren kam ein Teil des Kreises zum heutigen Landkreis Dachau, der andere Teil musste schwäbisch werden und gehörte fortan zum Landkreis Aichach-Friedberg. Damals seien die kulturellen Unterschiede zwischen dem oberbayerisch geprägten Aichacher und dem schwäbisch geprägten Friedberger Raum schon deutlich spürbar gewesen, sagt heute Wolfgang Müller, Sprecher im Landratsamt.

Inzwischen rücke das "vermeintlich Trennende" immer weiter in den Hintergrund. Dennoch: "Es ist aber durchaus positiv, dass man sich lebendig an die Historie erinnert und gewahr ist, wie der Wandel zustande kam." Der Landkreis, gelegen zwischen München und Augsburg, sei eine "selbstbewusste Wachstumsregion", sagt Müller weiter. Die Menschen würden gerne hier leben.

Aus dem Innenministerium, das auch für die Kommunen verantwortlich ist, heißt es: Die Gebietsreformen der 1970er Jahre seien Reformen mit Augenmaß gewesen - nach der Devise: So leistungsstark wie möglich, so groß wie nötig. "Zugunsten der Bürgernähe wurde auf größer dimensionierte Lösungen verzichtet. Jedoch sollten die einzelnen Landkreise und Gemeinden so leistungsfähig sein, dass sie ihre Aufgaben gut und effizient erfüllen können. Dieser Maßstab ist auch heute noch richtig", sagt ein Ministeriumssprecher.

Praktischer geworden

"Unpersönlicher" sei es geworden in den Gemeinden und Kreisen des Freistaats, als die Gebietsreform vollzogen wurde, sagt Rudolf Neumaier, Geschäftsführer des Landesvereins für Heimatpflege. Zuvor hatte jede Gemeinde ihren eigenen Gemeindeschreiber oder Gemeindeschreiberin. "Aber das ist heute gar nicht mehr vorstellbar: Eine Person, die alles abwickelt." Heute fahre man ins Rathaus, dort gebe es verschiedene Mitarbeiter. "Es ist praktischer geworden." Und: "Bayern ist flotter und moderner geworden."

Er stelle jedoch auch fest, dass die Kommunen auch heute noch sehr sensibel mit den einzelnen, früher eigenständigen Ortsteilen umgehen. Es werde auf alte Strukturen Rücksicht genommen, zum Beispiel würden auch Feuerwehren außerhalb des Kernortes mit Ausrüstung bedacht. Schade sei es, dass viele Ortsnamen aus den Postadressen verschwunden seien.

Zurück in die 1970er Jahre: Proteste - ja; aber flächendeckender Widerstand, der den Nimbus der CSU gefährdet hätte - nein. Die CSU, die damals noch unangefochten mit absoluter Mehrheit in Bayern regierte, konnte diesen Status auch in der mehrjährigen Reformphase halten. Und das, obwohl die Gebietsreform auch intern Kritiker hatte - prominentester Name: Franz Josef Strauß. Er hatte bei der Landtagswahl 1978, als er Ministerpräsident werden wollte, punktuelle Korrekturen an der Reform versprochen, wie es auf einem Portal der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung heißt. Doch komplett zurückdrehen konnte auch er das Rad nicht. Auch zwei Volksbegehren gegen die Zusammenlegungen scheiterten deutlich.

Für eingefleischte Nostalgiker ist es seit knapp zehn Jahren wieder möglich, Kfz-Kennzeichen ehemaliger Landkreise aufs Auto oder auf den Traktor zu schrauben: von MAK wie Marktredwitz über SMÜ für Schwabmünchen bis REI für Bad Reichenhall.
(Kathrin Zeilmann, dpa)

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