Kommunales

Dass es den Störchen heuer in Bayerns besonders gut geht, dass hatten die Vogelkundler vom Landesbund für Vogelschutz so gar nicht erwartet. Das feuchtkalte Wetter und mehrere Unwetter ließen eigentlich eine hohe Sterblichkeitsrate bei den Jungtieren befürchten. (Foto: BSZ)

02.09.2016

Es klappert wieder in Bayern

Die Zahl der Störche im Freistaat steigt wieder – doch die Tiere mögen nicht alle Regionen gleichermaßen

Nach jahrelangem Rückgang vermehren sich die Störche wieder in Bayern – und nirgendwo so stark wie in der mittelfränkischen Gemeinde Uehlfeld. Dennoch bleiben Risiken für Meister Adebar. Es wurden ja zuletzt auch wieder mehr Kinder in Bayern geboren. Ob es da einen Zusammenhang gibt, mag jeder für sich entscheiden – aber feststeht: Die Zahl der Störche im Freistaat steigt an, sogar deutlich. Und das seit Jahren. Heuer gibt es nach Angaben von Oda Wiedering, beim Landesbund für Vogelschutz zuständig für das Ansiedlungsprogramm bereits 415 brütende Weißstorchen-Paare zwischen Bad Kissingen und Füssen. Und nirgends scheinen sich die Störche so wohl zu fühlen wie in Uehlfeld im Landkreis Neustadt a. d. Aisch-Bad Windsheim.

Der Mittelfranke Gerhard Bärtlein lebt mit den Störchen, so lange er denken kann. Seit 1928, so berichtet der 67-Jährige aus Erzählungen seines Großvaters, bauen die Tiere bereits ihr Nest auf dem Dach der Scheune des Familienbauernhofs. Bärtlein deutet hinauf, wo im blendenden Sonnenlicht dieses Augustvormittags die Silhouette zweier Alt-Tiere zu erkennen ist. Als Nistplatz ist das Dach wohl auch deshalb so gut nachgefragt bei den Adebars, weil hier früher der Kirchturm stand, stets das höchste Gebäude im Ort und damit naturgemäß sehr beliebt bei Weißstörchen – die Tiere haben wohl auch ein phänomenales, Generationen übergreifendes Gedächtnis, mutmaßt Bärtlein.

17 Paare mit zusammen 40 Jungtieren

„Storchenvater“ nennen sie ihn in der knapp 3000 Einwohner zählenden Gemeinde. Eigentlich ist der langjährige und parteifreie Kommunalpolitiker der Dritte Bürgermeisters des Orts. Aber keiner weiß so viel über die Tiere wie der frühere Landwirt. Er beobachtet, er fotografiert, er notiert und katalogisiert. Ohne engagierte und kluge Laien, das wissen auch die ausgebildeten Ornithologen und Biologen beim Landesbund für Vogelschutz, wäre die Arbeit kaum zu schaffen.

„Inzwischen haben wir 17 Paare in Uehlfeld“, verrät Gerhard Bärtlein. Allein drei von ihnen haben sich auf seinem Anwesen niedergelassen. Die ersten Tiere kamen bereits Mitte Februar diesen Jahres – die milderen Winter aufgrund des Klimawandels machen sich bemerkbar –, und bald gab es in den Nestern in und um Uehlfeld auch schon Nachwuchs. „Heuer hatten wir 40 Jungstörche“, rechnet Gerhard Bärtlein vor.
Mitte August haben sich die Junioren dann gesammelt und sind gen Afrika aufgebrochen – noch brauchen sie nämlich, unerfahren und weniger kräftig, für die Tausende Kilometer lange Strecke ja deutlich länger als ihre Eltern. Die regenerieren sich derzeit noch von den Strapazen der Aufzucht und Fütterung. „Aber zwischen dem 10. und 15. September ist es dann auch bei den erwachsenen Vögeln soweit, dann fliegen sie ebenfalls los“, weiß Gerhard Bärtlein aus seiner langjährigen Erfahrung.

Viel hat er erlebt mit „seinen“ Tieren in den vergangenen Jahrzehnten – etwa, wenn die Tiere ihren Horst auf Kaminen gebaut haben, die noch in Betrieb waren und die Freiwillige Feuerwehr anrücken musste, um die Behausung wieder zu entfernen. Oder wenn es mitunter sogar Streit gibt zwischen den Storchenpaaren, weil das Immobilienangebot im extrem gut nachgefragten Uehlfeld mitunter nicht mehr ausreicht aufgrund der wachsenden Population. „Die Neuankömmlinge wollten die alteingesessenen Tiere von ihren Nistplätzen vertreiben“, erzählt der „Storchenvater“, da sei im Kampf der Tiere untereinander „auch mal ein Ei zu Bruch gegangen“.

