Kommunales

Wird langsam eng hier: Der Friedhof von Berchtesgaden. (Foto: dpa)

17.07.2018

Ein Grab aus der Lostrommel

Weil im oberbayerischen Berchtesgaden die Plätze auf dem Friedhof knapp sind, greift die Kommune zu einem ungewöhnlichen Verfahren

Ein Grab aus der Lostrommel: Der oberbayerische Ort Berchtesgaden wählt diese Methode, um begehrte Gräber auf einem jahrhundertealten Friedhof zu vergeben. Am Mittwoch, 18. Juli, werden rund 280 Bewerber im Kongresszentrum erwartet, 200 von ihnen werden zum Zuge kommen. Mit der Verlosung, so sagt der Geschäftsleiter des Marktes Berchtesgaden, Anton Kurz, sollen gleiche Chancen für alle geschaffen werden. "Man wollte ein möglichst gerechtes Verfahren." Denn jahrzehntelang waren auf dem 1685 eröffneten Friedhof keine Gräber mehr vergeben worden.

Die Gräber-"Lotterie" sorgt über Bayerns Grenzen hinaus für Aufmerksamkeit. "Das ist ungewöhnlich, aber eigentlich eine schöne Geschichte, die zeigt, dass der Friedhof ein Ort ist, der auch in Zukunft Bedeutung hat", sagt Oliver Wirthmann, Geschäftsführer des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur und Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Bestatter. Er habe noch von keinem vergleichbaren Fall gehört. "Grundsätzlich ist das ein sehr positives Zeichen, dass alte Friedhöfe reaktiviert werden - und dass man die kulturelle Gewachsenheit von Friedhofsanlagen erkennt." Friedhöfe in Städten und Gemeinden seien wichtig. "Es ist nicht gut, wenn Friedhöfe an den Rand gedrängt werden, nach dem Motto: Das wollen wir nicht sehen."

Auch sehr praktische Gründe sprechen für manchen Berchtesgadener für den Friedhof im Ort. Gerade für ältere Menschen ist er leichter zu erreichen als der nach dem Krieg eröffnete in Schönau am Königssee. Zu vergeben sind 140 Erdbestattungs- und 60 Urnengräber. Interessenten konnten sich auf einem Plan im Internet oder direkt auf dem Friedhof mit insgesamt 1500 Gräbern aussuchen, wo sie selbst oder ihre Angehörigen dereinst ruhen sollen. An den freien Gräbern steckte ein Pflock mit einem Schild. Vergeben werden die Plätze nun in der Reihenfolge der Losziehung: Wessen Los zuerst gezogen wird, hat ersten Zugriff auf besonders begehrte Plätze.

Von 1972 bis 1986 gab es überhaupt keine Beisetzungen


Schon einmal hatte ein ungewöhnliche Grabvergabe für Schlagzeilen gesorgt. In den USA kam vor Jahren die Gruft über dem Grab des Filmidols Marilyn Monroe unter den Hammer - Millionenbeträge wurden geboten. "Auf ewig bei Marilyn Monroe" hatte die Frau des über Monroe beigesetzten US-Unternehmers Richard Poncher geworben - sie wollte das auf einem Prominenten-Friedhof in Los Angeles gelegene Grab verkaufen, um eine Hypothekenschuld zu begleichen. In Berchtesgaden hingegen entscheidet nicht Geld, sondern das Los. Die Kosten liegen zwischen 550 und 760 Euro für eine zehnjährige Liegezeit.

Üblicherweise werden Gräber einzeln vergeben. Zu Engpässen kommt es in der Regel nicht. Vielerorts und vor allem im Norden Deutschlands bleiben sogar immer öfter Gräber leer. Die Bestattungskultur ist im Wandel. Ein Trend geht zur Urne, große Familiengräber werden nicht mehr so oft gebraucht. Auch die Bestattung in festgelegten Waldarealen mit teils anonymen Gräbern wird verstärkt gewählt. Immer wieder einmal werden Friedhöfe für eine Zeit oder dauerhaft für Bestattungen geschlossen. Unter anderem kann der Zersetzungsprozess je nach Bodenbeschaffenheit lange dauern, wie Wirthmann erläutert.

Der Friedhof in Berchtesgaden war von 1972 bis 1986 für Beisetzungen ganz gesperrt. Danach durften dort nur Familien bestatten, die schon ein Grabrecht hatten. Weil aber zuletzt immer wieder Plätze frei wurden, sei beschlossen worden, diese neu zu vergeben, sagt Anton Kurz vom Markt Berchtesgaden. "Dass so ein großes Interesse besteht, zeigt auch, dass Trauer einen Ort braucht", sagt Wirthmann. Oft gelte es als "moderne Performance" zu sagen: "Ich brauche keinen Friedhof, ich kann im Herzen trauern."

Vor allem lokale Persönlichkeiten liegen auf dem Alten Friedhof, etwa Anton Adner, der bis ins hohe Alter zu Fuß unterwegs war, um seine Holzwaren zu verkaufen. Er starb am 17. März 1822, der Überlieferung zufolge wurde er 117 Jahre alt. Er gilt als ältester bekannter Bayer, König Maximilian I. soll zuletzt persönlich für ihn gesorgt haben. (Sabine Dobel, dpa)

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