Kommunales

Mit einem Etat von 84 Millionen Euro pro Jahr pflegt SÖR Straßen, Wege, Plätze und Parks in Nürnberg. Doch angesichts der vielen wilden Müllkippen kommen die 784 Mitarbeiter kaum hinterher. Denn überall in der Stadt stellen verantwortungslose Menschen Dinge ab, die sie nicht mehr brauchen. (Foto: Schweinfurth)

20.05.2011

Die Verwaltung in der Zwickmühle

Mitarbeiter des Servicebetriebs Öffentlicher Raum der Stadt Nürnberg können es niemandem recht machen

Hundekot, wilde Müllkippen und marode Straßen: Darum kümmert sich der vor zwei Jahren gegründete Servicebetrieb Öffentlicher Raum (SÖR). Bereiche des Gartenbau- und Tiefbauamts sowie des Abfallbetriebs sind dort vereint. Dies bietet Bürgern den Vorteil, dass sie nicht im Stil des Buchbinders Wanninger den zuständigen Ansprechpartner suchen müssen. Ein Anruf genügt, und ihr Anliegen wird bearbeitet. Dies wird aber angesichts einer Bürgerschaft, die mit dem Eigentum der Allgemeinheit alles andere als verantwortungsvoll umgeht, immer schwieriger. Und diejenigen, die sich noch anständig verhalten, bringt der Servicebetrieb mit der Verschärfung von Spielregeln, die wegen der nachlässigen Bürger nötig werden, gegen sich auf. Eine scheinbar ausweglose Situation, über die der kaufmännische Leiter von SÖR, Ronald Höfler, bei einer CSU-Ortsgruppenveranstaltung im Nürnberger Norden berichtete.
Nürnberg wird nie frei von Hundekot sein
Er freut sich, dass SÖR in ein paar Wochen zwei Hundekotsauger bekommt. „Das sind im Prinzip Motorroller mit einer entsprechenden Saugeinrichtung“, so Höfler. Aber er warnt vor überzogenen Erwartungen: „Trotz dieser neuen Fahrzeuge werden wir es nicht schaffen, Nürnberg frei von Hundekot zu bekommen.“ Lediglich die Belästigung durch die Haufen könne minimiert werden. Außerdem würden entsprechende Bußgelder erhöht und die Ahndung in Zusammenarbeit mit der Polizei verstärkt werden.
Aber nicht nur die lästigen „Tretminen“ treibt SÖR um. „In letzter Zeit verkommen die Plätze bei den Glascontainern im Stadtgebiet immer mehr zu wilden Müllkippen“, so Höfler. So schnell könnten die Mitarbeiter alte Fernseher oder Möbelstücke gar nicht wegräumen, wie wieder neue dort stünden. Waren es nach Angaben des kaufmännischen Leiters vor zwei Jahren noch 1000 Kubikmeter Müll, den SÖR an diesen Stellen entfernte, so seien es jetzt 2000 Kubikmeter. „Wenn wir die Sachen innerhalb von zwei Stunden wegräumen, ist das für viele geradezu eine Einladung, dort Müll abzuladen.
Denn bestellt man die Sperrmüllabfuhr der Stadt Nürnberg, dauere das zwei Wochen, bis sie kommt. Weshalb die Menschen, die ihren Sperrmüll sowieso schon im Auto haben, nicht in die jeweiligen Recyclinghöfe fahren, ist Höfler schleierhaft. Die Anregung aus dem Publikum, Überwachungskameras an den Glascontainern zu installieren, musste der kaufmännische Leiter zu seinem Bedauern unter Hinweis auf die Rechtslage ablehnen. Denn aus datenschutzrechtlichen Gründen sei dies nicht gestattet. „Wir hatten das nämlich vor“, so Höfler.
Das Recht schränkt aber auch an anderer Stelle die Handlungsfreiheit von SÖR ein. So werden laut Höfler ab kommendem Winter die über 1700 Streugutbehälter, die im Stadtgebiet aufgestellt sind mit Vorhängeschlössern versehen. „Wir müssen die Kästen leider absprerren, weil private Hausmeisterdienste diese regelmäßig leerräumen. Die kehren sie sogar noch mit dem Besen aus“, erläutert der kaufmännische Leiter. Dies bringe den städtischen Räumdienst in die Bredouille. Denn die Mitarbeiter können dann auf ihrer Tour kein Streugut mehr nachladen. „Das bringt alle Räumpläne durcheinander und wir können unserer Verkehrssicherungspflicht nicht mehr nachkommen“, sagt Höfler. Wenn sich dann jemand auf Eis verletze, würde sofort gegen die Stadt geklagt.
