Kommunales

Immer mehr Leerstand in den Cities: Die Aufschrift „Laden zu vermieten“ ist am Fenster eines leer stehenden Geschäfts in der Fußgängerzone angebracht. (Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand)

26.01.2023

Sterbende Innenstädte suchen neues Leben

Erst Corona, nun die Inflation: viele Läden in der City müssen aufgeben – derweil die Kommunen zwar nach Hilfen rufen, aber gleichzeitig das Einkaufen immer unattraktiver gestalten

Erst Corona mit den Kontaktbeschränkungen, nun die Inflation: Die Menschen kaufen immer öfter im günstigeren Internet ein – und die innerstädtischen Läden geraten weiter unter Druck. Das Problem war großes Thema auf der Jahresversammlung des Deutschen Städtetags im sächsischen Chemnitz. „Früher erfolgreiche Konzepte haben heute keine Überlebenschance mehr“, erläutert Thomas Kufen (CDU), Oberbürgermeister von Essen und im Präsidium des Deutschen Städtetags für das Thema Handel und Gewerbe zuständig.

Trotz vieler Bemühungen verlören viele Innenstädte immer mehr an Attraktivität. „Und Menschen unter 30 Jahren können mit dem Thema Einkaufen in der Innenstadt gar nichts mehr anfangen“, sagt Thomas Kufen. Eine Zukunft sieht der Städtetag nach seinen Worten in mehr Begegnungsmöglichkeiten zum Kommunizieren und Erholen, in mehr Grün und Wasser. Gleichwohl fordert der Städtetag Geld vom Bund, um den innerstädtischen Handel zu stützen.

Doch ist das eben eine wohlfeile Forderung – wo gleichzeitig in vielen größeren Kommunen speziell das Einkaufen für Menschen aus dem Umland immer unattraktiver gemacht wird. Die Landeshauptstadt etwa plant die größte Streich-Orgie aller Zeiten bei öffentlichen Parkplätzen. Die grün-rote Koalition im Münchner Rathaus will die gut 3500 oberirdischen öffentlichen Parkplätze innerhalb des Altstadtrings bis 2025 komplett streichen. So möchte man den sogenannten Park-Such-Verkehr deutlich verringern. Die Menschen sollen gefälligst mit dem ÖPNV zum Einkaufen fahren. Doch einen XXL-Flachbildfernseher oder die komplette Winterbekleidung einer Familie mit drei Kindern – die transportiert sich eben nur suboptimal in der überfüllten S-Bahn nach Hause.

 

Künstler*innen in leere Geschäfte? Schwierig


Und München ist da in Bayern kein Einzelfall. In den vergangenen Tagen kündigten unter anderem die Städte Traunreut im Landkreis Traunstein und Unterföhring im Landkreis München an, einen großen Teil ihrer bisherigen Parkplätze ersatzlos zu streichen. Darauf angesprochen, kommt der Städtetags-Präsidiale Kufer argumentativ ins Rudern: man müsse eben auch ökologischen Aspekten Rechnung tragen, es brauche einen vernünftigen Mix. Und auch seine Vorstellung, dass sich in ehemaligen Läden Künstler*innen ansiedeln sollen, entbehrt noch ziemlich konkreter Umsetzungsstrategien. Viele Kreative sind finanziell eher schwach auf der Brust; wie die Immobilienfirma da auf ihre Einnahmen kommen soll – schwierig.

