Kommunales

München, Nürnberg, Aschaffenburg, Coburg - die Rathäuser der kreisfreien Städte in Bayern sind so etwas wie die letzte Bastion der SPD. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

11.03.2020

Bayerns SPD vor Kommunalwahl zwischen Hoffen und Bangen

Die Rathäuser in den größeren Städten im Freistaat gelten derzeit noch als Brandwand für die schrumpfende Traditionspartei

München, Nürnberg, Aschaffenburg, Coburg - die Rathäuser der kreisfreien Städte in Bayern sind so etwas wie die letzte Bastion der SPD. Bei der zurückliegenden Landtagswahl im Jahr 2018 mit 9,7 Prozent der Stimmen gedemütigt, auf Bundesebene an den Rand der Bedeutungslosigkeit regiert, hoffen die Genossen bei der Abstimmung in Bayerns Städten- und Gemeinden am Sonntag auf eine Renaissance - oder zumindest auf einen Stopp des freien Falls. Die Kommunalwahl könnte für die SPD in Bayern zur Schicksalswahl werden.

Während es auf dem flachen Land für die Sozialdemokraten zappenduster zu werden droht, sieht es zumindest in den größeren Städten auf der Zielgeraden des Wahlkampfes plötzlich gar nicht mehr so schlecht aus - trotz eines teils beschwerlichen und vor Wahlen risikoreichen Generationenwechsels. In der Landeshauptstadt München sollte Amtsinhaber Dieter Reiter es schaffen, die Konkurrenz nieder zu halten und die seit 1984 ununterbrochene SPD-Vorherrschaft zu verteidigen. Auch in Nürnberg könnte es wieder klappen, in Fürth und Erlangen dürfen die Genossen ebenfalls optimistisch bleiben.


In 10 der 25 kreisfreien Städte Bayerns stellt die SPD derzeit das Stadtoberhaupt. Fünf von ihnen treten nicht mehr oder nicht mehr für die SPD an - eine personelle Aufgabe, die der alt gewordenen Partei nicht leicht fällt. Vor allem auf dem Land, weiß der Erlanger Politwissenschaftler Thorsten Winkelmann, hat die SPD in den vergangenen Jahren viele Federn lassen müssen. Zahlreiche Ortsverbände mussten mangels Interesse an der Sozialdemokratie schließen - oder werden mit den letzten Getreuen nur noch auf dem Papier weitergeführt. "Gucken wir uns das flache Land an, sehen wir doch erhebliche Auflösungserscheinungen", sagt er.

Die Menschen merken, wo die SPD regiert

Dass die SPD noch einmal - wie vor sechs Jahren - bayernweit 4800 der knapp 40.000 zu besetzenden Mandate holt - hält Winkelmann deshalb nicht für sehr wahrscheinlich. "Die Mandate sind aber zentral, um den Anspruch erheben zu können, Volkspartei zu sein", betont der Politologe von der Universität Erlangen. Bayerns SPD-Chefin Natascha Kohnen hält dagegen. "Auch wenn ich schwerlich eine konkrete Zahl nennen kann, hoffe ich sehr, dass es nach der Kommunalwahl noch mehr sein werden", sagt sie im Interview des "Vorwärts", dem Sprachrohr der deutschen Sozialdemokratie. "Die Menschen merken in ihrem Alltag, wo die SPD regiert."

Nürnberg ist eines der Beispiele, wo Stärken und Probleme der SPD gleichermaßen ablesbar sind. In der zweitgrößten Stadt Bayerns geht die Kommunalpolitik-Ikone Ulrich Maly in den politischen Ruhestand, nach 18 Jahren im Amt. Mit Hilfe des weit über Parteigrenzen hinweg beliebten SPD-Mannes Maly hat die vom Strukturwandel mitgenommene einstige Arbeiterstadt Nürnberg ein neues Niveau erreicht - inklusive finanzieller Stabilität.

