Kommunales

Im Freistaat gibt es 40 000 Arbeits-, Bildungs- und Förderstättenplätze für Behinderte. (Foto: Bezirk Unterfranken)

12.01.2024

Erschwerte Förderung von Werkstätten

Neues Gesetz verbietet Verwendung der Ausgleichsabgabe für bauliche Investitionen in Behinderteneinrichtungen

Manche Menschen können aufgrund der Art und Schwere der Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine Beschäftigung finden. Die Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) ermöglichen ihnen eine berufliche Bildung, eine Förderung der Erwerbsfähigkeit und eine Beschäftigung gegen einen angemessenen Lohn. Insgesamt gibt es im Freistaat mehr als 40 000 Arbeits-, Bildungs- und Förderstättenplätze für jede Behinderungsart.

Ohne Subventionierung wären diese Einrichtungen allerdings nicht tragfähig. Zu diesem Zweck gibt es die sogenannte Ausgleichsabgabe, die in Paragraf 160 des 9. Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) geregelt ist. Diese Ausgleichsabgabe ist eine Sonderabgabe für Unternehmen, die ihre Beschäftigungspflicht von schwerbehinderten Beschäftigten nicht erfüllen. Alle Unternehmen mit mindestens 20 Arbeitsplätzen müssen auf wenigstens 5 Prozent der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen beschäftigen.

Tun sie das nicht, müssen sie pro nicht besetztem Pflichtarbeitspatz die besagte Ausgleichsabgabe leisten. Deren Höhe richtet sich nach der Größe des Unternehmens und dem Umstand, wie stark die Quote unterschritten wurde. Werden etwa 2,5 Prozent der Arbeitsplätze behinderten Menschen zur Verfügung gestellt, ist es günstiger, als wenn keine einzige Person mit Behinderung in dem Unternehmen arbeitet. Grundsätzlich darf die Ausgleichsabgabe – sie beträgt pro Jahr für den gesamten Freistaat rund 24 Millionen Euro – durch die zuständigen Integrations- beziehungsweise Inklusionsämter der Länder nur für die im SGB IX und der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung (SchwbAV) vorgesehenen Zwecke verwendet werden. Danach sind die Mittel primär zur Stärkung der Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verwenden.

 

Für den Freistaat nicht nachvollziehbar


Bisher bestand aber die Möglichkeit, die Mittel auch subsidiär – also unterstützend – für die technische Förderung von sogenannten Einrichtungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu verwenden. Unter solche Einrichtungen fallen insbesondere die Werkstätten für behinderte Menschen. „Ein neues Bundesgesetz sieht vor, dass Finanzmittel aus der sogenannten Ausgleichsabgabe in Zukunft nur mehr direkt für die berufliche Qualifizierung von Menschen mit Behinderungen am ersten Arbeitsmarkt verwendet werden dürfen“, klagt Franz Löffler, Präsident des Bayerischen Bezirketags. „Bisher konnte der Freistaat Bayern das Geld wohl auch für Investitionskosten bei Baumaßnahmen in sozialen Einrichtungen verwenden.“ Weil das nun nicht mehr möglich sei, so Löffler, stelle das die Werkstätten vor große finanzielle Probleme. Das neue, auf Betreiben der Ampel zustande gekommene Gesetz gilt seit 1. Januar 2024.

Im bayerischen Arbeits- und Sozialministerium kann man diese Gesetzesänderung nicht nachvollziehen. Schließlich habe auch die bisherige Rechtslage sichergestellt, dass die Förderung etwa von Baumaßnahmen in den Werkstätten nur soweit erfolgte, wie noch ausreichend Geld für den Hauptverwendungszweck – also die direkte berufliche Förderung der behinderten Menschen – vorhanden war. Darauf habe man den Bund auch nachdrücklich hingewiesen. „Aufgrund der Gesetzesänderung des Bundes ist somit für alle ab dem 1. Januar beantragten WfbM-Vorhaben eine Förderung aus Mitteln der Ausgleichsabgabe ausgeschlossen“, erläutert ein Sprecher von Ressortchefin Ulrike Scharf (CSU).

 

„Mehr Behinderte in reguläre Jobs bringen“


Viele technische Modernisierungen sind somit nicht mehr möglich oder zumindest gefährdet. „Da die Verwendungszwecke der Ausgleichsabgabe abschließend durch das Bundesrecht geregelt werden, besteht seitens der Staatsregierung keine Möglichkeit, den Wegfall dieser Fördermöglichkeit aus Mitteln der Ausgleichsabgabe aufzuheben“, bedauert der Ministeriumssprecher. Im Bundesrat habe man aber zumindest noch eine Übergangsfrist aushandeln können, dass sämtliche bis zum 31. Dezember 2023 beantragten Vorhaben noch aus Mitteln der Ausgleichsabgabe finanziert werden können.

„Aktuell stehen bei uns zum Glück keine baulichen Maßnahmen an“, berichtet Andrea Schmidt, Verwaltungsleitung der Lebenshilfe Werkstätten der Region 10 GmbH mit Sitz in Ingolstadt. „Aber in vielen Werkstätten ist die Ausstattung 20 oder 30 Jahre alt, in einiger Zeit könnte es deshalb zum Problem werden. Aber dagegen engagiert haben wir uns nicht – was können wir auch unternehmen?“

Die Staatszeitung wollte von Anette Kramme, SPD-Bundestagsabgeordnete aus Bayreuth und Parlamentarische Staatssekretärin von Ressortchef Hubertus Heil (SPD) im Bundesarbeitsministerium, wissen, was man sich von der Gesetzänderung verspricht und warum Bedenken von Expert*innen wie Bezirketagspräsident Löffler keine Berücksichtigung fanden.

„Die Fokussierung der Mittel der Ausgleichsabgabe auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ist konsequent und richtig“, befindet Kramme auf Nachfrage. Die Ausgleichsabgabe habe unter anderem die Funktion, die Belastungen zwischen Arbeitgebern, die ihre Beschäftigungspflicht erfüllen, und denen, die ihr nicht nachkommen, auszugleichen. „Dementsprechend ist es konsequent, dass die von den Arbeitgebern gezahlte Ausgleichsabgabe auch in den allgemeinen Arbeitsmarkt zurückfließt“, sagt die Parlamentarische Staatssekretärin. Das sei auch inklusionspolitisch richtig, „da die Regelung dem Ziel der Bundesregierung dient, mehr Menschen mit Behinderungen in reguläre Beschäftigungsverhältnisse auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu bringen“ (André Paul)

 

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