Kommunales

Für die gebeutelte SPD war die Festnahme von Christian Pech ein Schock. (Foto: dpa)

01.03.2019

Das jähe Ende einer sozialdemokratischen Bilderbuchkarriere

Der ehemalige Vize-Landrat von Erlangen-Höchstadt, Christian Pech (SPD), muss ab März auf die Anklagebank – es geht um mutmaßlich nicht gezahlte Zölle in Millionenhöhe

In Deutschland gilt die Unschuldsvermutung – doch Christian Pech, ehemaliger Vize-Landrat des Landkreises Erlangen-Höchstadt, verlor bereits vor einem Urteilsspruch seinen Posten. Am 20. März beginnt nun in Nürnberg sein Prozess. Die Anklage wirft ihm Millionenschmuggel vor.

Politiker werden oft beneidet ob der Höhe ihrer Vergütungen und Altersversorgung im Vergleich zu jener Bevölkerung, von der sie gewählt werden. Dass dieser Vergleich auch Schattenseiten bereithält, hat Christian Pech erfahren müssen – zuletzt stellvertretender Landrat des 135 000 Einwohner großen Landkreises Erlangen-Höchstadt. Er steht als Privatperson ab dem 20. März vor der 3. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Schmuggel vor. Aufgrund der Vorwürfe hat er inzwischen auch sein politisches Ehrenamt verloren – und das, obwohl im deutschen Rechtssystem bis zu einer Verurteilung durch ein ordentliches Gericht die Unschuldsvermutung gilt.

Christian Pech hatte eine politische Bilderbuch-Karriere hinter sich – die zuletzt ein jähes Ende fand. Bereits 1992 war er als 16-Jähriger gleich in die SPD und nicht erst bei den Jusos eingetreten. Er habe gegen „die massiven ausländerfeindlichen Übergriffe Anfang der Neunziger Jahre ein Zeichen setzen wollen“, begründet er diesen Schritt. Später wurde er Assistent in der Nürnberger SPD-Stadtratsfraktion. 2002 wählten ihn die dortigen Genossen zum Vorsitzenden des SPD-Ortsvereins in seinem Wohnort Möhrendorf und ein Jahr darauf wurde er Geschäftsführer der SPD-Stadtratsfraktion in Erlangen.

Christian Pech organisierte für seine Partei die Kreistagswahlen der Jahre 2002 und 2008, von 2005 bis 2008 leitete er die Büros der damaligen SPD-Bundestagsabgeordneten und früheren Bundesfamilienministerin Renate Schmidt in Erlangen und Berlin. 2009 rückte er dann in den Kreistag nach und übernahm dort nach einstimmigem Votum 2012 den SPD-Fraktionsvorsitz. Zur Kommunalwahl 2014 lief die Kandidatur des Diplom-Politologen und Betriebswirt für den Posten des Landrats mehr oder weniger automatisch (und einstimmig) auf Christian Pech zu – begleitet von vielfältigen Lobesworten, die Fleiß, Beharrlichkeit, Verlässlichkeit, Leidenschaft, Gelassenheit, Ausgeglichenheit, Fröhlichkeit, Ausstrahlung und Klugheit bescheinigten. Die Erlanger Nachrichten titelten vom „Schwiegermutter-Typ“. Doch dann gab es den ersten Dämpfer: Pech landete bei der Landratswahl hinter den CSU- und FW-Bewerbern auf Platz 3 und verfehlte mit 18,3 Prozent die Stichwahl. Da aber CSU und SPD im Kreistag ein Bündnis bildeten, wurde er zum ersten Stellvertreter des Landrats gewählt.

Inzwischen hatte Pech, dessen Heirat 2013 mit einer Handelsfachwirtin aus der Oberpfalz in der lokalen Presse gebührend gewürdigt worden war, einen Broterwerb gefunden – in der Projektentwicklung und -betreuung für Solaranlagen, gemäß seiner schon im Wahlkampf stets geforderten dezentralen Energieversorgung. Er landete bei einem chinesischen Konzern, den 2017 die Zollfahndung ins Visier nahm: Die Ermittler unterstellten ein Betrugskartell mit Solarmodulen, „ein ausgeklügeltes Modell von Schein- und Briefkastenfirmen in Luxemburg und Hongkong mit möglichst großer Intransparenz“.

Man muss wissen: Die Branche hat in den letzten Jahren einen massiven Preisverfall erlebt. Die einstige Fertigung in Deutschland versank zwischenzeitlich in der Bedeutungslosigkeit, mehrere einstige Marktführer gingen pleite und die chinesische Konkurrenz beherrscht mittlerweile den Markt. Im Reich der Mitte wurden in den vergangenen Jahren in gigantischen Fabrikanlagen Solarmodule zu absoluten Tiefstpreisen hergestellt. Die EU reagierte mit Strafzöllen von 48 Prozent – was deren Umgehung ausgesprochen lohnend gemacht hat. Inzwischen hat sich die Situation etwas entspannt: So sanken etwa auch für europäische Hersteller die Produktionskosten. Die Europäische Union hat im vergangenen Jahr jedenfalls die Strafzölle komplett abgebaut – für Pech dürfte dies wohl eine bittere Erkenntnis sein.

