Kommunales

In den vergangenen 20 Jahren fanden nach Angaben des Sozialministeriums mehr als 44 000 Frauen in einem bayerischen Frauenhaus Schutz. (Foto: dpa)

14.08.2015

Frauenhäuser werden immer voller

Die Kommunen können den wachsenden Andrang kaum noch bewältigen – Kostenfragen bleiben häufig ungeklärt

Trotz akuter Gefährdung durch prügelnde Gatten können Frauen nicht immer im Frauenhaus aufgenommen werden. Denn es ist kein Zimmer frei. „Das kam und kommt auch bei uns vor“, bestätigt Petra Lichtenfeld, Gleichstellungsbeauftragte beim Landratsamt Freising. Ein Hauptgrund seien die „horrenden Mietpreise“ in und um Freising. Deswegen können die meist von Hartz IV-Leistungen lebenden Frauen auch nach Abschluss der Krisenintervention im Frauenhaus nicht ausziehen – was Freisings Frauenhausleiterin Alexandra Mozelewski bestätigt. Ihre Einrichtung könnte doppelt so viele Plätze anbieten und wäre dennoch immer so gut wie voll ausgelastet, sagt sie. Doch eine Aufstockung ist finanziell nicht drin.
Das Freisinger Frauenhaus wird über eine Vereinbarung mit dem Landkreis pauschal finanziert. Der Freistaat als Kofinanzierer gewährt auf Antrag jährlich einen Zuschuss. Zehn Prozent des Jahresetats muss das Team selbst über Spenden und Bußgelder hereinholen. Auch in Fürstenfeldbruck könnte das Frauenhaus nicht ohne den Trägerverein „Frauen helfen Frauen Fürstenfeldbruck“ finanziert werden. Die vereinbarten maximal 138 000 Euro pro Jahr vom Landkreis gibt es nur, wenn der Staat mitfördert und der Trägerverein einen Eigenanteil von mindestens fünf Prozent der Personalkosten einbringt.

