Kommunales

Schnelles Internet wird in ganz Bayern benötigt - nicht nur in München. (Foto: dpa)

06.07.2018

"Bayern ist nirgendwo strukturschwach"

Führt der wachsende Fachkräftemangel zu einem weiteren Auseinanderdriften zwischen ländlichen und urbanen Regionen im Freistaat?

Der Fachkräftemangel in Bayern nimmt zu – und könnte zu einem weiteren Auseinanderdriften von urbanen Regionen und ländlichem Raum führen. Bei einer Veranstaltung der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) diskutierten dazu Landes- und Kommunalpolitik sowie Arbeitgeber.

„Bayern hat keine strukturschwachen Gebiete mehr“, befand Bertram Brossardt, der Hauptgeschäftsführer der vbw. In den vergangenen Jahren habe der Freistaat „große Sprünge “ gemacht – auch in den Regionen, die man früher mit diesem Etikett bedacht hat: Oberfranken, die nördliche Oberpfalz und das westliche Mittelfranken.

Der Satz dürfte Labsal gewesen sei für Ingrid Heckner, die aus dem Landkreis Mühldorf stammende stellvertretende Vorsitzende der CSU-Landtagsfraktion. Sie diskutierten gemeinsam mit Michael Busch (SPD), dem Landrat des Landkreises Coburg – der im Oktober ebenfalls für den Landtag kandidiert –, und mit Angelique Renkhoff-Mücke, der Geschäftsführerin des auf die Herstellung von technischen Sonnenschutzprodukten spezialisierten Unternehmens Warema Renkhoff aus Marktheidenfeld (Main-Spessart-Kreis).

Michael Busch betonte die günstigen Lebenshaltungskosten im Raum Coburg – „obwohl die Mieten inzwischen auch bei uns ansteigen“. Gleichwohl bestünden in vielen ländlichen Regionen ein „großer Nachholbedarf“ und dafür brauche es eine intensive Bewerbung und viel Geld. Um gut Qualifizierte anzulocken, benötige es eben auch entsprechende Kultur- und Freizeitangebote.

„Alle ÖPNV-Angebote stoßen an eine Grenze“


Angelique Renkhoff-Mücke verwies auf die segensreiche Wirkung der neuen Technologie-Campusse. Diese erleichterten es Unternehmen, Ingenieure und andere Fachkräfte direkt aus der Region zu rekrutieren. Auch würden dadurch die kontinuierlich notwendigen Weiterbildungsanforderungen der Firmen vor Ort bedient. „Weil viele unserer guten Praktikanten aus der Großstadt dann eben doch wieder zurückgehen möchten.“

Ingrid Heckner befand, auch die zunächst nicht unumstrittenen Behördenverlagerungen der Staatsregierung und das neue Programm „Invest daheim“ – es fördert Firmenverlagerungen – haben einen wesentlichen Teil zur Prosperität des ländlichen Raums beigetragen. Und für ärmere Städte und Gemeinden gäbe es den kommunalen Finanzausgleich, der in den vergangenen Jahren regelmäßig neue Rekordsummen aufweise.

Einigkeit bestand bei den vier Diskutanten darüber, dass der Freistaat zulegen muss beim Ausbau der digitalen Infrastruktur. Damit stehe und falle die Perspektive von Landstrichen in den nächsten Jahren. Angemahnt wurde eine baldige Standard-Übertragungsgeschwindigkeit von 100 MBit/s an. Die Frage tauchte auf, warum es beispielsweise ein vergleichsweise kleines Land wie Estland (auf rund 45.000 Quadratkilometern Fläche, das entspricht etwa der Größe Altbayerns und Schwabens, leben 1,3 Millionen Menschen, etwas weniger als in München) schaffen kann, eine Versorgungsquote von 70 Prozent aller Haushalte mit Glasfaseranschlüssen zu erreichen. In Spanien sind es immerhin noch 40 Prozent – und in Bayern gerade mal 1,5 Prozent.

EU wirft rasch illegale Beihilfe vor


Natürlich standen da rasch die üblichen Erklärungen im Raum, dass es eben schwerer sei, auf einen bereits vorhandenen Versorgungsgrad von 30 MBit/s draufzusatteln, weil dann seitens der EU rasch der Vorwurf der illegalen Beihilfe im Raum steht. In Brüssel erachtet man dieses Schneckentempo nämlich immer noch als ausreichend. Vielleicht könnte es aber auch daran liegen, dass andere Länder keine kommunale Selbstverwaltung kennen, was den Ausbau der Infrastruktur – auch der digitalen – erleichtert?

Freilich gibt es in dieser Frage auch in Bayern Leuchtturm-Kommunen – beispielsweise die Gemeinde Essenbach im Landkreis Landshut, Altomünster im Landkreis Dachau und Neustadt bei Coburg, wo der Versorgungsgrad mit Glasfaseranschlüssen ebenfalls zwischen 70 und 80 Prozent der Haushalte beträgt. „Da haben sich Stadtwerke und örtliche Unternehmen erfolgreich zusammengetan“, heißt es. Doch solche Kooperationen sind ja anderswo auch erlaubt, müssen von den Kommunalpolitikern aber angestoßen werden. Doch eine gewisse Blockadehaltung mancher Alteingesessenen – und zwar gegen jegliche Veränderungen – lässt sich eben nicht leugnen. „Wir alle wollen besseren Mobilfunk“, meinte Brossardt. Stünde aber der Bau neuer Mobilfunkmasten an, gingen viele Menschen in eine Abwehrhaltung.

Einen Konflikt gab es beim Thema Öffentlicher Nahverkehr. Busch befürwortete dessen weiteren Ausbau. IHeckner verwies dagegen auf ihren Heimatlandkreis, bei dem „alle kreativen ÖPNV-Angebote irgendwann gescheitert“ seien. Am Ende wollten vor allem die jungen Leute dann doch lieber mit dem Auto unterwegs sein, denn das bedeutet „mobile Freiheit“.
(André Paul)

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