Kommunales

Michael Adam (38), von Beruf Tourismusfachwirt, ist in Bodenmais aufgewachsen und fest mit der Bayerwaldregion verwurzelt. (Foto: Klaus Döhler)

20.10.2023

"Diesmal will ich viele Jahre im Amt bleiben"

Michael Adam (SPD), alter und neuer Bürgermeister von Bodenmais sowie Ex-Landrat des Kreises Regen, über Comeback, Karriere, Eskapaden und gute Vorsätze

Seine Biografie wäre Stoff für einen Fernsehfilm: Mit 23 Jahren Bayerns jüngster Bürgermeister, mit 26 Jahren der jüngste Landrat aller Zeiten; politische Erfolge, aber auch ein skandalträchtiges Privatleben. Und mit 32 Jahren der – vorläufige – Rückzug aus der Politik. Nun feiert Michael Adam ein spektakuläres Comeback und erzählt über seine Pläne für Bodenmais und was er von der Bayern-SPD hält.
 

BSZ Herr Adam, Glückwunsch zur Wahl: War die Bürgermeisterkandidatur ein spontaner Entschluss oder haben Sie das langfristig geplant?
Michael Adam Beides. Ich habe in den vergangenen Jahren immer wieder daran gedacht, irgendwann wieder in die Kommunalpolitik zurückzugehen. Mir hat die Möglichkeit zum unmittelbaren Gestalten gefehlt. Dass es nun konkret in Bodenmais passierte liegt daran, dass ich aus privaten Gründen wieder in den Ort zurückgezogen bin. Die vergangenen Jahre habe ich in der Oberpfalz gewohnt. Beim Volksfest kamen wahnsinnig viele Menschen auf mich zu und forderten mich förmlich zur Kandidatur auf. Das gab dann den Anstoß.
 

BSZ Bei Ihrem Rückzug vor sechs Jahren kündigten Sie an, Ihr Studium zu beenden: Hat es geklappt?
Adam Ja und nein. Ich hatte an der Universität Regensburg ja noch im alten Magisterstudiengang vor der Bolognareform begonnen. 2017 war das System aber längst komplett auf Bachelor und Master umgestellt. Und als ich dann an die Universität Passau kam hieß es, man könne mir viele Scheine leider nicht anerkennen, ich müsse die meisten neu machen. Nun hatte ich aber kein Einkommen mehr. Die Amtszeit als Bürgermeister und Landrat war zu kurz, um daraus Leistungsansprüche zu beziehen. Und ich musste mich privat krankenversichern, weil ich ja zuvor nie sozialversicherungspflichtig beschäftigt war. Ein Bürgermeister oder Landrat ist ja ein kommunaler Wahlbeamter und auch so versichert. Also brauchte ich dringend einen Job. Seither arbeite im Onlinevertrieb einer Firma für Kanus, Kajaks und andere Sportboote. Parallel dazu habe ich einen Tourismusfachwirt an der Industrie- und Handelskammer absolviert, das entspricht etwa dem Meistertitel im Handwerk.
 

BSZ Sind Sie jetzt mit 38 Jahren anders in den Wahlkampf gegangen als damals 2008 mit gerade mal 23 Jahren?
Adam Das war eine völlig andere Situation. Damals war es eher eine Aufbaukandidatur. Ich wollte eigentlich nur in den Gemeinderat – aber die SPD hatte niemanden, der für das Bürgermeisteramt antrat. Also dachte ich: versuch es! Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich gewählt werde. Aber jetzt ist mehr Druck dahinter, eben weil ich ja schon mal Bürgermeister war. Die Fallhöhe bei einer Niederlage ist eine andere. Und Wahlkämpfe sind heute ganz anders als vor 15 Jahren, auch bei uns in Bodenmais.


BSZ Inwieweit?
Adam Zum Beispiel Social Media. Das spielte 2008 noch kaum eine Rolle. Der erste, der das im großen Stil einsetzte, war der spätere US-Präsident Barack Obama. Heute ist es auch bei einer Kommunalwahl selbstverständlich, dass man diese Kanäle bespielen muss.
 

