Kommunales

Grablichter, Kerzen und Blumen liegen vor einem Kaufhaus in der Innenstadt, in dem der Somalier die Menschen mit einem Messer attackiert und drei von ihnen getötet hatte. (Foto: dpa/Daniel Karmann)

16.07.2021

Das dröhnende Schweigen der Kanzlerin

Auch drei Wochen nach dem Mordanschlag von Würzburg findet Angela Merkel kein persönliches Wort für die Opfer und ihre Angehörigen

Vor drei Wochen ermordete der somalische Asylbewerber Abdirahman J. in der Würzburger Innenstadt drei Frauen und verletzte neun weitere Menschen zum Teil schwer. Zwar gibt es Hinweise, dass der 24-Jährige zum Teil unter dem Einfluss einer paranoiden Schizophrenie handelte. Gleichzeitig sind sich Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und die Sicherheitsbehörden im Freistaat inzwischen ziemlich sicher, dass auch islamistische Motive den Mann zu seinem Verbrechen motivierten.

Doch anders als bei vergleichbaren Anschlägen von Rechtsradikalen – zuletzt in Hanau und Halle –, wo sie sich umgehend und entschieden äußerte, die Taten verurteilte und Konsequenzen ankündigte, hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bis heute mit keinem einzigen persönlichen Wort des Bedauerns an die Angehörigen der Opfer gewandt. Das demonstrative Schweigen der Regierungschefin ist dröhnend. Lediglich ihr Sprecher Steffen Seibert verlas ein offizielles Statement der Regierung.

Schon früher – etwa beim Lkw-Mordanschlag auf dem Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz – blieb die Kanzlerin auffallend leise, wenn Menschen hierzulande von Flüchtlingen oder Islamisten ermordet wurden. Für ihre Asylpolitik – mit der sie gegen die ausdrückliche Warnung von Sicherheitsexperten wie Bundespolizeipräsident Dieter Romann 2015 Hunderttausende Migrant*innen weitgehend unkontrolliert ins Land ließ – war Merkel wiederholt kritisiert worden. Das wies sie meist mit dem Argument zurück, für eine Überprüfung hätten nicht die Möglichkeiten bestanden. Auch solle man die Flüchtlinge nicht unter einen Generalverdacht stellen, das befeuere nur Ausländerfeindlichkeit.

„Ich habe mich auch gewundert, dass sie da nicht deutlicher zu vernehmen war“, sagt Hans-Joachim Lauth, Professor für Politikwissenschaft an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. „Hätte sich eine solche Tragödie in Frankreich, Großbritannien oder den USA ereignet, wären die dortigen Regierungschefs sofort an den Tatort gereist und hätten sich persönlich an die Bevölkerung gewandt“, ist Hans-Joachim Lauth überzeugt. Und auch der Wissenschaftler hat beobachtet, dass sich die Kanzlerin „bei Anschlägen von Rechtsradikalen deutlich vernehmbarer geäußert“ hat.

OB Schuchardt: „Nicht wichtig, wer sich äußert“

Der Politologe vermutet, dass Merkel nun erst recht nicht den Eindruck erwecken möchte, sie folge mit einer Erklärung dem Druck besonders der Bild-Zeitung – und weiter schweigen wird. Das Blatt weist in jeder Ausgabe neu darauf hin, wie viele Tage die Kanzlerin nun schon schweigt. „Sie sitzt das einfach aus, wie in früheren Fällen auch schon“, glaubt Hans-Joachim Lauth. „Und sie hat ja auch nichts mehr zu verlieren, weil sie nicht erneut kandidiert.“

Auch Martin Koch, der die Würzburger Niederlassung der Opfer-Hilfsorganisation Weißer Ring leitet, findet: „Schön wäre es schon gewesen, wenn sich Frau Merkel persönlich an die Angehörigen der Opfer gewandt hätte. Aber welche Möglichkeiten haben wir schon, das bei ihr anzumahnen.“

Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt (CDU) dagegen hat mit dem Verhalten der Kanzlerin kein Problem: „Es ist für mich nicht wichtig, wer sich wo und wie zu diesem schrecklichen Ereignis in Würzburg äußert. Wichtig ist für mich, dass das Gedenken an die Opfer nicht zu einer Spaltung unserer Stadtgesellschaft führen darf und nicht für politische Zwecke instrumentalisiert wird“, befindet der Rathauschef. (André Paul)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Sollen Uni-Absolventen später als mit 67 in Rente gehen?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
X
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.