Kommunales

Der zerstörte Wald ist ein Schlaraffenland für den Borkenkäfer. Und weil es obendrein nun auch noch heiß und trocken ist, findet der Schädling optimale Lebensbedingungen vor. (Foto: Denk)

25.08.2017

Der Mühlhiasl könnte recht behalten

Erst mal war es „nur“ ein Unwetter, das den Bayerwald heimsuchte – doch nun droht noch viel Schlimmeres

Nach dem sehr schweren Unwetter droht der Region Passau jetzt die nächste Katastrophe: eine Borkenkäferplage von historischem Ausmaß. Grund: Der Windbruch gibt dem Schädling noch mehr Nahrung. Es herrscht Notstand: Wohin mit dem vielen befallenen Käferholz?

Bis zu zwei Millionen Kubikmeter Schadholz sollen angefallen sein. Zur Illustration: Damit ließe sich der komplette Chiemsee auffüllen. Die Ernte des Sturms entspricht etwa der zehnfachen Holzmenge, welche die Waldbauern und der Staatsforst in einem Jahr in diesem Gebiet schlagen und vermarkten. Selbst wenn 50 Holzerntemaschinen, so genannte Harvester, im Einsatz wären, würde die Schadensaufarbeitung in Niederbayern mindestens ein Jahr dauern. Bis zu 100 Millionen Euro Schaden sind entstanden.
 Wie die staatlichen Hilfen aussehen, wird sich erst nach der Sommerpause der Politik zeigen. Bereits beschlossen ist, dass die betroffenen Reviere personelle Verstärkung bekommen. Die Zahl der Förster werde dort verdoppelt.

Wer in diesen Tagen Förster Wolfgang Mantel beim Erkundungsgang mit privaten Waldbauern begleitet, erlebt bange Gesichter und hört von Notlagen und Engpässen, für die es keine Lösungen gibt. Der ungewöhnlich warme März hat dazu geführt, dass die erste Generation der Borkenkäfer sehr früh geschlüpft ist. Es könnte dazu kommen, dass heuer erstmals vier Generationen ausschwärmen, sagt der Passauer Revierförster. Jetzt hat ein kurzer, aber ungemein heftiger Auguststurm die Lage weiter verschärft.

Die wenigen Sägewerke sind völlig überlastet


Das Waldgebiet in Stadt und Landkreis Passau teilt sich in sieben Reviere auf. Die gesamte Waldfläche misst rund 44 000 Hektar, etwas größer als die Fläche von Wien. Davon sind 7000 Hektar Staatsforst, 36 000 Hektar Privatwald und 1000 Hektar Gemeindewald. Der Privatwald mit seinen 18 000 Waldbesitzern ist bei der Ausbreitungsgefahr das größte Sorgenkind. Die alten, naturkundigen Waldbauern sterben weg, den jungen Erben fehlt Zeit oder Lust, sich zu kümmern. Es soll nicht wenige Waldbesitzer geben, die nicht einmal wissen, wo die Grenzen ihres Wäldchens sind, erzählt Förster Mantel.

Um in akuten Borkenkäferjahren wie heuer rechtzeitig eingreifen zu können, um größeren Schaden zu verhindern, müssten Kontrollgänge monatlich unternommen werden. Doch welcher Waldbesitzer nimmt sich noch die Zeit dafür? Wenn der Befall dann mehr oder minder zufällig entdeckt wird, möglicherweise von einem Nachbarn, der um seine eigenen Bäume fürchtet, beginnt der Wettlauf mit der Zeit.

Nach dem Unwetter, den Millionen von Bäumen zum Opfer fielen, stellt sich die Frage: Woher die Holzfäller oder die Erntemaschine nehmen? Wie das gefällte Käferholz in sicherem Abstand lagern? Die Sägewerke, es gibt in dieser Region nur noch zwei große Vertreter, waren schon vor dem Sturmschaden überlastet. Sie können maximal 6000 Festmeter Holz am Tag verarbeiten. Die privaten Waldbauer müssen hinten anstehen. Osteuropäische Großlieferanten und staatliche Betriebe werden vorrangig bedient.

Lebensgefährliche Aufräumarbeiten


Holzarbeit ist Schwerstarbeit und für Laien gefährlich. Bei den Aufräumarbeiten in Niederbayern sind bereits drei Menschen ums Leben gekommen. „Käferbäume sind tückisch, weil sie mangels Gewicht in den Kronen anders fallen als erwartet“, sagt Mantel. Wenn Borkenkäfer und Windbruch die Arbeit im Holz mehren, steigen die Unfälle. 16 getötete Holzarbeiter galt es in Bayern 2015 zu beklagen, zwölf im Vorjahr, die heurige Statistik lässt Schlimmes befürchten: 16 waren es bereits bis Ende Juli.

Wenn sich die Fichtenkronen verfärben, ist es zu spät. Ein Käferloch im Endstadium. In den Kronen und Ästen knabbert der Kupferstecher, in die Rinde am Stamm bohrt sich der Buchdrucker. Wie dramatisch sich das Waldsterben derzeit ausbreitet, ist schwer überschaubar. Ein Passauer Revierförster, der 5600 Hektar Wald betreut, erzählt, dass er wegen Borkenkäferbefalls derzeit mit 70 bis 80 Waldbesitzern in Kontakt steht. „Dazu kommen die Fälle, welche noch nicht entdeckt sind oder solche, die private Waldbesitzer eigenständig bearbeiten“, sagt er.

Wer durch die niederbayerische Landschaft fährt, mit kundigem Auge die bewaldeten Hügel betrachtet, die Stellen der verfärbten Bäume zählt, erschrickt ob der Häufigkeit. Die Beobachtungen der Revierförster hochgerechnet: 1000 Löcher im Wald von Stadt und Landkreis Passau allein heuer sind gut möglich. Dies bedeutet Verluste von mehreren Millionen Euro für die Forstwirtschaft, gerodete Waldflächen, die Erholungssuchende beklagen, wenn sie die Brachen in der Nähe von Wanderrouten entdecken. Dann kam das Unwetter wie ein Faustschlag und hat die Schadensflächen vervielfacht.

"Nur ein Wetterumschwung kann uns helfen"


Noch gibt es keine seriösen Schätzungen, es ist schwer sich einen Überblick zu verschaffen. „Nur die Natur oder ein Wetterumschwung kann uns helfen“, sagt ein betroffener Waldbesitzer. Er meinte kühles, nasses Wetter. Das würde wenigstens den Käfer in Schach halten. An die Naturgewalten, die hektarweise Fichten knicken und entwurzeln, hatte er nicht gedacht. Der Klimawandel spielt dem Käfer in die Karten: Er mag Hitze und Trockenheit.

Den Älteren fallen dazu die gruseligen Prophezeiungen des Sehers Mühlhiasl aus dem 18. Jahrhundert wieder ein: „Der Wald wird so licht werden, wie des Bettelmanns Rock.“ Ein Käferloch, wie zuletzt im Stadtgebiet nahe dem Abenteuerspielplatz in Passau-Grubweg, misst etwa die Größe eines Fußballfeldes; 200 Kubikmeter Käferholz fallen an, der Waldbesitzer büßt durch den Wertverlust etwa 5000 Euro ein. (Hubert Denk)

Kommentare (1)

  1. Alex P. am 29.08.2017
    Aha. Osteuropäische Grosslieferanten und die Staatsforsten, die unser gutes Holz nach China verscherbeln, kommen als erstes dran. Eine bodenlose Frechheit.
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.