Kommunales

Die finanzielle Lage in Bayerns Bezirkskliniken ist angespannt. (Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand)

14.06.2024

"Die Lage ist weiterhin angespannt"

Franz Löffler, Präsident des Bayerischen Bezirketags und Präsident des Bezirks Oberpfalz, über aktuelle Herausforderungen in den bayerischen Bezirkskliniken

Weil die Krankenkassen zu wenig übernehmen, sind bei den Gesundheitsunternehmen der bayerischen Bezirke erhebliche Defizite aufgelaufen. Die allgemeine Teuerung ist aber nur ein Problemfeld. Auch der Pflegekräftemangel macht den Einrichtungen zu schaffen.

BSZ: Herr Löffler, wie sieht die wirtschaftliche Lage in den Bezirkskliniken derzeit aus?
Franz Löffler: Die Lage ist weiterhin angespannt. Im vergangenen Jahr verzeichneten einige bezirkliche Gesundheitsunternehmen erhebliche Defizite. Die immensen Kostensteigerungen durch verteuerte Energie, Waren und Dienstleistungen sowie bei den Personalkosten für Tarifbeschäftigte werden von den Krankenkassen nach wie vor nicht ausreichend refinanziert. Solange wir keine finanzielle Unterstützung vonseiten des Bundes erhalten, wird sich an der allgemeinen Großwetterlage nicht viel ändern. Und dann droht die Gefahr, dass einzelne, schon bisher unwirtschaftliche Standorte schließen müssen, weil deren Defizit an anderer Stelle nicht mehr ausgeglichen werden kann.

BSZ: Wird die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angedachte Krankenhausreform sich positiv auf die Bezirkskliniken auswirken?
Löffler: Das ist momentan noch schwer abzuschätzen. Was die Reformüberlegungen der Regierungskommission zu den sogenannten Psych-Fächern anbelangt, sind wir grundsätzlich positiv gestimmt. Vieles, was wir in den vergangenen Jahren in den psychiatrischen Fachkliniken angestoßen und auf den Weg gebracht haben, ist aus Sicht des Bundesgesundheitsministeriums vorbildhaft für den Veränderungsbedarf der somatischen Versorgung. Dort soll nun der Umbau in die teilstationäre sowie ambulante Versorgung weiter gestärkt werden. Den werden wir in Bayern auch für die psychiatrischen Fächer weiter vorantreiben. Mit den Psychiatrischen Institutsambulanzen sind wir da bereits ganz gut aufgestellt, wobei hier andere Länder seit einiger Zeit gut nachziehen. Wir sehen auch, dass unsere jahrelange Kritik an den einengenden und realitätsfernen Personalmindestvorgaben endlich Gehör gefunden hat. Allerdings müssen hier noch den Worten Taten folgen. Im Moment fehlt noch die Konsequenz, dass die Personalrichtlinie (PPP-RL) mit sofortiger Wirkung gestoppt wird.

BSZ: Was müsste Lauterbach Ihrer Meinung nach mehr berücksichtigen?
Löffler: Tatsächlich sehen wir die bayerische Versorgungsrealität nicht ausreichend berücksichtigt. Laut der ausführlichen Beschreibung durch die Regierungskommission wird angeblich rund die Hälfte der psychiatrischen Versorgung von Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern geleistet. Die bayerische Realität ist jedenfalls eine andere. Hier werden die meisten Patientinnen und Patienten überwiegend in Fachkliniken behandelt. Auch die Aufgabe der Notfall- und Pflichtversorgung muss noch stärker in den Fokus genommen werden. Bisher fehlen noch eine bundesweit einheitliche Definition der Pflichtversorgung sowie eine entsprechend differenzierte Vergütung für dieses Leistungsmerkmal.