BSZ Was gehen Sie als Erstes an nach der Amtsübernahme?
Adam Wir haben aktuell eine schwierige Situation im Rathaus, es herrscht aktuell ein schlechtes Betriebsklima. In den vergangenen Monaten haben viele verdiente Leute sogar gekündigt. Und viele Menschen haben mir klar kommuniziert, dass sie mit der aktuellen Arbeitsweise der Verwaltung unzufrieden sind. Das muss ich als Erstes angehen – weil es die Grundlage dessen ist, wie ich anschließend weiterarbeiten kann. Und die medizinische Versorgung ist dramatisch. Wir haben drei Hausarztpraxen in Bodenmais, aber zwei der Ärzte sind jetzt schon im Rentenalter und eine Nachfolge ist nicht in Sicht. Da möchte ich ein Konzept ausarbeiten für ein medizinisches Versorgungszentrum, bei dem die Ärzte dann nicht freiberuflich tätig sind, sondern Angestellte der Gemeinde.
 

BSZ Haben Ihnen die Leute auch gesagt: „Michael, wir wählen Dich erneut – aber diesmal suchst Du Dir nicht schon wieder nach der Hälfte der Amtszeit einen neuen Job!“?
Adam Ja, das habe ich auch von Anfang an klargestellt. Denn die Frage wäre gekommen. Und wir hatten ja auch gleichzeitig Landratswahl und dort hatte die SPD keinen eigenen Kandidaten. Ich hab den Menschen in Bodenmais gesagt: Würde ich nochmals Landrat werden wollen, hätte ich auch da kandidieren können. Aber ich wollte ganz klar lieber erneut Bürgermeister werden. Und ich will das Amt jetzt auch über viele Jahre hinweg ausüben, solange mich die Wähler mögen. Ich habe in meinen bisherigen Amtszeiten viele Projekte angestoßen – aber die roten Bänder durchschneiden durften dann andere.
 

BSZ Warum lieber Bürgermeister als Landrat?
Adam Im Landratsamt dominieren die übertragenen staatlichen Aufgaben, man setzt primär Vorgaben der Bundes- und Landespolitik um. Im Bürgermeisteramt dagegen kann man viel mehr selbst gestalten. Und man hat viel stärker unmittelbar mit den Menschen zu tun und bekommt ein ehrlicheres Feedback von ihnen. Die Leute sagen knallhart, was sie gut und schlecht finden. Zum Bürgermeister in die Sprechstunde gehen die Leute eher als zum Landrat.
 

BSZ Wenn Sie durch den Ort gehen: Hat Ihr Vorgänger – der ja auch 2011 Ihr Nachfolger war – aus Ihrer Sicht auch einiges richtig gemacht oder gibt es viel zu korrigieren?
Adam Ich sag mal so: Es gibt einige Dinge, die hätte ich anders gemacht. Aber ich könnte nicht sagen, dass er es schlecht gemacht hätte. Ich hätte halt ein anderes Tempo an den Tag gelegt bei vielen Themen. Wir sind ein Tourismusort, wo sich das Karussell laufend weiterdrehen muss. Man muss im Gespräch bleiben und am Gast dran.
 

BSZ Aber die Situation ist eine andere als vor 15 Jahren. Die Kassen sind leer und die Flüchtlingskrise bringt viele Gemeinden an den Rand des Kollaps’ – wird jetzt weniger Spaß machen im Rathaus, oder?
Adam Definitiv. Die Leute sind enorm aufgekratzt und sehr viel dünnhäutiger, die Stimmung ist schlecht und das Land hat sich nicht zum Guten verändert. Und durch die schon erwähnten Sozialen Medien wird sich mitunter krass artikuliert, das gab es 2008 so noch nicht. Früher musste man etwa in die Bürgerversammlung, wenn man was anstoßen wollte. Heute postet jemand was bei Facebook – und häufig entwickelt sich daraus eine lokale Protestbewegung. Darauf muss man anders reagieren: immer am Ball bleiben und ständig aktiv über neue Entwicklungen informieren.
 

