Kommunales

Mag nicht jeder Ortsansässige in den Alpen: Kühe müssen hinter dem voll belegten Parkplatz der Alpe Kammeregg weiden. (Foto: dpa/K.-J. Hildenbrand)

10.09.2021

Bayerns Berge sollen autofrei werden

Eine frühere Initiative des Bund Naturschutz wird in Zeiten von Corona und Overtourism-Diskussionen reaktiviert – nicht zur Freude aller

Die bayerischen Berge sind eine heiß umkämpfte Destination. Das war nicht nur in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs so. Heute sind sie Sehnsuchtsorte für gestresste Stadtmenschen und erleben in Corona-Zeiten außergewöhnliche Begehrlichkeiten, sorgt der Massenansturm an Wochenenden nicht nur für lange Staus, sondern auch für etliche Animositäten. Da kann es im Oberland zuweilen auch handgreiflich werden, wenn Münchner*innen ihre Autos allzu leger auf den Wiesen parken.

Bereits 2004 präsentierte der Bund Naturschutz in Bayern (BN) ein Konzept mit dem Titel "Bergstraßen autofrei". In der Folge wurden laut BN nur vereinzelte Strecken für den Autoverkehr gesperrt, blieb es also bei Blechlawinen auch auf abgelegenen Straßen. Nun hat man das Thema wieder aufgegriffen. „Anstatt die Zufahrtsstraßen und die Parkplätze am Ende der Täler immer weiter auszubauen, sollten kleine Straßen, die weit in das Berggebiet hineingehen, für den öffentlichen Kfz-Verkehr gesperrt werden und stattdessen Busverkehre und Radverleihe eingerichtet werden“, lautet die Forderung von Axel Doering, Sprecher des BN-Landesarbeitskreises Alpen und Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Garmisch-Partenkirchen.

Liste mit 15 Straßen


Um die Sache ganz konkret anzugehen, wurde auch eine Liste mit relevanten Strecken erarbeitet, die laut BN entsprechend gesperrt werden sollten. Diese Liste umfasst 15 Straßen von den Allgäuer Alpen bis zum Königssee. Darunter sind prominente Routen wie die Straße vom Seegatterl bei Reit im Winkl zur Winklmoosalm, von Fischhausen hinauf zum Spitzingsee, von Klais zum exklusiven Schloss Elmau und die Rossfeldstraße bei Berchtesgaden, einst Schauplatz legendärer Autorennen.

Der Ausflugsverkehr müsse also auf Bus und Bahn umgelenkt werden, wolle man die Klimaschutzziele von Paris einhalten, meint Julian Fürholzer, Sprecher des AK Alpen der Jugendorganisation Bund Naturschutz (JBN). Dafür müsse die bayerische Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU) für einen starken Ausbau von Bus und Bahn sorgen. Ob das bei einigen der präsentierten Bergstraßen sinnvoll beziehungsweise überhaupt machbar ist, kann angesichts der schwierigen Lage und Straßenführung und des geringen Verkehrsaufkommens bezweifelt werden.

Eine der anvisierten Strecken ist die zwei Kilometer lange, einspurige Straße von Pfronten hinauf zum Burghotel Falkenstein auf knapp 1300 Metern Höhe. Die Straße wäre in 45 Minuten gut zu Fuß zu bewältigen, daher könnte man Fahrten künftig auf Lieferfahrten sowie Taxidienst für Personal und Gäste beschränken, heißt es beim BN- Konzept. Die reden sich leicht, meint die Hotelchefin Herta Schlachter. „Unsere Straße gibt es seit mehr als 100 Jahren, und da hat sich bis heute die Natur nicht verändert. Und gerade in Corona-Zeiten sind wir froh, dass Gäste mit dem Auto zu uns kommen können“, erklärt sie. Zudem wäre ein kompletter Shuttleservice für Gäste und Personal nicht finanzierbar, außerdem bleiben die Gäste ohnehin oben am Berg und genießen die Natur.


Verkehrsaufkommen seit Lockdowns massiv erhöht

Andererseits hat sich nach den strengen Lockdowns das Verkehrsaufkommen gerade bei Destinationen nahe von München spürbar erhöht. Von Lenggries Richtung Vorderriß und Eng, von Rottach-Egern nach Valepp und zur Moni-Alm gibt es solche Straßen, die mit dem aktuellen Ausflugsverkehr deutlich überlastet sind. Gerade die Gegend um die Valepp-Almen gilt bei den Umweltschützern als Musterbeispiel. Die Verbindungsstraße zwischen Forsthaus Valepp und Spitzingsee wurde bereits Mitte der 1980er-Jahre für den Individualverkehr gesperrt und gilt heute als beliebte Biker-Strecke.

„Die Sperrung der Straße vom Spitzingsee zum Forsthaus Valepp und die Einrichtung eines Busverkehrs haben sich hervorragend bewährt und können Vorbild für die heutige Mautstraße Moni-Alm-Valepp sein“, sagt Hans Kornprobst, Sprecher des BN-Landesarbeitskreises Wald und ehemaliger Leiter des Forstamts Schliersee.

Dem steht Harald Gmeiner, Vorstand des Kommunalunternehmens Alpenregion Tegernsee Schliersee, durchaus aufgeschlossen gegenüber. „Wenn die Autos vom Berg verschwinden, ist das natürlich eine Bereicherung für das Bergerlebnis. Man muss sich den Einzelfall anschauen und dabei darauf achten, dass touristische Betriebe, die über die Bergstraßen erschlossen sind, keine Nachteile haben und ihre Existenz nicht gefährdet ist.“ Im Falle der Straße nach Valepp und zur Moni-Alm müsste die Erschließung der Sutten-Bergbahn, der Moni-Alm und der weiteren Betriebe beispielsweise mit einer Seilbahn vom derzeitigen Parkplatz erfolgen, sodass betroffene Betriebe auch davon profitieren.

 Auch im Chiemgau gibt es zwei Straßen, die auf der Liste des BN stehen: die besagte Strecke zur Winklmoosalm, die nur im Sommer geöffnet ist, und die kleine Straße bei Bergen am Hochfelln zur Kohlstattalm. „Dort ist das Verkehrsaufkommen ohnehin recht gering. Zur Winklmoosalm fahren vielleicht 100 Autos pro Tag, es gibt außerdem eine moderne Seilbahnverbindung“, meint Stephan Semmelmayr, Geschäftsführer des Tourismusverbands Chiemgau-Chiemsee. Im Chiemgau, so Semmelmayr, stellt sich das Problem nicht, da das Straßennetz recht weitläufig ist, also für Straßensperrungen kein Handlungsbedarf besteht. (Georg Weindl)

 

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