Landkreistag plädiert für bundesweite Förderung


Wie in Freising, so sind auch in Fürstenfeldbruck lange Belegdauern ein großes Problem. Eigentlich ist festgelegt, dass Frauen das Frauenhaus nach sechs Wochen verlassen sollen. Länger als vier Monate sollte niemand im Frauenhaus verbringen. „Zwischenzeitlich ist die Verweildauer jedoch erheblich länger“, sagt Annemarie Fischer, Gleichstellungsbeauftragte für den Landkreis.
Fehlende Wohnungen sind auch hier der Hauptgrund. Fast acht Millionen Euro investieren die Kommunen derzeit pro Jahr in Frauenhäuser. Ihr finanzieller Einbezug bei der Finanzierung ist seit 2005 in einer Rahmenvereinbarung geregelt. Alle Städte sowie 66 der 71 Landkreise haben die Vereinbarung inzwischen unterschrieben. „Fünf Kreise haben sich keinem Frauenhaus zugeordnet, weil sie vor Ort eigene Lösungen gefunden haben“, erläutert Klaus Schulenburg, Sozialreferent beim bayerischen Landkreistag. Sie unterstützen zum Beispiel eine geschützte Wohnung mit Notruf und Betreuung.
Die Finanzierungsbereitschaft ist bayernweit völlig unterschiedlich ist. „Es gibt einen bunten Flickenteppich aus Finanzierungsmodellen“, sagt Freisings Gleichstellungsbeauftragte Petra Lichtenfeld. So gebe es Frauenhäuser, die für Frauen aus anderen Landkreisen oder Bundesländern von ihrer Kommune keine Finanzierung erhalten. Doch dies stehe der Idee „Frauenhaus“ völlig entgegen. Eben weil sie gefährdet sind, sollten Frauen besser in ein weiter entferntes Haus flüchten.
„Streitigkeiten zwischen den Kostenträgern gibt es immer wieder hinsichtlich der laufenden Kosten für die Unterbringung und der psychosozialen Betreuung“, bestätigt Klaus Schulenburg. Weil sich Frauen, wenn sie massiv bedroht sind, nicht um Landesgrenzen scheren, plädiert der Landkreistag für eine bundesweite Finanzierungsregelung. Die sollte aber genügend Spielraum für landesspezifische Besonderheiten lassen.
„Die Frage der Finanzierung ist immer problematisch“, weiß auch Jugend- und Sozialreferent Benedikt Mayer von der Stadt Kempten. Immer wieder weigerten sich Kommunen, aus denen die Frauen in ein Frauenhaus ihrer Wahl oder mit einem freien Platz fliehen, ihren finanziellen Part zu leisten. Mayer: „In Kempten ist diese Frage so geregelt, dass die Stadt die Abrechnung gegenüber den beteiligten anderen Gemeinden übernimmt.“ Damit werde eine ausreichende Finanzierungsgrundlage erreicht.
„Schutz gibt es nicht zum Nulltarif“, konstatierte Bayerns Soziallministerin Emilia Müller (CSU) unlängst bei der Feier zum 20-jährigen Bestehen des „Gesamtkonzepts für Frauenhäuser“. Auf Basis dieses Konzepts werden seit 1993 insgesamt 38 staatlich geförderte Frauenhäuser mit 340 Plätzen für Frauen und über 400 Plätzen für Kinder mit jährlich einer knappen Million Euro vom Freistaat unterstützt. Die durchschnittliche staatliche Fördersumme pro Frauenhaus liegt bei 25 000 Euro. In den vergangenen 20 Jahren fanden über 44 000 Frauen in einem bayerischen Frauenhaus Schutz.
Aus Sicht der Frauenhäuser ist die Nachfrage allerdings erheblich größer. Ob das Angebot den aktuellen Bedarf deckt, lässt das Sozialministerium gerade überprüfen. Auf Basis der Bedarfserhebung soll das Gesamtkonzept überarbeitet werden. Nach Meinung der SPD-Landtagsfraktion müsste die Platzzahl bayernweit fast vervierfacht werden. „Allein in Unterfranken wurden 2013 rund 470 Frauen, die an die Tür eine Frauenhauses anklopften, weiterverwiesen“, berichtet Ursula Kirmeier, frauenpolitische Sprecherin des SPD-Bezirksverbands Unterfranken.
Auch nach Ansicht des Bayerischen Städtetags reicht das vorhandene Angebot nicht überall in Bayern aus. Was allerdings auch an einem gewandelten Bedarf liegt. „Städte müssen immer stärker nach speziellen Bedarfslagen der betroffenen Frauen differenzieren“, so Bernd Buckenhofer von der Geschäftsführung. So suchten immer mehr Migrantinnen oder Frauen mit einer Behinderung Schutz in Frauenhäusern.

Täter werden motiviert zu Anti-Gewalt-Programmen


Auch der Landkreistag sieht die wachsende Zahl von Frauen mit Handicap sowie von Frauen mit massiven psychischen Problemen neben der Problematik des engen Mietmarkts als Grund für die teilweise hohen Ablehnungsquoten an. Sozialreferent Klaus Schulenburg plädiert vor diesem Hintergrund für eine Spezialisierung der Frauenhäuser: „Nicht jedes Frauenhaus muss bis in den letzten Winkel barrierefrei sein oder besondere Beratungsangebote vorhalten. Es würde auch ausreichen, dies in der Region in jeweils einem Frauenhaus zu realisieren.“
Über die Finanzierung der Frauenhäuser hinaus unterstützen die Kommunen freie Wohlfahrtsverbände bei Präventionsangeboten gegen häusliche Gewalt, bieten selbst Frauennotrufe an oder starten Interventionsprojekte. So werden in Kempten und Freising Frauen, die akut Gewalt erlitten haben, nach einem durch die Polizei bekannt gewordenen Übergriff direkt auf Hilfsmöglichkeiten angesprochen.
Die Freisinger Gleichstellungsstelle startete vor zwei Jahren zusammen mit dem „Runden Tisch gegen häusliche Gewalt“ außerdem ein Projekt zur aktiven Täterarbeit. Dabei wird mit dem „Münchner Informationszentrum für Männer“ (MIM) kooperiert. „Direkt nach einem polizeibekannten tätlichen Übergriff nimmt die Beratungsstelle Kontakt mit dem Täter auf“, erläutert Gleichstellungsbeauftragte Petra Lichtenfeld. Die Täter werden motiviert, bei MIM ein Programm zu durchlaufen, um sich selbst davor zu schützen, neuerlich gewalttätig zu werden. (Pat Christ)

Kommentare (1)

  1. Christian am 14.08.2015
    Und bleibt das Männerhaus?
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