Innerstädtischer Leerstand ist nicht nur ein Problem strukturschwacher Kommunen – sondern betrifft immer häufiger auch Boomregionen wie beispielsweise Ingolstadt. Das liegt nicht selten auch an den Bedürfnissen des Handels. „Es gibt jede Menge Anfragen hinsichtlich Einzelhandelsniederlassungen in Ingolstadt“, sagt Thomas Deiser, Vorsitzender der Vereinigung IN-City, aber eben nicht in der Innenstadt.“ Gefragt sind Flächen, die rechteckig und ebenerdig seien und 200 Parkplätze vor der Türe hätten. „Die Innenstadt kann das nicht leisten“, klagt Deiser. Vor allem die Bekleidungsindustrie tut sich in Ingolstadts City schwer. S’Oliver, Esprit, C&A und Galeria Kaufhof: Sie alle gaben ihre Filialen in der City nach einiger Zeit wieder auf. Hinzu kommt: Mit dem gigantischen Outlet-Zentrum Ingolstadt Village – gemessen an der Zahl der Bewohnenden eines der größten Europa – steht die Konkurrenz eben direkt daneben auf der grünen Wiese.

Bei Teilen des Ingolstädter Stadtrats sieht der City-Lobbyist durchaus eine Mitschuld: „Es gibt politische Bestrebungen, den Autofahrern den Zugang zur Innenstadt zu erschweren und beispielsweise die Anzahl der Parkplätze zu verringern.“ Die Kommunalpolitik dürfe Leuten nicht vorschreiben, wie sie in die Innenstadt kommen sollen, fordert Thomas Deiser. Ansonsten würde das Ziel, die Leerstände zu reduzieren, nicht erreicht.

 

Positive Resonanz auf Pilotprojekt des bayerischen Wirtschaftsministeriums



In Hof hat man mit innerstädtischem Leerstand schon länger zu kämpfen; auch eine Folge des Wegfalls der sogenannten Zonenrandförderung nach der Wiedervereinigung. Die oberfränkische Kreisstadt gehört zu den Kommunen mit der geringsten Kaufkraft im Freistaat und einer der niedrigsten Beschäftigungsquoten. Trotzdem wollen sich die Hofer*innen nicht einfach in ihr Schicksal ergeben. Leerstand, aber mit Inhalt heißt ein Projekt, das in der Hofer Kernstadt einen neuen Weg aufzeigen soll.

Das Projekt ist Teil des Förderprogramms Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren des Bundesbauministeriums und soll die geförderte Anmietung eines Ladenleerstandes in der Hofer Kernstadt möglich machen. Ziel dessen ist, einem Netzwerk aus Handel, ortsansässigen Künstler*innen sowie Wissenschaft und Forschung eine Plattform zu geben und mit Ladengeschäft, Café und Kulturlounge Raum zu schaffen. Der regionale Bezug zu Hof wird laut Stadtverwaltung über das Kernthema lokale Textilien und Nachhaltigkeit in Mode und Design geschaffen.

Zwar hat man auch in München keine Probleme mit Leerstand – aber das Angebot wird immer gesichtsloser und austauschbarer. 96 Prozent der Ladenflächen in der Kaufingerstraße werden von Filialisten betrieben, 2005 waren es 92 Prozent. In der Neuhauser Straße lwiederum iegt der Anteil an Filialisten aktuell bei 80 Prozent, 2005 waren es noch 77 Prozent.

Das bayerische Wirtschaftsministerium hat die Problematik erkannt und 2021 das einjährige Programm Starke Zentren gestartet. Damit sollten fünf Städte für die Zukunft gerüstet werden: Beilngries (Landkreis Kelheim), Coburg, Schwandorf, Kempten und Rothenburg ob der Tauber (Landkreis Ansbach). Unter intensiver Beteiligung der Bevölkerung und mit externem fachlichen Beistand wurde jeweils ein Modellprojekt zur City-Belebung erstellt.

Die fünf beteiligten Rathauschefs zeigten sich bei Auswertung zufrieden, ihnen habe die Aktion viel gebracht. Die Frage ist nur: Werden sich andere bayerische Kommunen dadurch inspirieren lassen selbst Konzepte zur Stärkung ihrer Zentren zu entwickeln und umzusetzen – und zwar ohne explizite Förderung mit externem Geld? Bisher schaut es eher nicht danach aus. (André Paul)

 

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