Der von Maly als Nachfolger aufgebaute Thorsten Brehm (35) tat sich Anfang des Wahlkampfes schwer, darf aber nun doch hoffen: Umfragen sehen ihn vor seinen Mitbewerbern. Maly selbst gibt sich optimistisch. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass die SPD besonders in den Städten Ergebnisse einfährt, die deutlich über dem Bundestrend liegen", sagt er.

Allerdings: Vermutlich längst nicht mehr mit den Mehrheiten der Vergangenheit. Die 31 Sitze im Nürnberger Stadtrat aus dem Jahr 2014 dürften nicht mehr machbar sein. Wenn es auch landesweit deutlich weniger werden, wird auch der Personalpool kleiner, aus dem irgendwann einmal Spitzenleute entstehen können. Und nicht zuletzt die Parteifinanzen leiden, wenn Wahlergebnisse schwächer und der Mitgliederstand kleiner werden. Ein Phänomen, das alle etablierten Parteien trifft, die teils alt gewordene SPD aber besonders.

Gegenbeispiel Coburg

Das kleine Coburg im Norden Bayerns gehört zu den Gegenbeispielen. In der Vestestadt könnte nach 30 Jahren SPD-Vorherrschaft erstmals wieder ein Nicht-Genosse den OB-Sessel erobern. Die SPD schickt mit Dominik Sauerteig einen 33 Jahre jungen Bewerber ins Rennen. Zunächst fast belächelt, gewann der Jurist zum Wahltag hin mehr und mehr an Gewicht - ihm räumen Umfragen inzwischen gute Chancen ein, zumindest eine Stichwahl zu erreichen.

Sauerteig verzichtete wie viele SPD-Leute in ganz Bayern und zuvor auch beim aus Sicht der Sozialdemokraten erfolgreichen Wahlkampf in Hamburg auf die Unterstützung der Berliner Parteiprominenz. Im Endspurt kamen sie dann aber doch noch. Norbert Walter-Borjans reiste in der vergangenen Woche durch Bayern, seine Co-Parteichefin Saskia Esken ist diese Woche dran. Fast wie in den USA, wo der Wahlkampf fast ausschließlich in den umkämpften "Swing States" stattfindet, tauchen die Berliner Parteivorderen auch in Bayern dort auf, wo es eng werden könnte.

In Schwabach zum Beispiel. In der kleinsten kreisfreien Stadt Bayerns kämpft Peter Reiß für die SPD um den Schlüssel zum Rathaus. Amtsinhaber Matthias Thürauf von der CSU hört auf. Eine Woche vor dem Urnengang bekommt Reiss hohen Besuch. Norbert Walter-Borjans ist in Franken und gibt seine Expertise zum Umgang mit behinderten Menschen in einer Werkstatt des Vereins Lebenshilfe zum Besten. "Wir sind sehr zufrieden mit der Unterstützung aus Berlin", sagt Reiss. Tags darauf erwartet er Kevin Kühnert in seiner Stadt, die dem Nürnberger Speckgürtel zuzurechnen ist. "Er ist jung wie ich, das passt", sagt der erst 29 Jahre alte OB-Kandidat.

Walter-Borjans macht einen zufriedenen Eindruck, als er Bayern verlässt. Natürlich sei die Kommunalwahl eine Personenwahl und natürlich sei sie für die SPD von enormer Bedeutung. "Die SPD ist seit jeher eine enorm starke Kommunalpartei", betont er. Die Kommunen seien eine "ganz wichtige Basis, um die SPD auf der Länder- und der Bundesebene wieder stark zu machen." Nach den Querelen der Vergangenheit habe sich der Wind auch wieder gedreht. "Im Moment ist es sogar auch so, dass aus Berlin - anders als noch vor einiger Zeit - weniger Gegenwind kommt, sondern durchaus auch Rückenwind." Nichts wünschen sich Bayerns Genossen auf der Wahl-Zielgeraden mehr.
(Michael Donhauser, dpa)

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