Den Kommunen laufen die Kosten davon. Das ist auch im Landkreis Kelheim zu spüren. Dann wird bei den freiwilligen Leistungen der Rotstift angesetzt. Doch beim ÖPNV zu sparen, wäre gerade für den ländlich geprägten Landkreis Kelheim fatal.
BSZ: Herr Neumeyer, wo drückt der Schuh im Landkreis Kelheim?
Martin Neumeyer: Vor allem im Jugendhilfebereich. Die Kosten liegen hier in diesem Haushaltsjahr bei voraussichtlich rund 16 Millionen Euro. Das liegt an allgemeinen Kostensteigerungen und daran, weil Jugendhilfefälle vom Bedarf her tendenziell immer komplexer, aufwendiger und langwieriger werden. Ein weiteres Beispiel: Schulbegleitungen im Bereich der Jugendhilfe sind aus unserer Sicht eine staatliche Aufgabe. Hier sehen wir dringenden Klärungsbedarf auf der ministeriellen Ebene hinsichtlich der Zuständigkeiten. Es kann nicht sein, dass durch unzureichende Personalausstattung an staatlichen Schulen ein strukturelles Defizit entsteht, das durch kommunale Mittel ausgeglichen werden muss. Das ist so, als ob wir zwei ins Gasthaus essen gehen und ein anderer soll unsere Zeche zahlen. Wenn sich da nichts ändert, werden wir das meiner Auffassung nach spätestens 2027 nicht mehr bezahlen können.
BSZ: So schlimm?
Neumeyer: Ja, es ist eine gewisse Perspektivlosigkeit in die kommunalen Haushalte eingekehrt. Denn wir Kommunen sind die Handwerker vor Ort, die die Sachen regeln und bezahlen müssen, ohne aber auf rechtliche Zuständigkeiten Einfluss zu haben. Das ist Zechprellerei, wie es so treffend der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer einmal ausgedrückt hat.
BSZ: Und wie geht es jetzt in den Kommunen weiter?
Neumeyer: Ich kann nur für unseren Landkreis Kelheim sprechen. Dort fällt der Blick sofort auf die freiwilligen Aufgaben, allen voran den öffentlichen Personennahverkehr.
Absurde Entwicklungen
BSZ: Aber dort kann man doch nicht einsparen? Mobilität ist doch entscheidend für alle.
Neumeyer: Sicher. Gerade ältere Menschen, die sich kein Auto leisten können oder aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr selbst Auto fahren können, sind insbesondere im ländlichen Raum auf Busse angewiesen. Doch Sparzwänge und Vorschriften sorgen für absurde Entwicklungen.
BSZ: Wie?
Neumeyer: Wir waren neben Hamburg Labor für autonomes Fahren. Doch einen selbstfahrenden Bus, der aus Sicherheitsgründen nur 20 km/h fahren darf, nutzt niemand. Denn dann ist man fast zu Fuß schneller. Darum verkaufen wir jetzt die beiden autonomen Fahrzeuge, die wir haben. Immerhin können wir demnächst im Rahmen eines weiteren Förderprogramms das erste konzeptionell zulassungsfähige autonome Fahrzeug für den ÖPNV der Zukunft einsetzen. „SUE“ soll autonom Fahrgäste mit bis zu 50 km/h transportieren. Es wird einen Testbetrieb mit zehn Haltestellen geben, die Strecke rund 11 Kilometer lang sein. Aktuell laufen die letzten Vorbereitungen. Aber trotzdem muss ich einen Vergleich ziehen: Autonome Waymo-Robotaxis in den USA fahren sogar bis zu 65 Meilen pro Stunde, das sind etwa 105 km/h. Aber das ist nicht das einzige Problem im ÖPNV.
BSZ: Was stört noch?
Neumeyer: Dass wir für den normalen Busverkehr kaum noch Fahrer finden. Deshalb waren wir ja froh über die fahrerlosen Systeme. Froh wären wir auch über das Seilbahnprojekt gewesen, das einmal für Kelheim in Erwägung gezogen wurde. Dann hätte man die Donau überqueren oder ins benachbarte Saal faahren können. Ehrlicherweise müssen wir aber festhalten, dass diese Möglichkeit von Gutachtern letztlich nicht empfohlen wurde. Dennoch müssen wir weiter innovativ denken.
BSZ: Was sorgt noch für Ärger?
