Kommunales

Die Kaufhof-Filiale in der Fußgängerzone von Hof schließt bald. (Foto: dpa/Matthias Merz)

12.03.2021

Reanimationen für die City

Geplant sind etwa von Kommunen angemietete Kaufhäuser und subventionierte Räume für Künstler und Sozialverbände

Der Einzelhandel leidet unter dem Lockdown – und ganz besonders jener in den Innenstädten. Der Deutsche Städtetag fordert deshalb von Bund und Ländern ein „Förderprogramm Innenstadt“. Aber bringt das was – außer zusätzlichen Belastungen für den Steuerzahler?

In der Innenstadt von Hof in Oberfranken bietet sich dieser Tage ein trostloses Bild: Wie überall im Freistaat sind die meisten Läden in der City pandemiebedingt geschlossen, nur wenige Passanten haben sich in die Fußgängerzone verirrt. Ein riesiges Plakat vor dem Kaufhof weist auf den Schlussverkauf hin. Die oberfränkische Kommune ist leider kein Einzelfall. Natürlich trägt Corona eine Mitschuld an der aktuellen Lage. Aber womöglich war das Virus nur Beschleuniger einer Entwicklung, die schon lange vorher begonnen hat.

„In den nächsten Jahren werden sich die Besuchsgründe verschieben, der Handel wird an Bedeutung als absolut dominanter Anziehungsfaktor verlieren. Neue Nutzungen werden den Innenstädten ein neues Gesicht geben. Zukünftig werden Innenstädte wesentlich stärker zum Wohn-, Freizeit-, Kultur-, Kommunikations- und Produktionsraum. Die Innenstadt muss zukünftig also eher als Gesamtdestination überzeugen. Nicht einzelne Faktoren ziehen Besucher in die Innenstadt, sondern die Kombination aus mehreren, auch städtebauliche Individualitäten oder Magnete“, glauben Martin Kremming und Roland Wölfel vom Cima-Institut für Regionalwirtschaft in Hannover.

Umsatzrückgänge von 70 Prozent

Fest steht: Immer mehr Menschen bestellen am Computer und lassen sich die Waren nach Hause liefern. Aktuelle Umsatzrückgänge von teilweise bis zu 70 Prozent beim stationären Einzelhandel, leere Schaufenster in Einkaufsstraßen und immer mehr Geschäftsaufgaben: „Corona hat den Online-Handel der Vorjahre zum Online-Boom beschleunigt“, meint Burkhard Jung (SPD), Oberbürgermeister von Leipzig und Präsident des Deutschen Städtetags. Er und seine Kolleg*innen fordern eine üppige Gegenmaßnahme: 500 Millionen Euro jährlich für fünf Jahre. Das Geld soll unter anderem dafür verwendet werden, dass Kommunen leer stehende Ladenlokale anmieten. Die Eigentümer sollen den Städten „bei der Miete entgegenkommen“.

Das klingt nicht nur sozialistisch – auch in der DDR bestimmte der Staat, was Immobilienbesitzer als Miete verlangen durften –, sondern wirft auch die Frage auf: Warum sollen Menschen bei der öffentlichen Hand etwas kaufen, was sie bei privaten Anbietern verschmähen?

Dass Karstadt und Galeria Kaufhof seit Jahren darniederliegen, ist tragisch – aber strukturell bedingt und wird sich auch nicht ändern, wenn dort künftig der Kämmerer mitbestimmt. Scheinbar ein großes Angebot bietend, halten die Kaufhäuser tatsächlich vor allem Mainstream vor. Wer etwa versucht, mit 1,90 Meter Körpergröße und/oder mehr als 100 Kilogramm Gewicht passende Kleidung zu finden, wird enttäuscht werden. Junge, innovative Designer sucht man ebenfalls vergebens. Und hinzu kommt ein häufig unfreundliches und demotiviertes Personal.

Darüber hinaus wollen Jung und seine Kollegen „städtebaulich relevante Schlüsselimmobilien, zum Beispiel Kaufhäuser, erwerben, um neue Nutzungen zu erproben.“ Sein Stellvertreter Markus Lewe (CDU), der Oberbürgermeister von Münster, denkt dabei an „Akteure der Kreativwirtschaft, Kulturschaffende, gemeinwohlorientierte Initiativen“.

Die öffentliche Hand sollte keine Kaufhäuser und Cafés betreiben

Doch diese generieren selten einen steuerrelevanten Mehrwert, im Gegenteil, meist müssen sie mehr oder weniger subventioniert werden. Wenn man sich dazu noch das Umfeld mancher „interkultureller Begegnungsstätten“ und „alternativer Kunst- und Jugendzentren“ anschaut, dann ist zweifelhaft, wie dadurch eine solvente, gut situierte bürgerliche Klientel in die Innenstadt gelockt werden soll.

Und wenn dann einige Jahre ohne größeren Erfolg geprobt worden ist, dann hat man eben das Geld des Steuerzahlers verbrannt, oder? Motto: Wir haben es versucht und der gute Wille zählt. In einer sozialen Marktwirtschaft sollten sich der Staat und die Kommunen – jenseits der Daseinsvorsorge – auf das Setzen von wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen beschränken und nicht selbst unternehmerisch aktiv werden. Es gibt kein Beispiel, wo das erfolgreich umgesetzt worden wäre. Doch Verstaatlichung und Planwirtschaft sind derzeit, nicht zuletzt in der Bundesregierung, en vogue.