Fachkräftemangel ist die größte Gefahr für die Patientenversorgung

BSZ: Wie sehr belastet der allgemeine Pflegekräftemangel den Betrieb in den Bezirkskliniken?
Löffler: Das ist tatsächlich ein großes Problem. Ich würde sagen, dass das sogar die größte Gefahr für die Patientenversorgung ist. Wir müssen froh sein, wenn wir in den kommenden Jahren die Versorgung auf dem aktuellen Niveau halten können. Deshalb müssen wir dringend Konzepte entwickeln, wie wir Menschen wieder für den Pflegeberuf begeistern können und was wir tun können, um sie im Beruf zu halten. Wir müssen die Klinik in ihrer Gesamtheit im Blick haben, denn die Pflege ist nicht unsere einzige Baustelle: Wir haben auch zunehmend Schwierigkeiten, das notwendige fachärztliche Personal zu gewinnen.

BSZ: Haben Sie Ideen, wie man dem Mangel bei den Fachärztinnen und Fachärzten entgegenwirken kann?
Löffler: Wir brauchen einen Ausbau der Ausbildungskapazitäten. Aber wir müssen auch mehr Medizinstudierende für die Facharztweiterbildungen Psychiatrie und Psychotherapie oder Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie begeistern. Hier könnte mehr Kontakt bereits während des Medizinstudiums mit den Psych-Fächern und ihrer Praxis helfen. Parallel brauchen wir weitere Erleichterungen bei der Zuwanderung der notwendigen Fachkräfte aus dem Ausland, insbesondere bei den Anerkennungsverfahren. Wir begrüßen daher das aktuelle Pilotprojekt der Staatsregierung, mit dem die Möglichkeiten des Einsatzes von künstlicher Intelligenz zur Beschleunigung der Anerkennungsverfahren geprüft werden. Es wird noch eine Weile dauern, bis es Wirkung entfaltet, aber es ist ein wichtiger Schritt.

BSZ: Bei vielen dieser Lösungsvorschläge sind Universitäten und die Staatsregierung gefragt. Gibt es auch etwas, das die Bezirke selbst tun können?
Löffler: In unseren Kliniken unternehmen wir bereits einige Anstrengungen, um Personal zu gewinnen und zu binden. Diese müssen wir noch steigern. Die Tätigkeitsprofile des Pflegepersonals müssen modern weiterentwickelt werden. Und am Ende wird es darum gehen, das Angebot so anzupassen, dass die Nachfrage mit dem vorhandenen Personal bewältigt werden kann. Im Bereich der Krankenhäuser bemühen wir uns deshalb darum, das ambulante und teilstationäre Angebot auszubauen, da die stationäre Versorgung am personalintensivsten ist.

Aufstockung war dringend notwendig

BSZ: Gibt es nach wie vor genügend Finanzmittel für Neubau und Sanierung der Bezirkskliniken?
Löffler: Dank der Initiative des damaligen bayerischen Gesundheitsministers Klaus Holetschek wurde der Topf für die Krankenhausinvestitionskosten, der je zur Hälfte von Freistaat und Kommunen finanziert wird, im Jahr 2024 von 643 auf 800 Millionen Euro aufgestockt. Das begrüßen wir natürlich. Allerdings war die Aufstockung auch dringend notwendig, da die Mittel fünf Jahre lang gleich geblieben sind. Genau in dieser Zeit sind die Baukosten explodiert. 2018 waren förderfähige Gesamtkosten über 50 Millionen noch selten, mittlerweile sind einstellige Millionenbeträge die absolute Ausnahme. Der Freistaat hat zudem endlich ein Förderprogramm zur Unterstützung kleinerer Krankenhäuser und zum Erhalt von Gesundheitsstrukturen im ländlichen Raum auf den Weg gebracht.