Neumeyer: Die Kosten für die Krankenhäuser, und das sowohl im operativen als auch im investiven Bereich, die beide nicht im Ansatz kostendeckend refinanziert sind. Für das Kelheimer Haus haben wir vor ein paar Jahren die Caritas als Partnerin gewinnen können. Hinsichtlich der dringend notwendigen OP-Generalsanierung laufen in Kelheim aktuell die ersten Gespräche mit den Fachplanern. Auch in Mainburg investieren wir. Nach den Rahmenbedingungen der aktuellen Krankenhausreform konnte der Standort Mainburg jedoch nicht bleiben, wie er war. Die einzige Möglichkeit, hier überhaupt noch ein medizinisches Angebot für die Bevölkerung aufrechtzuerhalten, war, den Standort zu einem sogenannten „sektorenübergreifenden Versorgungszentrum“ zu entwickeln. Aber das waren heiße Debatten und Abstimmungen. Und wenn etwas beschlossen wurde, werden diese demokratisch herbeigeführten Entscheidungen nicht mehr akzeptiert.
Es wird Stimmung gemacht
BSZ: Wie äußert sich das?
Neumeyer: Über Social Media, Demonstrationen und Kampagnen wird Stimmung gegen eine einmal beschlossene – und mittlerweile mehrfach im Kreistag bestätigte – Sache gemacht. Und plötzlich steht wieder alles infrage. So kann man keine vernünftige Politik machen. Das ist das Ende der Demokratie.
BSZ: Manche wünschen sich das ja.
Neumeyer: Unser Land, unsere Heimat ist aus Demokratie erwachsen. Nur dadurch sind unsere Freiheit und unser Wohlstand überhaupt möglich geworden. Unsere Demokratie gilt es zu verteidigen, wir müssen sie wertschätzen und dafür einstehen.
BSZ: Wie sieht es denn bei der Infrastruktur im Landkreis Kelheim aus?
Neumeyer: Wir liegen ja an der sogenannten Öl-Strecke von Ingolstadt nach Regensburg. Da hätte die Deutsche Bahn schon längst ein paar Überholgleise bauen können, damit sich langsam fahrende Güterzüge und schnellere Personenzüge nicht ins Gehege kommen. Das wäre auch für die Unternehmen im Landkreis wichtig.
BSZ: Welche wichtigen Firmen beziehungsweise Hidden Champions haben Sie denn hier?
Neumeyer: Wir haben eine gute Mischung im Landkreis. Bayernoil, BLG oder Kelheim Fibres sind zum Beispiel bekannte Unternehmen. Die BLG mit ihrem Autoterminal am Kelheimer Hafen hat Platz für 33.000 Fahrzeuge. Und die Parkflächen von BLG sollen bald mit PV-Anlagen überdacht werden. Dann stehen die Neuwagen im Schatten, während oben Ökostrom erzeugt wird. Aber das ist nicht alles an Innovationen.
Mehrere Unternehmen haben Wasserstoffbedarf
BSZ: Was gibt es noch?
Neumeyer: Das Wasserstoffprojekt, das wir zusammen mit Stadt und Landkreis Regensburg, der Energieagentur Regensburg und vielen weiteren Partnern stemmen. Mehrere Unternehmen haben grundsätzlich Bedarf. Es ist ganz einfach: Wasserstoff bedeutet Zukunft. Betriebe, die viel Energie benötigen, müssen an das geplante Kernnetz angeschlossen werden. Nur so bleiben sie auch in einigen Jahren wirtschaftlich wettbewerbsfähig. Somit werden wiederum Arbeitsplätze gesichert. Davon sind wir überzeugt und deshalb haben wir die Wasserstoffallianz als starkes Netzwerk gegründet.
BSZ: Wie sieht es bei den Schulen aus?
Neumeyer: Voraussichtlich Ende 2026 können wir die Sanierung des Beruflichen Schulzentrums in Kelheim abschließen. Die Gesamtkosten von rund 44 Millionen Euro sind ein klares Statement für die schulische Bildung im Landkreis. Wir gründen zum neuen Schuljahr ein drittes staatliches Gymnasium in Rohr und bauen hier schrittweise eine neue Schule auf, während das kirchliche Gymnasium im Kloster Rohr ausläuft. Der kirchliche Träger zieht sich sukzessive zurück und die Klassen gehen in staatliche, sprich unsere Obhut über. In meinen Augen eine sehr gelungene Lösung, um den historischen und anerkannten Schulstandort zu erhalten. Diese Umsetzung konnte auch nur mit der Unterstützung der Staatsregierung funktionieren.
BSZ: Müssen Sie dafür investieren, um das Kloster übernehmen zu können?
Neumeyer: Außer einem symbolischen Kaufpreis, den wir bezahlen müssen, entstehen uns hier vorerst keine Kosten.
(Interview: Ralph Schweinfurth)
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