BSZ Bei Ihrer ersten Wahl lobte sie die Parteiführung zu einer personellen Hoffnung der Bayern-SPD hoch: Wollen Sie das noch immer sein?
Adam Mein Verhältnis zur Landespartei war ja nicht immer unbelastet. Ich habe 2017 auch öffentlich zugegeben, dass ich zur Bundestagswahl die CSU gewählt habe. Heute denke ich: Hättest Du solche Stellungnahmen mal lieber gelassen – weil es in meiner Kommune ja genug zu tun gab, die Energie hätte ich sinnvoller einsetzen können. Und so werde ich das auch handhaben: Aus Debatten, die meinen Aufgabenbereich nicht betreffen, halte ich mich raus. Wenn die SPD mich braucht, stehe ich zur Verfügung. Ich habe nicht mit meiner Partei gebrochen innerlich – aber ich konzentriere mich nun voll und ganz auf Bodenmais.
 

BSZ Als Sie 2011 Landrat des Kreises Regen wurden, waren sie einer von sieben SPD-Landräten in Bayern, inzwischen gibt es nur noch zwei: War es das mit der Volkspartei SPD?
Adam Ja, die Frage stellt sich langsam. Und wenn sich das auf Landesebene so fortsetzt, dann teilen wir irgendwann mal das Schicksal der FDP und fliegen aus dem Landtag. Hier bei uns im Landkreis Regen kam die SPD zur Landtagswahl nur noch auf etwas über 3 Prozent. Das ist nicht tragisch, das ist ein Fiasko. Und das muss jetzt ein Weckruf sein. Unser Landesvorsitzender Florian von Brunn hat mich angerufen und betont, sich künftig auch wieder stärker mit der kommunalen Basis zu vernetzen. Und die Parteispitze muss sich ehrlich fragen: Wer hat für uns in Bayern schon mal eine Wahl gewonnen? Viele erfahrene Mitglieder wollen sich gar keine Kandidatur mehr antun. Also geben wir jungen Leuten eine Chance – was grundsätzlich toll ist –, aber die kennt halt noch keiner.
 

BSZ Für die Jusos, bei denen Sie ja auch mal aktiv waren, heißt die Antwort: mehr Umverteilung, höhere Steuern für Gutverdienende und ein staatliches Garantieerbe.
Adam Ich glaube nicht, dass das Themen und Forderungen sind, mit denen man in Bayern eine Wahl gewinnt. Die Jusos sind eine eher akademische Vereinigung geworden. Da gibt es kaum noch junge Arbeiter oder Handwerker beziehungsweise deren Kinder. Denen fehlt auch das Gespür für den ländlichen Raum. Bei uns ist das Thema Wohnen eben nicht so brisant wie in München oder Nürnberg. Wenn man sich nur darauf konzentriert, dann spricht man die Leute auf den Dörfern und in den Kleinstädten eben nicht an. Ebenso ist es mit dem 49-Euro-Ticket. Da lacht der Bayerwaldler doch drüber und sagt sich: „Ist ja nett, dass ich mir das kaufen kann – aber wo soll ich denn damit hinfahren?“
 

BSZ Neben vielen politischen Erfolgen gab es bei Ihnen aber auch die privaten Skandale mit Schäferstündchen im Landratsamt und ähnlichem: Sind Sie jetzt nicht nur älter, sondern auch ruhiger geworden?
Adam Ja, ich habe es krachen lassen. Und das in öffentlichen Gebäuden zu tun: das war schon arg dumm und naiv. Ich bin auch generell vorsichtiger und bedachter geworden. Dass mich mal eine große Boulevardzeitung auf dem Titel hatte und vor dem Haus meiner Eltern rumlungerte, das war traumatisch. Das passiert einem nicht zweimal im Leben.
 

BSZ Sie haben auch offen darüber gesprochen, dass die Arbeit als Politiker an die körperliche Substanz geht mit zu wenig Schlaf und Bewegung sowie schlechter Ernährung: Haben Sie eine Strategie dagegen?
Adam Da bin ich ganz offen: Das wird eine laufende Baustelle bleiben. Die rationale Erkenntnis ist da, aber man muss es sich eben immer wieder im Alltag bewusst machen – und eben nicht nach einem Zwölfstundentag im Büro abends noch auf eine deftige Mahlzeit und ein Glas Wein ins Wirtshaus gehen. Sondern stattdessen auch mal mit dem Hund straff 2, 3 Stunden durch den Wald marschieren. (Interview: André Paul)

 

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