Kommunales

15.09.2024

Nur ein Mosaikstein

Wende in der Migrationspolitik: Bayerns Kommunen kritisieren Ampel-Pläne für Grenzkontrollen als unzureichend

Die Pläne der Bundesregierung, wie mehr illegale Migranten direkt an der Grenze zurückgewiesen werden, gehen nicht nur der Union nicht weit genug – auch von Bayerns Kommunen kommt massive Kritik.

Es sollte ein Befreiungsschlag für die Bundesregierung werden: Vollmundig kündigte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Montag vorübergehende Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen an – bislang gab es diese nur gegenüber einzelnen Staaten wie Österreich und der Schweiz. Die zusätzlichen Kontrollen beginnen am 16. September und sollen laut Faeser zunächst einmal sechs Monate andauern, wie die Ministerin bekannt gab. Daneben kündigte Faeser auch eine Ausweitung der Zurückweisungen von Migranten an den deutschen Grenzen an – ohne selbst zunächst Details zu nennen. Seitens der Bundesregierung hieß es, die Regierung habe ein europarechtskonformes Modell für Zurückweisungen entwickelt, das über die bereits praktizierten Zurückweisungen hinausgehe, die zum Beispiel vorgenommen werden, wenn Geflüchtete kein Asyl beantragen oder keine gültigen Papiere dabei haben.

Kein Wunder, dass Faeser Handlungsfähigkeit beim Thema Migration zeigen will. Denn nicht nur Kommunen und Opposition fordern seit Längerem vehement, die Zahl der illegalen Einreisen stärker einzudämmen. Gelingt dies nicht, droht den Ampel-Parteien bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr eine vernichtende Niederlage.

Geplante Schnellverfahren werden rasch zu einem Papiertiger

Doch bereits am Dienstag war klar, dass aus dem großen Wurf im Kampf gegen illegale Einwanderung nichts wird: In den Beratungen mit der Union über eine Reform der Asylpolitik machte SPD-Frau Faeser klar, dass die geplanten Zurückweisungen nur jene Fälle betreffen sollen, in denen die Flüchtlinge gemäß der Dublin-Verordnung bereits in einem anderen EU-Land als Asylbewerber registriert wurden. Beantragt ein Migrant an der Grenze Asyl, soll er erst einmal in Grenznähe in Deutschland bleiben. Die Bundespolizei soll dann mit elektronischen Abfragen in der Eurodac-Datei prüfen, ob ein anderer EU-Staat bereits für den Flüchtling gemäß Dublin verantwortlich ist. Die zuständigen Behörden sollen bei diesen betreffenden Personen dann beschleunigte Rückstellungsverfahren einleiten.

Doch unterbesetze Ausländerbehörden und fehlende Abschiebehaftplätze in Grenznähe dürften die geplanten „Schnellverfahren“ rasch zu einem Papiertiger machen. CSU und CDU halten die Vorschläge Faesers jedenfalls für unzureichend. Sie befürchten auch, dass andere EU-Staaten die Regelungen umschiffen könnten, indem sie Schutzsuchende einfach nicht mehr registrieren, damit sie diese nicht zurücknehmen müssen. Allerdings ist diese Praxis bereits heute teilweise Realität, weil etwa Italien illegal eingereiste Migranten einfach nach Österreich und letztlich Deutschland durchwinkt. Die Union fordert, weit mehr illegale Migranten zurückzuweisen

Die CDU/CSU-Fraktion vertritt die Auffassung, dass auch Menschen, die Asyl beantragen wollen, direkt an der Grenze zurückgewiesen werden könnten. Sie verweist dabei unter anderem auf Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Dieser sichert den EU-Mitgliedstaaten die Zuständigkeit „für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit“ zu. Ampel-Politiker finden diese Sichtweise rechtlich fragwürdig und befürchten, dass ein solcher Schritt die Umsetzung des mühevoll ausgehandelten Kompromisses für eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) gefährden könnte.

Geht es nach der Ampel-Regierung sollen die Bundesländer, die an einer Grenze liegen, also nicht zuletzt Bayern, grenznah Abschiebehaftplätze zur Verfügung stellen und eine Dauererreichbarkeit von Verwaltungsrichtern organisieren. So sollten Menschen, für deren Asylverfahren ein anderer EU-Staat nach den sogenannten Dublin-Regeln zuständig ist, schneller dorthin zurückgebracht werden als bisher. Der Bund will seinerseits Bamf-Mitarbeiter entsenden, die sich um eine rasche Bearbeitung der Dublin-Verfahren kümmern sollen. Außerdem bietet die Bundesinnenministerin an, dass Bundespolizisten die komplette Rückführung übernehmen.