Im Falle seines Arbeitgebers geht es um mutmaßliche Zollvergehen in zweistelliger Millionenhöhe – und Pech musste für vier Wochen in die Untersuchungshaft einrücken. Gut 20 Millionen Euro Antidumping- und Ausgleichszölle sollen die Verantwortlichen der Nürnberger Firma, bei der der Politiker aus Möhrendorf arbeitete, laut Staatsanwaltschaft beim Import von Solarmodulen aus China hinterzogen haben. Wegen gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels beziehungsweise Steuerhehlerei oder Beihilfe hierzu hat die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth Mitte Dezember Anklage gegen zwei Frauen und vier Männer im Alter von 41 bis 56 Jahren erhoben – darunter auch Pech.

Pech spricht von „einem Akt außergewöhnlicher Härte“

Von der Erhebung der EU-Zölle waren der Anklagebehörde zufolge nur Firmen befreit, die sich zur Einhaltung eines bestimmten Mindesteinfuhrpreises verpflichteten. Der Geschäftsführerin der Nürnberger Gesellschaft legt die Anklagebehörde zur Last, chinesische Solarmodule jedoch unterhalb des vorgegebenen Mindestpreises eingeführt und dies gegenüber den Zollbehörden verschleiert zu haben. Drei Mitarbeiter der Firma hätten die Beschuldigte bei den Taten unterstützt, darunter Pech. Darüber hinaus beschuldigen die Ermittler zwei Kunden der Nürnberger Gesellschaft, „viele der geschmuggelten Solarmodule deutlich unter dem Mindestpreis angekauft zu haben“. Die Einhaltung der Preisvorgaben hätten „die Beschuldigten dabei nur vorgetäuscht, indem sie verschleierte Rückzahlungen oder die Manipulation von Montage- und Zubehörkosten vereinbarten“.


271 Seiten umfasst die Anklageschrift. Drei der sechs Beschuldigten seien „weitgehend geständig“, wie die Staatsanwaltschaft vor mehreren Wochen mitteilte. Pech bestreitet die ihm zur Last gelegten Taten dagegen. Klar ist Strafverteidiger Markus Wagner zufolge, dass Pech kein führender Kopf gewesen sei und sich auch das Gerücht, er habe sich persönlich um Millionen bereichert, nicht bestätigt habe.

Doch obwohl Pech vier Wochen in Untersuchungshaft musste, erfuhr er damals eine regelrechte Welle der Solidarität. Renate Schmidt hielt dessen Inhaftierung für äußerst fragwürdig: „Mit welchen Kanonen da auf Spatzen geschossen wird, ist für mich nicht nachvollziehbar.“ Der Möhrendorfer Bürgermeister Thomas Fischer (CSU) hat Pech, den er seit der Schulzeit kennt, als gutmütigen Menschen kennengelernt, weshalb er sich schwer vorstellen könne, dass eine persönliche Bereicherung vorliege. Sein Herzogenauracher Kollege German Hacker (SPD) bestätigte, Pech habe die „Fähigkeit, Brücken zu bauen“. Der Fürther SPD-Landtagsabgeordnete Horst Arnold, inzwischen Landtagsfraktionschef, signalisierte Pech „unsere volle Solidarität“. „Völlig geschockt“ reagierten Mitarbeiter der Arbeiterwohlfahrt, bei der Pech als Kreisvorsitzender amtiert.

Pech nahm zwei Wochen nach der Entlassung aus der U-Haft seine Amtsgeschäfte als Vize-Landrat wieder auf. Landratsamtssprecherin Hannah Reuter zitierte noch im November 2017 ihren Chef Alexander Tritthart (CSU), die Vertretung durch Pech sei rechtlich einwandfrei: „Wir leben in einem Rechtsstaat. Es gilt die Unschuldsvermutung, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist.“

Doch das galt nicht lange. Vier Wochen später wurde Pech durch die Landesanwaltschaft aufgrund der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen vorläufig seines Dienstes enthoben. Sie begründete ihre per Pressemitteilung mit vollem Namen versehene Ermessensentscheidung mit der „Schwere der gegen den bisherigen Vize-Landrat erhobenen Vorwürfe sowie des damit einhergehenden Ansehensverlustes des Amtes“. Eine vorläufige Dienstenthebung könne – so die Behörde – nach dem Bayerischen Disziplinargesetz ausgesprochen werden, „wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass im Disziplinarverfahren auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird“. Da ruderte dann auch Alexander Tritthart zurück – mit dem Rat an Pech, von seinem Amt zurückzutreten.

Renate Schmidt, die mit einem „grandiosen Freispruch“ rechnet, nannte das Ganze „absurd“. Pech, der die Amtsenthebung auf einen bloßen Verdacht hin für einen „Akt außergewöhnlicher Härte“ hält, legte Rechtsmittel ein, doch das Verwaltungsgericht Ansbach und letztlich auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bestätigten die Vorinstanzen. Ob er aber selbst bei einem Freispruch wieder ins Landratsamt in seine frühere Funktion zurückkehren kann, bleibt fraglich. (Udo B. Greiner)

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