Die Finanzlage der bayerischen Kommunen gerät immer mehr in eine bedrohliche Schieflage: 2024 verbuchten sie mit mehr als fünf Milliarden Euro das größte Defizit ihrer Geschichte. Das geht aus einem neuen "Kommunalen Finanzreport" der Bertelsmann Stiftung hervor. Ursachen der miesen Lage sind laut den Autoren der Studie sinkende Steuereinnahmen infolge der schwachen Konjunktur. Dagegen würden die Ausgaben für Personal, Sachaufwand und Soziales weiter ungebremst wachsen.
Defizit verdoppelte sich auf 5,2 Milliarden Euro
Die Kommunen insgesamt erzielten demnach von 2011 bis 2022 noch teils hohe Überschüsse. Doch bereits ab 2020 basierten diese auf Sondereffekten wie Hilfsprogrammen von Bund und Ländern. Im Jahr 2023 habe in Bayerns Kommunen dann erstmals nach zwölf Jahren wieder ein echtes Minus gestanden, das sich 2024 auf 5,2 Milliarden Euro fast verdoppelte.
"Nie zuvor mussten die bayerischen Kommunen solche Zahlen vermelden", sagte René Geißler, Mitautor der Studie und Professor für öffentliche Verwaltung an der Technischen Hochschule Wildau. Bayern entspreche damit dem bundesweiten Bild. In nahezu allen Bundesländern waren die Kommunen im Minus. In den wirtschaftsstarken Regionen wie Bayern und Hessen fiel das Defizit umso größer aus.
Personalausgaben stiegen binnen zehn Jahren um 80 Prozent
Anders als in früheren Jahren liege die Ursache in erster Linie in der Entwicklung der Ausgaben, die allein 2024 im Vergleich zum Vorjahr um gut neun Prozent zulegten. Die Personalausgaben seien binnen zehn Jahren um 80 Prozent gestiegen, was eine Folge des Stellenwachstums und hoher Tarifabschlüsse sei, hieß es weiter in der Studie. Der laufende Sachaufwand, etwa für die Bewirtschaftung der Gebäude, die Kosten für Dienstleistende oder Büroausstattung sei um mehr als ein Viertel in zwei Jahren angestiegen. Die Sozialausgaben im Freistaat verzeichneten binnen zwei Jahren ebenso einen Sprung um ein Viertel auf nunmehr mehr als elf Milliarden Euro.
Die Kommunen würden ein großes Spektrum sozialer Aufgaben tragen, die überwiegend bundesgesetzlich geregelt, aber oft nicht ausreichend vom Bund gegenfinanziert seien. "Die Kommunen brauchen daher eine höhere Kostenbeteiligung des Bundes", sagte Kirsten Witte, Kommunalexpertin der Bertelsmann Stiftung.
Füracker sieht Bund in der Pflicht
"Problematisch sind die Kosten im Verwaltungshaushalt, zum Beispiel die Tariferhöhungen oder insbesondere auch der Vollzug der Bundesgesetze im Sozialbereich", sagte Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU). Der Bund müsse dringend tätig werden - die Kommunen und auch die Länder stünden mit dem Rücken zur Wand.
Zugleich verwies Füracker auf die Milliardenzuwendungen des Freistaates im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs. Dieser habe in den vergangenen Jahren immer neue Spitzenwerte erreicht. "Knapp 30 Prozent des Staatshaushalts fließen auf unterschiedlichen Wegen an die Kommunen, insgesamt über 22 Milliarden Euro - so viel wie nie. Dennoch reicht es nicht." Generell brauche es zur Lösung der Finanzprobleme neue Strukturen, Standards müssten überprüft und überarbeitet werden.
Hohe Investitionsrate in Gefahr
Wegen der schlechten Finanzlage werfen die Autoren der Studie die Frage auf, ob die bayerischen Kommunen ihre hohe Investitionsrate halten können. 2024 hätten die Investitionen mit mehr als zwölf Milliarden Euro aber erneut einen Rekordwert erreicht, damit lägen sie im regionalen Vergleich an der Spitze. "Für die Transformation sind zusätzliche Mittel nötig", sagte Witte. Sie verwies auf das Saarland, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, wo über die Zeit Regionen wegen fehlender Investitionen infrastrukturell immer weiter zurückgefallen seien.
Bei den Steuereinnahmen würden die bayerischen Kommunen wegen der internationalen Verflechtungen der hiesigen Wirtschaft besonders schwer getroffen, so die Studie. Obwohl die Gewerbesteuer in Bayern 2024 sogar gesunken sei, seien die bayerischen Gemeinden im Durchschnitt noch immer sehr steuerstark. Nur in Hessen seien die Steuereinnahmen höher. Während bundesweit viele Kommunen zudem noch unter steigenden Kassenkrediten, "kommunalen Dispo-Krediten", litten, sei dies in Bayern noch kein Problem.
Ruf nach Staatsreform
"Das Defizit des Jahres 2024 markiert eine Zeitenwende, welche die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen nachhaltig infrage stellt", betonte Brigitte Mohn, Vorständin der Bertelsmann Stiftung. Kommunen schulterten mehr als 50 Prozent der öffentlichen Investitionen und seien wichtig für den sozialen Zusammenhalt. "Wir brauchen eine Staatsreform, weil die Kommunen diese wichtigen Aufgaben sonst nicht mehr wahrnehmen können." Bund und Länder müssten sich für eine dauerhafte Verbesserung der kommunalen Situation einsetzen.
Das von der neuen Bundesregierung beschlossene Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität werde diesen Anforderungen zudem nur teilweise gerecht. Weitere langfristige Ansätze zur Finanzierung seien notwendig. (Marco Hadem)
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