Warum saßen die Kommunen nicht mit am Tisch?

Vertreter der Kommunen sehen die nun geplanten Maßnahmen des Bundes allerdings nicht ansatzweise als ausreichend an. Thomas Karmasin (CSU), Vorsitzender des Bayerischen Landkreistags, sagt der BSZ: „Eine konsequente Überwachung der Grenzen ist nur ein Mosaikstein für eine Wende in der Migrationspolitik, die ausschließlich durch eine effektivere Steuerung und tatsächliche Begrenzung gelingen wird.“ Für den CSU-Politiker ist klar: „Neben strengen und konsequenten Grenzkontrollen und einem funktionierenden Rückkehrsystem durch Abkommen mit Ländern, aus denen die Flüchtlinge stammen, brauchen wir beispielsweise eine europaweite Harmonisierung von Sozialleistungen, Abweisungen an den EU-Außengrenzen und eine Durchführung von Verfahren und Entscheidungen schon in den Drittstaaten.“ Ohne ernst gemeinte Maßnahmen, um den illegalen Asylbewerberzustrom wirklich und dauerhaft zu begrenzen, werde „die Bundesregierung die bestehenden Herausforderungen nicht lösen können“.

Aus Karmasins Sicht fehlt ein Konzept des Bundes „für eine entschlossene Begrenzung und Steuerung der Migration“. Faeser zeige beim Thema Rückführungen auf die Länder. Diese sind zwar tatsächlich formell für Rückführungen zuständig. Sie könnten diese aber „letztlich nicht bewerkstelligen, weil die Grundlagen mit den Herkunftsländern nicht verhandelt sind, was wiederum nur der Bund kann“.

Bernd Buckenhofer, Geschäftsführer des Bayerischen Städtetags, betont auf BSZ-Anfrage: „Die Unterbringungskapazitäten und die Integrationskraft der Kommunen sind nahezu erschöpft.“ Kontrollierte Zuwanderung und Integration müssten daher vom Bund und von den Ländern stärker in den Fokus genommen werden. Für Buckenhofer ist klar: „Zur besseren Steuerung der Zuwanderung können stärkere Grenzkontrollen im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten einen Beitrag leisten.“

Grenzen kontrollieren, bis europäische Asylreform in Kraft ist

Auch André Berghegger, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, fordert den Bund zum Handeln gegenüber der BSZ auf: „Es erscheint sinnvoll, die deutschen Grenzen so lange zu kontrollieren, bis die europäische Asylreform in Kraft ist.“ Gleichzeitig sei „es richtig, die Anstrengungen zu verstärken, dass Menschen ohne Bleiberecht in ihre Herkunftsländer zurückkehren“. Hierfür solle eine „Task Force Abschiebungen“ des Bundes gegründet werden. Die mittlerweile gescheiterten Verhandlungen zwischen Regierung und Union kritisiert er: „Es ist bedauerlich und unverständlich, dass die Kommunen in die laufenden Beratungen nicht unmittelbar eingebunden waren.“ Als diejenigen, die mögliche Beschlüsse mitumsetzen müssten, hätten die Kommunen „mit am Tisch sitzen sollen“. Ob die Gespräche mit Beteiligung von Bürgermeistern und Landräten erfolgreich gewesen wären, darf allerding bezweifelt werden – zu verhärtet sind die Positionen von Ampel-Regierung auf der einen und Unions-Opposition auf der anderen Seite.

Klar ist: Es muss endlich durchschlagend gehandelt werden. Zwar ist die Zahl der Asylbewerber*innen zuletzt bundesweit leicht zurückgegangen: In den ersten acht Monaten dieses Jahres stellten 160 140 Menschen in Deutschland erstmalig einen Asylantrag -21,7 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Dennoch fühlen sich viele Kommunen überlastet, was Wohnraum, Integration sowie Schul- und Kitaplätze für neu Zugewanderte betrifft – auch weil zusätzlich die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die keinen Asylantrag stellen müssen, versorgt werden müssen. Das sollte man auch im politischen Berlin endlich erkennen. (Tobias Lill)

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