Kommunales

Uwe Brandl ist skeptisch, ob die Kommunen am Ende von den Bundesmilliarden profitieren. (Foto: picture alliance/dts-Agentur)

20.06.2025

"Das Geld darf nicht versickern"

Uwe Brandl (CSU), Präsident des Bayerischen Gemeindetags, fordert eine schnelle und unbürokratische Verteilung der Bundesmilliarden

100 Milliarden Euro aus dem 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögen stellt die neue Bundesregierung für Infrastrukturprojekte der Bundesländer in Aussicht. Unklar ist aber, was am Ende bei den Kommunen landen wird.

BSZ: Herr Brandl, marode Straßen, alte Kanalnetze, sanierungsbedürftige Schulen, zu wenig bezahlbarer Wohnraum – wofür sollten die Kommunen die Milliarden des Bundes verwenden?
Uwe Brandl: Das sollten die Kommunen vor Ort individuell selbst entscheiden können. Bei der einen müssen dringend die Schulen saniert werden. Bei der anderen ist das Freibad sanierungsbedürftig. Die Dritte kann den Eigenbeitrag für die Finanzierung des dringend notwendigen neuen Kindergartens nicht aufbringen. Von den 100 Milliarden Euro des Bundes für die Kommunen müssten dem Königsteiner Schlüssel zufolge rund 15 Milliarden Euro in Bayern landen. Verteilt auf zwölf Jahre. Aber wir als Städte und Gemeinden haben die Befürchtung, dass das Geld nicht schnell genug kommt und möglicherweise sehr komplexe Vorgaben gemacht werden.

BSZ: Wieso?
Brandl: Weil eine schnelle Mittelverteilung einen unbürokratischen Prozess voraussetzt. Es dürfen nicht erst wieder neue Förderprogramme aufgelegt werden oder das Geld in bestehende Programme versickern. Wir brauchen eine einfache frei verfügbare Summe, die wir sofort investieren können.

BSZ: Warum?
Brandl: Weil es mindestens eineinhalb Jahre dauern würde, zu planen, zu beantragen, auszuschreiben et cetera. So lange würde kein wirtschaftlicher Impuls durch kommunale Investitionen ausgelöst werden. Aber es gibt noch eine Befürchtung.

Schaden für die Kommunen?

BSZ: Welche?
Brandl: Dass die Steuererleichterungen, die man jetzt den Unternehmen gewährt, um wieder auf die Beine zu kommen, am Ende den Kommunen schaden. Zunächst werden die beschlossenen Erleichterungen Einnahmeausfälle in Milliardenhöhe verursachen. Man setzt hier auf das Prinzip Hoffnung.

BSZ: Das heißt?
Brandl: Dass die Unternehmen investieren, wachsen und dann wieder mehr Steuern an die Gemeinden zahlen können, wenn sie wieder mehr Aufträge haben. Aber ob diese Rechnung aufgeht, steht in den Sternen – genauso wie das Verhalten der Bundesländer.

BSZ: Was bedeutet das?
Brandl:Dass es sehr darauf ankommen wird, wie viel von den 100 Milliarden Euro von den jeweiligen Ländern an deren Kommunen weitergereicht wird. Wenn der Freistaat Bayern 70 Prozent an seine Städte und Gemeinden weitergeben wird, wäre das sehr zu begrüßen.

BSZ: Wie verhindert man, dass die Milliarden des Bundes im konsumtiven Bereich landen?
Brandl: Indem der Bund dafür sorgt, dass das Geld nicht zur Subventionierung der Krankenkassen oder zur Finanzierung des Bürgergelds für soziale Wohltaten oder zur Finanzierung der Verwaltungshaushalte eingesetzt wird. Wir haben es aktuell mit einem systemischen Problem zu tun. Wir leisten uns mehr als wir leisten. Die Ausgaben für Sozialleistungen explodieren förmlich. In vielen Fällen wird einkommens- und vermögensunabhängig gefördert. Wenn der Bund die Strukturen nicht ändert, kommen wir nie aus dieser Ausgabenfalle heraus. Das Geld entfaltet nur volkswirtschaftlichen Nutzen, wenn es investiert wird in den Wohnungsbau, in den Städtebau und in Schul- und Bildungsinfrastruktur. Klar fließt es dann vorrangig in die Bauwirtschaft. Aber das ist neben der Automobilbranche unser größter Wirtschaftszweig in Deutschland und hier besteht zudem eine erhebliche Versorgungslücke.

Überbordender Datenschutz

BSZ: Wenn wir Techgiganten wie in den USA hätten, könnten auch diese profitieren.
Brandl: Wir haben durchaus innovative Digitalunternehmen. Doch wir leisten uns einen überbordenden Datenschutz, der diese Firmen ausbremst, sodass sie zum Beispiel nach Irland abwandern. Würde man beim Datenschutz etwas abspecken, könnten wir bei der Digitalisierung neue Märkte erschließen und unsere wirtschaftliche Monostruktur etwas aufbrechen, auch wesentlich mehr Wirtschaftskraft entfalten.

BSZ: Wo können denn die Kommunen selbst sparen?
Brandl: Ich bin immer für Aufgabenkritik. Man muss sich in der aktuellen Lage in den Rathäusern und Landratsämtern zum Beispiel schon die Frage gefallen lassen, ob ein öffentlicher Personennahverkehr, der ein individuelles Mobilitätsbedürfnis befriedigen soll, in der Fläche organisierbar und finanzierbar ist. Nach einem Jahr Bus on demand muss man eben eine Bilanz ziehen. Und wenn man zu dem Schluss kommt, dass man mit subventionierten Taxifahrten günstiger aufgestellt wäre, sollte man das machen – selbst wenn der On-demand-Bus das Lieblingskind des Landrats ist. Aber auch in vielen anderen Bereichen, zum Beispiel in der Jugendhilfe, schlummern Sparpotenziale.

Selbst für den Lebensunterhalt sorgen

BSZ: Welche?
Brandl: Muss denn ein 19-Jähriger, der aus Syrien oder Afghanistan geflüchtet ist, bis zu seinem 21. Lebensjahr die Sonderleistungen eines Jugendlichen erhalten? Das können zwischen 6000 und 8000 Euro im Monat sein. Wenn jemand in der Lage war, aus seiner Heimat zu flüchten, über sich auf der Flucht über mehrere Monate selbst zu organisieren und zu versorgen, dann ist er wohl grundsätzlich auch in der Lage, bei uns selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen.

BSZ: Warum geht man nicht schon längst diese Bereiche an?
Brandl: Weil es bequemer ist, ein laufendes System laufen zu lassen. Das ist auch in der Krankenhauslandschaft so.

BSZ: Wie meinen Sie das?
Brandl: Jeder Kleinst-Standort muss erhalten bleiben. Das wirtschaftlich und vom Versorgungsauftrag nicht mehr tragbare Krankenhaus mit maximal 100 Betten wird gehütet wie der Heilige Gral. Zukunftsfähige Strukturen werden verteufelt. Umdenken ist unerwünscht; alte Strukturen aufzubrechen vermeintlich politischer Selbstmord. So kommen wir nicht weiter. Die Zeitenwende wird allenthalben gefordert … die erforderliche Wende im Denken und Tun gemieden wie die Pest.
(Interview: Ralph Schweinfurth)

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