BSZ: Muss der Freistaat finanziell nachlegen?
Löffler: Sicherlich werden wir auf Dauer mehr Finanzmittel benötigen, wenn sich die Kostenlage nicht entspannt. Mit Geld alleine ist es allerdings nicht getan. Wir haben vorhin schon den Pflegekräftemangel angesprochen. Letzten Endes wird das der limitierende Faktor sein. Denn was nützen uns sanierte oder neu gebaute Klinikgebäude, wenn wir kein Personal haben, um die Patientinnen und Patienten zu versorgen? Der Fachkräftemangel betrifft übrigens nicht nur unsere Kliniken. Auch in den Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen wird sich die Lage noch weiter zuspitzen.

BSZ: Was kann man Ihrer Meinung nach tun, um dem Personalmangel in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung entgegenzuwirken?
Löffler: In den vergangenen Jahren wurde bereits einiges unternommen, um die sozialen Berufe wieder attraktiver zu machen. Auch die Tariflöhne wurden angepasst. Wenn man sich die Statistiken ansieht, werden alle diese Bemühungen nicht ausreichen. In den kommenden Jahren werden mehr Mitarbeitende in den Ruhestand gehen, als nachbesetzt werden können. Deshalb ist eine ehrliche Debatte über Mindeststandards unumgänglich, um die Versorgung aufrechterhalten zu können. Denn wir stellen durchaus fest, dass die Bedarfe für Menschen mit Behinderungen oftmals sehr unterschiedlich sind. Aus diesem Grund brauchen wir ein Ordnungsrecht, das einen flexiblen Personaleinsatz ermöglicht, der an den jeweiligen Bedarf angepasst ist.

Entspricht nicht unbedingt dem Bedarf der Menschen mit Behinderungen

BSZ: Können Sie da ein Beispiel nennen?
Löffler: Im Pflege- und Wohnqualitätsgesetz sind die ordnungsrechtlichen Vorgaben für Wohnangebote für erwachsene Menschen mit Behinderung und Pflegebedarf geregelt. Im Fokus des Gesetzes stehen aber Pflegeeinrichtungen für ältere Menschen. Das entspricht aber nicht unbedingt den Bedarfen von Menschen mit Behinderungen. So ist zum Beispiel eine ständige Anwesenheit von Personal beziehungsweise einer Fachkraft nicht immer notwendig. Im Gesetz ist es aber vorgeschrieben. Es gibt beispielsweise Wohnformen, in denen nachts kein Personal erforderlich ist. Solche Regelungen binden unnötig Fachkräfte, die an anderer Stelle dringend gebraucht werden.

BSZ: Was wünschen Sie sich vom Gesetzgeber?
Löffler: Von der Bundesebene wünsche ich mir, dass die Realität des Arbeits- und Fachkräftemangels auch im Sozialbereich zur Kenntnis genommen und bei zukünftigen Gesetzesvorhaben berücksichtigt wird. Für Bayern wünsche ich mir für Einrichtungen der Eingliederungshilfe und Pflege ordnungsrechtliche Vorgaben, die flexible Lösungen ermöglichen. Insbesondere bei den Vorgaben für die Kinder und Jugendlichen mit Behinderung, welche in den Richtlinien für Heilpädagogische Tagesstätten, Heime und sonstige Einrichtungen für Kinder und Jugendliche und junge Volljährige mit Behinderung geregelt sind, benötigen wir mehr Flexibilität im Einzelfall. Hier müssen klare Handlungsspielräume für die Vollzugsbehörden geschaffen werden, die von diesen dann auch genutzt werden müssen.
(Interview: Ralph Schweinfurth)

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„Die Kommunalfinanzen geraten immer mehr in eine bedrohliche Schieflage“. Dieses Fazit zogen übereinstimmend die Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister der 29 Großen Kreisstädte in Bayern bei ihrem diesjährigen Treffen in Nördlingen.

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Die Aufstellung von genehmigungsfähigen Haushalten für die kommenden Jahre wird extrem schwierig. Da werden auch freiwillige Angebote auf den Prüfstand kommen müssen, warnen die Oberbürgermeister der Großen Kreisstädte bei ihrer Tagung. (BSZ)

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