Gleichzeitig betont er, dass es nicht um den materiellen Schaden durch die Streugutentnahme geht. „Wenn der Bürger bisher seinen Eimer voll aus den Kästen entnommen hat, ist das in Ordnung. Das ist ein Service der Stadt, der auch erhalten bleibt“, erklärt Höfler. Doch hierzu müssten die Bürger künftig zu zentralen Ausgabestellen kommen. Dies ruft logischerweise sofort den Unmut vor allem älterer Menschen hervor, die kein Auto mehr fahren. Für sie hat Höfler nur den schwachen Trost, dass auch bisher jeder eigentlich sein Streugut selbst im nächstgelegenen Supermarkt kaufen hätte müssen. Die Anregung aus dem Publikum, den groß angelegten Streugutklau durch Hausmeisterdienste zur Anzeige zu bringen, muss Höfler kontern: „Das haben wir schon gemacht und sind vor Gericht gescheitert.“ Da die Kästen nicht abgesperrt sind, könne man nicht von Diebstahl sprechen, so Justitias Auffassung.
In der Zwickmühle befindet sich SÖR auch beim Thema Straßenbäume. Während ältere Menschen zunehmend körperliche Probleme haben, Blätter und Blüten, die von diesen Bäumen in ihre Gärten fallen, zusammenzurechen, erfreuen andere Bürger die öffentlichen Schattenspender. „Kann denn SÖR nicht ein paar Äste abschneiden, damit nicht mehr so viele Nasenzwicker von den Ahornbäumen in unserer Straße in meinen Garten fliegen“, fragt ein Herr im stattlichen Alter. Höfler verweist hier nur auf die Verkehrssicherungspflicht. Solange die Äste niemanden gefährden, würden sie nicht abgeschnitten, da sonst die Baumschützer protestieren. Exemplarisch verdeutlicht er den Konflikt an „Nürnbergs berühmtester Birke“ im Stadtteil Altenfurt. Dort haben die Anwohner der einen Straßenseite im Zuge notwendiger Straßenbaumaßnahmen für die Fällung des Baumes plädiert. Doch die Nachbarn auf der anderen Straßenseite drohten mit dem Gericht, falls der Birke etwas zustoßen sollte. Die Birke steht heute noch. Die Birken-Schützer hätten ihn jubelnd fast auf Händen durch Altenfurt getragen, während er sich bei den anderen Anwohnern nie mehr blicken lassen brauche, berichtet Höfler.
Müllberge nach Massengrillpartys
Ärgerlich für die SÖR-Mitarbeiter sind auch die in den letzten Jahren zunehmenden Massengrillpartys in Nürnbergs großen Parks. „Da verabreden sich bis zu 200 Leute via Facebook zum gemeinsamen Grillen, und wir dürfen danach die Hinterlassenschaften wegräumen“, beschreibt Höfler die Lage. Dabei seien die Griller sehr ordentlich und würden ihren Müll sogar in Säcke verpacken. Aber zum eigenständigen Entsorgen der Säcke reiche es eben nicht.
Ein weiteres Problem für SÖR sind Baumaßnahmen auf Privatgrundstücken. Wenn da die Bagger anrollen, ist schnell mal der Gehweg ramponiert. Hierzu gibt es jetzt so genannte Gestattungsverträge, die der jeweilige Grundstückseigner mit SÖR abschließen kann. Darin wird genau geregelt, wie das Trottoir zu schützen ist und wie eine Fachfirma, die der Bauherr selbst beauftragen und bezahlen muss, eventuell aufgetretene Schäden zu beseitigen hat. Auch wenn ein Gerüst auf dem Bürgersteig aufgestellt werden muss, ist so ein Vertrag nötig – plus eine Kaution. Dieses hinterlegte Geld verlangt SÖR zwar nicht in allen Stadtteilen, weil gerade auf den Dörfern im Knoblauchsland, die zu Nürnberg gehören, die Menschen noch pfleglich mit dem öffentlichen Eigentum umgehen. „Doch in der Südstadt verlangen wir Kaution. Denn dort haben wir es oft mit farbverschmierten Gehwegen zu tun, wenn ein Gerüst nach Malerarbeiten an der Fassade wieder abgebaut ist“, erklärt Höfler.
Insgesamt kann sich SÖR nicht über mangelnden Zuspruch aus der Bürgerschaft beklagen. Pro Tag gehen laut Höfler zwischen 100 und 120 Anrufe ein. „Die Hälfte davon dreht sich um Hundekot und Lärm.“
(Ralph Schweinfurth)

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