Kommunales

Ein modernes Löschfahrzeug ist ein echtes Hightech-Produkt und kostet mehrere hunderttausend Euro. (Foto: dpa)

22.12.2017

"Europaweit ausschreiben ist Schwachsinn"

Wie die Bürokratie den Kommunen die günstige Anschaffung von neuen Feuerwehrfahrzeugen erschwert

Um an staatliche Zuschüsse für die teuren, aber dringend nötigen Feuerwehrautos zu bekommen, werden auch kleine Gemeinden mit sehr viel Papierkram gegängelt. Einige wollen auf den Kauf gleich ganz verzichten.

Arno Zengerle (CSU), der Bürgermeister von Wildpoldsried im Landkreis Oberallgäu, ist wieder zuversichtlich: „Spätestens Ende 2018 haben wir ein neues Feuerwehrfahrzeug.“ Rettung im letzten Augenblick, sonst wäre die Brandbekämpfung wohl in Gefahr geraten. Denn noch Anfang November hatte Zengerle öffentlich erklärt: „Die Richtlinien für die Zuschüsse sind so kompliziert, dass man es nur verkehrt machen kann.“ Die kleine Gemeinde mit ihren 2500 Einwohnern werde daher von einem Ersatzkauf für das in die Jahre gekommene Löschfahrzeug absehen, so der wütende Rathauschef.

Ein Notstand, der andernorts auch auftreten kann. Denn die Bürokratie bedroht die Kommunalverwaltungen immer mehr. Fast alle öffentlichen Aufträge müssen mittlerweile europaweit ausgeschrieben. Zengerle kommentiert dies mit den Worten. „Da fängt der Schwachsinn schon an.“ Kleinere Gemeindeverwaltungen sind damit überfordert, man braucht den teuren Rat von Experten.

Fahrgestell, Beladung und Aufbau: bitte alles einzeln!

Auch muss der Kauf eines Feuerwehrfahrzeuges laut Richtlinien in drei Lose aufgeteilt werden: Für das Fahrgestell, für den Aufbau und für die Ausstattung. Hintergrund: Nicht nur große Fahrzeuganbieter sollen beim Kauf der oft mehrere Hunderttausend Euro teuren Autos zum Zuge kommen, sondern auch kleinere, mittelständische Firmen mit ihren Spezialgeräten. Nur wenn sich die Gemeinden an die Vorgaben halten, erhalten sie auch die volle Förderung.

Das kann aber auch schiefgehen. Diese Erfahrung machte zum Beispiel die rund 8000 Einwohner zählende Gemeinde Wenzenbach im Landkreis Regensburg. Sie schaffte für ihre Feuerwehr ein 295 000 Euro teures Fahrzeug mit Namen TLF 3000 an, ein Tanklöschfahrzeug. Von der Regierung der Oberpfalz wurden dafür rund 70 000 Euro Zuschuss in Aussicht gestellt. Doch dann erfuhr Bürgermeister Sebastian Koch (SPD): 17 500 Euro davon behält die Regierung ein. Grund: Die Ausschreibung sei fehlerhaft gewesen. Dabei hatte die Gemeinde extra ein Ingenierbüro eingeschaltet und sich für mehrere Tausend Euro eine Ausschreibung erstellen lassen. „Es gibt nur eine Handvoll Experten, die so eine Ausschreibung überhaupt erarbeiten können“, betont Koch.

Aber selbst dann ist eine Gemeinde nicht auf der sicheren Seite. Die Förderstelle bei der Regierung der Oberpfalz lehnte die volle Bezuschussung laut Pressesprecherin Kathrin Kammermeier unter anderem mit dieser Begründung ab, dass „der Auftrag insgesamt vergeben wurde, nicht getrennt für Fahrgestell, Aufbau und Beladung.“ Ein begründeter Ausnahmefall läge nicht vor.

In Feuerwehrforen im Internet wird heftig auf die Bürokratie geschimpft. Viele Brandbekämpfer bezweifeln die Sinnhaftigkeit der Aufteilung in Vergabelose. Passen Fahrzeug und Ausstattung dann wirklich zusammen? Wer haftet bei späteren Schäden?