Karpfenteiche machen den Vögeln Appetiet


Wer Genaueres wissen möchte, kann sich auf den Storchenlehrpfad begeben, den die Gemeinde angelegt hat. Doch warum ist gerade diese Region im südwestlichen Mittelfranken so beliebt bei den Tieren. „Ein Phänomen“ sei es, meint Gerhard Bärtlein – und hat doch einige vernünftig klingende Erklärungen parat: „Es liegt sicher an der Nähe zum Fluss Aisch und den vielen Feuchtwiesen, die bieten ein reichhaltiges Nahrungsangebot.“ Hinzu kämen noch mehrere Karpfenteiche in der näheren Umgebung.

Dass es den Störchen heuer in Bayerns besonders gut geht, dass hatten die Vogelkundler vom Landesbund für Vogelschutz so gar nicht erwartet. Das feuchtkalte Wetter und mehrere Unwetter ließen eigentlich eine hohe Sterblichkeitsrate bei den Jungtieren befürchten, so Oda Wiedering.

Dabei profitiert Bayern nach den Worten der Expertin auch davon, auf der eher ungefährlichen Westroute zu liegen, auf der die Störche über Spanien ins Winterquartier ziehen. „Manche fliegen gar nicht mehr nach Afrika weiter. Sie kommen inzwischen in Spanien gut über den Winter“, so die Wissenschaftlerin. Bei Störchen, die beispielsweise in Schleswig-Holstein oder Sachsen brüten und über die sogenannte Ostroute nach Süden ziehen, falle die Bestandsbilanz dagegen eher negativ aus.

Bestand sank in den 1980er Jahren um 75 Prozent

Dabei machten sich die Vogelschützer lange Zeit ernsthaft Sorgen um den Bestand der Tierart. Um 75 Prozent war er bis in die 1980er Jahre hinein zurückgegangen. Vor 20 Jahren waren es dann nur noch gut 100 Brutpaare, vor zehn Jahren bereits weniger als 60. Schuld gewesen sei vor allem die Intensivierung der Landwirtschaft. Kleinteilige Wiesenlandschaften wurden im Zuge der Flurbereinigung zu größeren Einheiten zusammengelegt und intensiver bewirtschaftet.

Dass es wieder besser wurde, ist aber weder einem Wunder zu verdanken noch den Selbstheilungskräften der Natur. Verantwortlich ist vor allem ein engagiertes Artenhilfsprogramm des Freistaats. Neue Lebensräume wurden geschaffen, Biotope angelegt, das Nahrungsangebot so erweitert. Und die Vogelschützer leisteten Hilfe beim Nestbau. Die Folge: Nicht nur in Uehlsdorf, auch anderswo im Freistaat wachsen jetzt vorhandene Storchen-Kolonien weiter. So sei zum Bespiel die Anzahl der Storchenpaare in Herzogenaurach im Landkreis Erlangen-Höchstatt von zwei auf fünf, in Oettingen im Landkreis Donau-Ries von vier auf neun angewachsen, erklärt Oda Wieding.

Auch das Interesse der Menschen an den großen Vögeln – die eigentlich nur wegen ihrer langen Beine so riesig wirken, tatsächlich sind sie meist nicht schwerer als 4,5 Kilogramm – ist bei den Menschen in Bayern gestiegen. Horste können bequem von daheim via Webcam eingesehen werden: etwa die Fütterung, oder, wenn man Glück hat, sogar das Schlüpfen der Jungtiere.

Doch nicht überall gibt es Grund zur Freude. Zum Beispiel in Markt Schwaben, 25 Kilometer östlich von München gelegen. Bis zum Jahr 1994 siedelten dort Störche. Mittlerweile warten die Menschen dort im Frühjahr aber vergeblich auf die Gäste aus dem Süden. Auf einem Luftbild lassen sich die Gründe dafür gut erkennen: die Flughafen-Tangente, die Straße verläuft quer durch das Nahrungsgebiet der Vögel. Großflächige Gewerbegebiete wurden in den letzten zwanzig Jahren zudem angesiedelt. Und auch dass zur Energiegewinnung mittlerweile auf immer mehr Feldern Mais angebaut wird, hat die Nahrungssituation für die Störche nicht verbessert. (André Paul)

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