Kommunales

Die Innenstadt von Berchtesgaden. (Foto: dpa/Peter Kneffel)

12.08.2019

Auch 20 Prozent Steuern schrecken Wohlhabende nicht ab

Wie bayerische Kommunen mit einem Verbot von Zweitwohnungen ihren Ort vor reichen Urlaubern retten wollen

Geschlossene Rollläden - und das die längste Zeit im Jahr: Zweitwohnungsbesitzer sind selten da. Dabei wird Wohnraum knapper. Die Preise explodieren, Einheimische finden keine Bleibe. Tourismusorte von Berchtesgaden bis Sylt ringen mit dem Phänomen. Vielfach liegt die Zweitwohnungssteuer schon bei 20 Prozent der Kaltmiete. Das spült Geld ins Gemeindesäckel, schreckt aber betuchte Interessenten kaum ab. Berchtesgaden und Schönau am Königssee gehen einen in Deutschland neuen Weg: Die Gemeinden haben einen Zweitwohnungsstopp verhängt. Das könnte Schule machen. Denn nicht zuletzt sind Wohnungen weiter auch als Geldanlage gefragt - nicht nur in attraktiven Städten, sondern auch in anderen begehrten Lagen, etwa an der Nord- und Ostsee und im Süden Bayerns.

Ruhpolding ist Berchtesgaden schon gefolgt. Er wolle damit ein Signal setzen, sagt Bürgermeister Claus Pichler (SPD). Baugrund sei begrenzt. Die Natur rundum sei es, was Touristen schätzten. Und während für die einen Wohnen immer schwerer finanzierbar sei, könnten sich andere Zweitwohnungen leisten. "Wir können nicht ewig auf der Wohlstandswelle schwimmen." Auch Kreuth im Tegernseer Tal plant ein Zweitwohnungsverbot. "Wir haben einen Entwurf vorbereitet und zur rechtlichen Prüfung vorab dem Gemeindetag zugeleitet", sagt Bürgermeister Josef Bierschneider (CSU). Wahrscheinlich nach der Sommerpause solle die Satzung beschlossen werden.

Die "Satzung zur Sicherung der Zweckbestimmung von Gebieten mit Fremdenverkehrsfunktion" von Berchtesgaden und ähnlich von Schönau hatte über Bayerns Grenzen hinaus Aufmerksamkeit erregt. Damit ist eine Nutzung als Zweitwohnung genehmigungspflichtig - und diese Genehmigung wird im Regelfall versagt, wie Berchtesgadens Bürgermeister Franz Rasp (CSU) sagt. Wohnraum werde immer knapper und teurer - und solle deshalb auch zum Wohnen genutzt werden. "Wir wollen verhindern, dass Wohnraum leer steht."

Bestehende Verträge genießen Bestandsschutz

In einer Handvoll Fälle sind laut Rasp schon ablehnende Bescheide ergangen. Ein Interessent habe von sich aus vom Kauf einer Wohnung abgesehen. Ein anderer, der schon eine Eigentumswohnung im Ort besitzt, wollte dort einen Zweitwohnsitz anmelden - abgelehnt: "Ziehen Sie her und melden Sie den Erstwohnsitz an - oder vermieten Sie." Bestehende Zweitwohnungen hätten aber Bestandsschutz. Rund sieben Prozent der Wohnungen in dem Kurort mit knapp 8000 Einwohnern sind laut Rasp Zweitwohnungen. Das sei für eine Tourismusgemeinde nicht besonders viel. Aber: "Es soll nicht mehr werden."

Die Schönauer Satzung ist noch strikter. Die Nutzung als Zweitwohnung wird schon vor einem Verkauf ausgeschlossen. Ein Eigentümer habe daraufhin Wohnungen nicht mehr verkauft, sondern als Mietwohnungen belassen, berichtet Bürgermeister Hannes Rasp (CSU). "Das ist genau unser Ziel." Schönau hatte laut Rasp schon Anfang der 1990er Jahre eine Vorläuferregelung, die aber wieder aufgehoben wurde, weil damals Zweitwohnungen nicht mehr gefragt waren.

