Es war der letzte Neujahrsempfang, zu dem die Rosenheimer Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer (CSU) im Januar geladen hatte, – und es wurde ziemlich persönlich, fast schon präsidial. So beschrieb es jedenfalls die Lokalpresse. Die 18 Jahre Amtszeit seien eine Erfolgsgeschichte gewesen und Rosenheim habe seinen Spitzenplatz gehalten, sagte die aus Schwerin stammende Politikerin.
Tatsächlich gilt die kreisfreie Stadt mit 63 000 Einwohnern als Vorzeigekommune, profitiert von ihrer günstigen Lage zwischen München und Salzburg, wenige Kilometer von den Bergen und vom Chiemsee entfernt. Der hohe Freizeitwert, eine weitgehend florierende Wirtschaft mit niedrigen Arbeitslosenzahlen machten Rosenheim zu einem attraktiven Standort. Dank der guten Bahnanbindung nach München ist die Tatsächlich lag dieser Plan über viele Jahre in der Schublade, wurde erst 2019 rausgeholt, was auch die Lokalpresse bemängelte. Nun will man die Busangebote verbessern, die Takte erhöhen, die Fahrzeiten ausweiten.
Dass man sich in Rosenheim auf dem Status der florierenden Stadt ausgeruht hat, dieser Eindruck verstärkt sich auch bei den Angeboten für Radfahrer. Vor rund 15 Jahren noch als radfreundliche Stadt gelobt, liegt Rosenheim heute bei den Bewertungen des ADFC-Fahrradklima-Tests 2018 weit hinten. In der Sparte Städte mit 50 000 bis 100 000 Einwohnern ist die Stadt auf Platz 93 von 106 und bayernweit auf Platz 8 von 9. Für Radfahrer sind die wichtigsten Strecken wie die Kufsteiner Straße nach Süden wegen lückenhafter und enger Wege oft riskante Ausflüge. Reichlich Handlungsbedarf attestieren auch die Initiatoren eines Bürgerbegehrens mit dem Titel „Radentscheid Rosenheim“, die bis Anfang 2020 mehr als 5000 Unterschriften sammelten. Dem Radverkehr soll nun mehr Priorität eingeräumt werden, verspricht auch der CSU-Kandidat Andreas März.
Am meisten nervt die Bürger der Verkehr
Der Verkehr ist das, was die Rosenheimer am meisten nervt. Bis zur Fertigstellung der Westtangente gegen 2023 rollt der Schwerlastverkehr durch das Stadtgebiet, sind Staus an der Tagesordnung. Zahlreiche Straßen befinden sich in einem desolaten Zustand wie die Schlößlstraße am nördlichen Stadtrand oder die schlaglochreiche Mangfallstraße im Stadtteil Aisingerwies, wo der Ausbau immer wieder verschoben wurde.
Besser steht die Stadt in wirtschaftlicher Hinsicht da. Das nominale Bruttoinlandsprodukt stieg von 2012 bis 2017 um 24,4 Prozent und lag damit deutlich über dem Landesdurchschnitt. Die Arbeitslosenquote ist mit 3,6 Prozent auf einem sehr niedrigen Niveau. Besonders stolz ist man auf das neue Digitale Gründerzentrum, das digitale Start-ups unterstützen soll, wofür ein Neubau im Bahnhofsbereich mit 1600 Quadratmetern Fläche zur Verfügung steht.
Getrübt wird die gute Stimmung durch den Verlust einiger Vorzeigeunternehmen. Der traditionsreiche Antennenhersteller Kathrein kam in Schieflage und wurde von Ericsson übernommen. Büromöbelproduzent Steelcase verlegte seine Firmenzentrale nach München. Nach der Übernahme durch den amerikanischen Cohu-Konzern ist das Traditionsunternehmen Multitest Vergangenheit, gingen 200 Arbeitsplätze verloren. Zuletzt sorgte auch Gervais Danone für Schlagzeilen, kündigte die Aufgabe der Produktion in Rosenheim für 2021 an. Dort sind neben 160 Mitarbeitern auch mehr als 200 Milchbauern betroffen, die den Betrieb beliefern.
Hoffnung auf neue Jobs bei der Bezirksregierung
Rosenheims Wirtschaftsdezernent Thomas Bugl ist zuversichtlich, dass die Danone-Mitarbeiter neue Anstellungen finden werden. „Der Arbeitsmarkt ist nach wie vor sehr aufnahmefähig und diese Verluste werden sich auch nicht auf die Arbeitslosenquote auswirken.“ Immerhin kommt gute Nachricht aus München. Im Rahmen einer Umstrukturierung der Regierungsbezirke verlagert die Regierung von Oberbayern Teile der Verwaltung nach Rosenheim, was 500 neue Arbeitsplätze schaffen soll.
Der Einzelhandel, für den die Stadt mit ihrem weitläufigen Einzugsgebiet bekannt ist, hat Federn lassen müssen, es gibt rund 20 Leerstände im Zentrum. Zahlreiche Traditionsgeschäfte, darunter ein Feinkostgeschäft, ein Fischladen und eine Eisenwarenhandlung, haben geschlossen. Nun machte auch die Filiale von K&L Ruppert dicht, die Zukunft des Real Supermarkts am südlichen Stadtrand steht in den Sternen. 2018 ließ die Stadt durch die Cima Beratung + Management GmbH ein Einzelhandelskonzept erstellen, das Rosenheim sehr gute Rahmenbedingungen attestierte. Allerdings sei das Angebot nicht im erforderlichen Maß mit der Entwicklung mitgewachsen. (Georg Weindl)
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