Wobei der Städtetag durchaus auch Vernünftiges schreibt: „Derzeit sind die Innenstädte zu sehr vom Einzelhandel abhängig. Wir wollen eine lebendige Mischung von Wohnen, Arbeiten, Gewerbe, Kultur, Restaurants und Tourismus in den Innenstädten. Und wir wollen verstärkt Handwerk, Kultur und soziale Einrichtungen ins Zentrum holen. Warum nicht auch Schulen und Kitas?“

Kita-Kinder, Lokale – gegen fast alles wird prozessiert

Tatsächlich, mehr Restaurants? Da lohnt etwa ein Blick in die Gustavstraße in Fürth. Jahrelang prozessierten dort einige besonders lärmempfindliche Anwohner gegen die Außengastronomie, teilweise sollte nach ihrem Willen schon um 22 Uhr Schluss mit dem Gastronomiebetrieb sein – obwohl besagte Straße nun mal eine historisch gewachsene Ausflugsmeile ist.

In einigen Oberpfälzer und Allgäuer Gemeinden führten fundamentalistische Radfahrer, die jeden Meter Trottoir als ihr gottgegebenes Areal erachten, einen Kampf gegen die Außengastronomie. Spielende Kita-Kinder werden von Rentnern, denen ihr Mittagsschlaf heilig ist, gern mal zum Schweigen verklagt. Wenn deutsche Innenstädte tatsächlich einen mediterran geprägten Kulturwandel wie oben geschildert erleben sollen, braucht es vorher einen Mentalitätswandel der Bevölkerung.

Mehr Wohnraum in den Innenstädten könnte tatsächlich eine Lösung gegen deren Niedergang sein. Es steht aber zu befürchten, dass auch da wieder gleich die Forderung erhoben wird, vor allem „sozial Benachteiligte“ zum Zuge kommen zu lassen. Doch Bewohner, die von sozialen Transferleistungen leben, tragen nichts zum ökonomischen Aufschwung der City bei; da bieten unter anderem die Städte Chemnitz und Detroit, wo man diese gezielt angesiedelt hat, ein weltweit abschreckendes Beispiel. In solche City-Wohnungen gehören vor allem der Mittelschicht zuzurechnende Menschen, die auch in der Innenstadt arbeiten und einen Mehrwert schaffen.

"Bürokratie ist das größte Hemmnis"

Und es braucht auch nicht, wie vom Städtetag gefordert, mehr öffentlich besoldete City- und Zentrenmanager. Klima-, Fahrrad-, Antidiskriminierungs-, Integrations- und was sonst noch für -beauftragte: In den Kommunalverwaltungen etablierte sich in den vergangenen Jahren ein Konvolut aus vor allem gesellschaftspolitisch motivierten, nicht zuletzt durch die Gewerbesteuer bezahlten Planstellen – während gleichzeitig das Geld für dringend benötigte, aber eben teure IT-Fachleute, Mediziner und Ingenieure fehlte. Die Händler wissen selbst, was für sie das Beste ist.

„Zu den größten Wirtschaftshemmnissen zählt die Bürokratie“, klagt die Industrie- und Handelskammer München-Oberbayern. „Vor allem kleine und mittlere Unternehmen haben mit der Vielzahl an Vorschriften zu kämpfen. Aufbewahrungsfristen von Dokumenten oder Datenschutz – die Liste bürokratischer Belastungen für Unternehmen ist lang. 4,9 Milliarden Euro kosteten neue Regulierungen die deutsche Wirtschaft zuletzt jährlich.“ Die Politiker im Städtetag sollten also ihre Energie darauf verwenden, bei ihren Parteifreunden in Bund und Ländern entsprechende Entlastungen in die Wege zu leiten.

Wesentlich pragmatischer und praxisorientierter als der Deutsche Städtetag zeigt sich in seinen aktuellen Forderungen zum gleichen Sachverhalt der Bayerische Gemeindetag: steuerliche Kostenentlastung, verlässliche Sonntagsöffnungszeiten, Amazon & Co. regulieren und belasten – etwa über eine Paketversandbesteuerung – und die gute Erreichbarkeit der Innenstädte fördern“, lauten die Vorschläge von Verbandspräsident Uwe Brandl (CSU) für den innerstädtischen Handel; und zwar so, dass es „über Gesprächsrunden und Dialogforen hinausgeht“.

Schluss mit dem Gängeln von Autofahrern in Städten

Wenn die Städte tatsächlich proaktiv was für ihren Einzelhandel tun wollen, dann sollten sie aufhören, seine Kunden zu gängeln. Wer vom Land zum Einkaufen in die Stadt kommt, der wird seine Pakete, Taschen und Tüten nun mal nicht in der Bahn (womöglich noch mit Umsteigen) nach Hause transportieren.

Doch vor allem in Kommunen, in denen die Grünen mitregieren – München ist ein aktuelles Beispiel –, findet gerade ein Verdrängungskampf gegen das Auto statt, etwa durch das Zusammenstreichen von Parkplätzen und für den Verkehr gesperrte Straßen. Pkw-Fahrer, da machen manche Politiker keinen Hehl daraus, sollen aus den Städten hinausgeekelt werden.

Darüber hinaus wollen vor allem junge Innenstadtbesucher kostenloses WLAN an öffentlichen Plätzen: Wo ist der nächste Sportladen, was bietet der Imbiss an? In den meisten anderen europäischen Städten ist das längst eine Selbstverständlichkeit, in Deutschland, vor allem in Bayern, scheuen es viele Kommunen noch. Und auch die digitale Kommunikation der Händler mit der Kommunalverwaltung ist vielerorts noch ausbaufähig. (André Paul)

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