Derzeit aber hält gerade im südlichen Oberbayern die Nachfrage an. Etwa in Tegernsee, wo auch der russische Milliardär Alischer Usmanow und Bayern-Kapitän Manuel Neuer Villen besitzen, war die Zahl der Nebenwohnsitze binnen zehn Jahren um 24 Prozent gestiegen. "Das ist nicht gesund", sagt Bürgermeister Johannes Hagn (CSU). Das Problem seien nicht Millionäre wie Neuer oder Usmanow, deren Anwesen abseits lägen, sondern die Belegung normaler Wohnungen. Hoteliers fänden kein Personal, "weil sie keine Wohnungen für die Leute haben".

Seit die Stadt im Januar 2018 die Zweitwohnungssteuer auf 20 Prozent erhöht hat, gebe es erstmals einen leichten Rückgang. Ob Tegernsee Berchtesgaden folgt, sei offen. "Wir müssen erst einmal sehen ob das Modell Bestandskraft hat - zum einen rechtlich und zum andern ob es tatsächlich die Wirkung entfaltet, die man sich verspricht."

Im Norden ist man skeptisch

Urlaubsorte im Norden blicken skeptisch gen Süden. Sylt etwa möchte nicht mit Verboten arbeiten, sondern "den positiven Weg" über Bebauungspläne gehen, sagt Bürgermeister Nikolas Häckel. Derzeit würden Wohnungen für die Sylter gebaut. Pflegekräfte, Feuerwehrleute und Verwaltungsangestellte bräuchten erschwinglichen Wohnraum.

Auch das Ostseebad Binz auf Rügen ringt um Wohnraum für Einheimische. "Das ist in allen touristischen Destinationen ein Problem, dass Wohnraum nicht wie genehmigt genutzt wird", sagt Bürgermeister Karsten Schneider. Normale Wohnungen würden als Ferienwohnungen vermietet oder als Zweitwohnung genutzt. Hier will die Gemeinde den Besitzern mehr auf die Finger schauen und verschärft überprüfen. "Wir wollen das nicht mehr zulassen", sagt Schneider. Aber: "Der Weg, den Berchtesgaden beschreitet, ist erst einmal keine Option."

Auch wenn es in Österreich und in der Schweiz schon ähnliche Vorstöße wie in Berchtesgaden gegen "kalte Betten" gibt - für Deutschland ist der Stopp für neue Zweitwohnungen bisher ein Pilotmodell. Mehrere Rathauschefs halten es für möglich, dass die Regelung angegriffen wird - wie die Zweitwohnungssteuer, gegen die vielfach geklagt wurde.

Die neuen Satzungen fußen auf dem Baugesetzbuch. Es gesteht Tourismusregionen zu, die Nutzung von Räumen als Nebenwohnung einer Genehmigung zu unterstellen, wenn sie an mehr als der Hälfte der Tage im Jahr unbewohnt sind. Allerdings gibt es dafür Auflagen.

"Der große Abschreckungseffekt ist nicht eingetreten"

"Diese Regelung gilt für Orte, die überwiegend vom Fremdenverkehr bestimmt sind", sagt Bernd Düsterdiek vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. Sie sei nicht in jeder Kommune anwendbar. "Das wäre ein erheblicher Eingriff in Eigentumsrechte." Städte wie München, Hamburg oder Berlin können den Weg nicht beschreiten. Berchtesgadens Vorgehen gegen die Rollladensiedlungen sei aber unterstützenswert, sagt Düsterdiek. "Wir halten das für einen sinnvollen Ansatz."

