Kommunales

Wegen Corona werden Bürgerbegehren in diesem Jahr ausschließlich brieflich durchgeführt. (Foto: dpa/Sina Schuldt)

16.04.2021

Bürgerbegehren stehen auch in der Pandemie nicht still

Dank Änderungen der Gemeindeordnung und digitaler Konzepte

Corona hat das öffentliche Leben in Bayern komplett umgekrempelt. Und man sollte meinen, die meisten Menschen sind jetzt ausschließlich damit beschäftigt, sich und ihre Familien durch die Pandemie und die damit einhergehenden sozialen und wirtschaftlichen Verwerfungen zu bringen. Doch das politische Leben jenseits des Kampfes gegen das Virus steht in vielen Kommunen trotzdem nicht still. Unter anderem kommt es auch derzeit zu mehreren Bürgerentscheiden beziehungsweise Bürgerbegehren.

Deren Durchführung hat der Freistaat zum 17. März auch erleichtert. Unter Artikel 120b der Bayerischen Gemeindeordnung heißt es, dass die Stadt- und Gemeinderäte künftig beschließen dürfen, Bürgerentscheide im Jahr 2021 ausschließlich brieflich durchzuführen. In diesem Fall werden die nötigen Abstimmungsscheine mit den Briefabstimmungsunterlagen „an alle abstimmungsberechtigten Personen von Amts wegen und ohne Antrag versandt“.

Corona behindert nicht das Sammeln von Unterschriften

Die Initiatoren der Entscheide stehen gleichwohl vor deutlich größeren Herausforderungen als früher. „Die Corona-Pandemie behindert ganz sicher das Sammeln von Unterschriften, etwa in den Fußgängerzonen und auf Marktplätzen“, sagt Ralf-Uwe Beck, Sprecher des Bundesvorstands des Vereins Mehr Demokratie, im Gespräch mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund. Man habe derzeit aber noch keinen Überblick, inwieweit durch die Pandemie Bürgerentscheide und -begehren beeinträchtigt werden.

Für Sonntag, 16. Mai 2021, ist ein Bürgerentscheid in der Gemeinde Frasdorf im Landkreis Rosenheim geplant. Der örtliche Bäcker Manfred Miedl plant – optisch eindrucksvoll gelegen auf einer grünen Wiese mit der imposanten Kampenwand im Hintergrund – eine Schaubackstube samt Regionalmarkt und Café mit 200 Sitzplätzen. Bereits seit sieben Jahren konzipiert Miedl sein Projekt.

Eine Bürgerinitiative mit dem Namen Frasdorfer Anger will es trotzdem verhindern. Sie sieht darin eine Verschandelung des Landschaftsbilds und Flächenfraß. Man befürchte, so Christina Fricke, die Sprecherin der Initiative, dass aufgrund der Nähe zur stark frequentierten Autobahn A 8 zahlreiche Tagestouristen angelockt werden und sich die Anlage auf Dauer in eine Art Raststätte verwandeln könnte.

Corona erschwere den Informationsaustausch, bedauerte Bürgermeister Daniel Mair (CSU) im BR. Es seien weder eine Bürgerversammlung noch Infostände erlaubt, was sich zum Nachteil für beide Seiten auswirke. Gut findet der Rathauschef trotzdem, dass die Einwohner*innen sich auch in der Pandemie dafür starkmachen, selbst über die Entwicklung ihres Ortes zu entscheiden.

Ebenfalls innerhalb der nächsten zwei Monate anstehen dürfte ein Bürgerentscheid in der Marktgemeinde Helmstadt im Landkreis Würzburg. Die Firma Beuerlein will dort ihre Bauschuttdeponie erweitern und auf dem rund acht Fußballfelder großen Areal künftig auch Bauabfälle und Gleisschotter verfüllen, das zur sogenannten Deponieklasse 1 gehört und als schädlicher gilt als der bisher dort schon entsorgte Müll. Die Initiative Bürger für ein lebenswertes Helmstadt fürchtet, dass das Grundwasser belastet werden könnte.

Angelaufen sind derzeit Bürgerbegehren in den Gemeinden Pfofeld und Absberg im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen. Die Initiatoren wollen, dass die beiden Kommunen gegenüber der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben ihr Interesse am Kauf eines sogenannten Muna-Areals (dort wurde Militärmaterial gelagert) erklären. Hintergrund: Das niederländische Unternehmen Center Parcs plant auf dem Areal inmitten des Fränkischen Seenlands ein neues Areal – was viele Menschen der Region kritisch sehen.

Bereits vor zwei Monaten fand in Weiden i. d. Oberpfalz ein Bürgerentscheid statt. Dabei lehnten die Einwohner*innen ein rund 70 Hektar großes neues Gewerbegebiet ab, für das Teile des Stadtwalds hätten gerodet werden müssen. Die Gegner vom Aktionsbündnis Walderhalt hatten das Bürgerbegehren bereits 2019 gestartet und sich damit gegen schon fast zehn Jahre währende Pläne der Stadt gewandt.

„Die Abstimmung fand auf Beschluss des Stadtrats komplett per Briefwahl statt“, berichtet Weidens Pressesprecher Norbert Schmieglitz der Staaszeitung. Grundsätzlich hält er auch in Pandemiezeiten solche Abstimmungen für möglich, „aber der Aufwand, vor allem für die digitale Technik, ist natürlich größer und es kostet mehr Geld als die traditionelle Variante.“

So fand in Weiden im Vorfeld der Abstimmung eine digitale Bürgersprechstunde statt. Die wurde vom lokalen Fernsehsender live aus dem Großen Sitzungssaal des Rathauses übertragen, der OB sowie die Referenten für Finanzen und Bauen standen der Einwohnerschaft Rede und Antwort. Auch durften Gegner und Befürworter des Projekts in der Öffentlichkeit für ihre jeweilige Position werben, „allerdings sehr restriktiv und auf eng begrenztem Raum“, so Norbert Schmieglitz.

Genau andersrum, nämlich für die Rodung von Bäumen auf einem Areal von 2000 Quadratmetern, votierten die Menschen im März dieses Jahres in der Gemeinde Wörthsee im Landkreis Starnberg. Dort soll jetzt ein Supermarkt errichtet werden. Und ebenfalls im März hatten sich die Einwohner*innen der Marktgemeinde Oberkotzau im Landkreis Hof für den Bau einer neuen Umgehungsstraße ausgesprochen.
(André Paul)

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