Der Innenminister lässt Beratungshilfen erstellen

Die öffentliche Aufregung hat sich zumindest für die Gemeinde Wildpoldsried ausgezahlt: Bürgermeister Zengerle erhielt einen Anruf von Michael Scheufele, dem Regierungspräsidenten von Schwaben: „Er hat mir versprochen, er nimmt sich der Sache an.“ Die Gemeinde soll ihm die Unterlagen zuschicken, „dann wird man uns helfen, das wir rechtlich auf der sicheren Seite stehen“.

Auch die Landespolitiker sind angesichts des Ärgers bei den Feuerwehren aufgeschreckt. Im bayerischen Innenministerium wurde jetzt laut Pressesprecher Martin Scholtysik beschlossen, gemeinsam mit Experten aus der Feuerwehr und der Verwaltung eine Handreichung und Beratungshilfen zeitnah zu erarbeiten. „Ziel ist die einheitliche Anwendung der Vergaberegeln durch die jeweiligen Regierungen.“

Die Handreichung soll sich auch mit der Frage befassen, unter welchen Voraussetzungen eine Vergabe des gesamten Fahrzeugs ohne Aufteilung in Lose zulässig ist. Diese fachliche Bewertungshilfe soll außerdem die Kommunen bei der Vorbereitung einer Vergabe unterstützen. Vorab ging bereits ein Rundschreiben an die Regierungen, das die Regeln bei den notwendigen Leistungsverzeichnissen beim Kauf von Feuerwehrfahrzeugen präzisiert.

Bürgermeister in Angst vor dem Unmut der Bezirkssregierung

Wildpoldsried darf also hoffen, Wenzenbach dagegen wird aber wohl auf den vollen Zuschuss verzichten müssen. Da die Gemeinde keine Rechtsmittel eingelegt hat, ist der Kürzungsbescheid mittlerweile rechtskräftig. Koch begründet die Zurückhaltung unter anderem damit, dass es sich die Gemeinde „nicht mit der Förderstelle bei der Regierung verderben“ wollte, da man noch ein weiteres Feuerwehrfahrzeug für bis zu 400 000 Euro anschaffen will. Außerdem habe die Regierung weitere Verfahrensfehler bei der Ausschreibung beanstandet.

Stattdessen hat die Gemeinde Klage gegen das beratende Ingenieurbüro eingereicht. Sie erhebt Regressansprüche wegen der nicht ausgezahlten Förderung. Da das besagte Büro offenbar Klagen anderer Kommunen fürchtet, hat es inzwischen weitere Beraterverträge gekündigt und will offenbar in diesem Bereich nicht mehr tätig sein.

Fazit des Bürgermeisters: „Man fällt vom Glauben ab, wenn man sich mit dem Vergaberecht beschäftigt.“ Sebastian Koch zeigt auf einen dicken Ordner mit den Bestimmungen für die Feuerwehren. Und sein Kollege Zengerle schimpft: „Der Wahnsinn geht ja weiter. Was das alles kostet! Mit den vielen Vorschriften wird doch nur Steuergeld verbrannt, weil sich Leute stundenlang damit beschäftigen müssen.“ (Gustav Norgall)

Kommentare (2)

  1. Dirk-Boerge am 30.12.2017
    So weit verstanden. Aber warum das europaweite Ausschreiben nun Schwachsinn sei und warum das das Problem sein soll, wird in diesem Artikel nicht vertieft. Eine reißerische Überschrift, wenig Inhalt und die schöne Phrase, dass der Brandschutz gefährdet sei. Käseblatt.
  2. paul am 27.12.2017
    Schuld sind aber auch die Feuerwehren, die nur bestimmte Produkte und Fabrikate wollen. Deren Bürgermeister sich dann aber nur wundern, dass nur ein Angebot kam. Und die Berater machen es sich auch einfach, sind oftmals Beamte bei Berufsfeuerwehren, die dann für ein vierstelligen "Taschengeld"nebenher Ausschreibungen für andere Kommunen, bei denen dann schon mal das gleiche Produkt wie in der Feuerwehr des Beraters herauskommen kann.
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