Auch Wilfried Schober, Sprecher des Bayerischen Gemeindetages sieht darin Chancen, zumal bei der Zweitwohnungssteuer "der große Abschreckungseffekt" nicht eingetreten sei: "Das ist ein komplett neuer Weg, um Wohnraum für die einheimische Bevölkerung zu erhalten und ihn betuchten Zuzüglern nicht zugänglich zu machen." (Sabine Dobel, dpa)

Kommentare (2)

  1. Allgäuer am 26.11.2019
    Es wird mit Sicherheit die Wohnungsnot in den bayerischen Tourisorten durch diese neuen Gängelungen der Zweitwohnsitzler etwas positives erreicht, denn der Zuschnitt dieser Zweitwohnungen ist in der Regel viel zu klein für den Wohnbedarf vor Ort!
    Mit größter Sicherheit kann die Gemeinde in das Eigentumsrecht dieser UNERWÜNSCHTEN eingreifen und vielen Einheimischen "Investoren" die Möglichkeit bieten möglichst kostengünstigst diesen zu vermitteln.
    Denn Bestandschutz gilt nur bis zu einem Besitzerwechsel -ob nun Vererbung oder Verkauf - die Gemeinde kann - muss allerdings die Nutzung als Zweitwohnung genehmigen. Man stelle sich mal vor im Gemeinderat sitzen Räte, welche schon längst dazu spekulieren Geldanlagen vor Ort zu tätigen .- diese werden ganz bestimmt keine Zustimmung erteilen zur Weiternutzung als Nebenwohnung!!
    Was im Augenblick fehlt ist ein Gerichtsverfahren das diesen Unfug wieder zu Fall bringen würde.

    Die Zweitwohnungssteuer hat ihren Höhepunkt bereits überschritten, denn die meisten Satzungen haben Gericht der letzten Zeit für rechtswidrig und Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nicht mehr anwendbar beurteilt. Was jetzt noch fehlt ist die Restsituation bei der Bemessungsgrundlage von geschätzten Jahresrohmieten ausgehende Besteuerungsgrundlage- vollkommen unüblich und nicht akzeptabel als Steuiergrundlag - Schätzungen gehören in der digitalisierten Gesellschaft längst der Vergangenheit an. Geschätzt ist nicht gewogen nur bei Betrügern und Krimminellen Strukturen oder Analphabeten zumutbar aber nicht bei zivilisierter Bevölkerung!!
  2. R`haller am 16.08.2019
    Zu:
    § 22 BauGB
    Sicherung von Gebieten mit Fremdenverkehrsfunktionen

    Voraussetzungen zum Satzungserlass:
    a)Geschlossener Gemeindeteil (oder ganze Gemeinde) muss (im Genehmigungszeitpunkt) überwiegend vom Fremdenverkehr geprägt sein.
    b)Diese Prägung muss gefährdet sein durch die Schaffung von Nebenwohnungen (wie anlässlich Umwandlung oder Neubau)

    Erläuterungen:
    Zu a:)Geeigneter Maßstab für „überwiegend vom Fremdenverkehr geprägt“: Mehr Fremdenbetten als Einwohnerbetten (einschließlich Nebenwohnsitzbetten)
    Zu b):Es besteht die Gefahr, dass durch Schaffung von Nebenwohnsitzbetten (hier nicht durch die Schaffung von Erstwohnungsbetten) die vorstehend genannte Relation verändert wird, so dass es dann dereinst nicht mehr Fremdenbetten als Einwohnerbetten (einschließlich Nebenwohnsitzbetten) gibt.

    Kommentar: Gesetzeszweck ist nicht die Sicherung/Bereitstellung von Einwohnerbetten wie für im Fremdenverkehr Arbeitende. Überhaupt kommt es in alpin geprägten Teilen von Oberbayern selten vor, dass beide Voraussetzungen gleichzeitig erfüllt werden. Auf friesischen Inseln werden diese beiden Voraussetzungen eher erfüllt.

    Nachteil durch Satzungserlass: Abnahme von Zweitwohnungssteuereinnahmen, also von gegenleistungslos erzielten Gemeindeeinnahmen von Nichtwahlbürgern (Zweitwohnungsinhaber zahlt bereits: Erschließungskostenbeitrag, Grundsteuer, Grundgebühr für Wasser/Abwasser/…)
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