Ab Montag, 8. Juni, dürfen die Freibäder in Bayern wieder öffnen – unter sehr strengen Auflagen. Doch die Städte und Gemeinden hadern mit der praktischen Umsetzbarkeit. Gleichzeitig regt sich Protest bei den Betreiber*innen von Thermen. Denn anders als in Österreich, bleiben diese in Bayern weiterhin geschlossen.
Es ist ein eher theoretisches Vergnügen: Wie viele der mehreren Hundert Freibäder am Montag tatsächlich öffnen werden ist unklar. Denn die Genehmigung ist von strengen Hygieneauflagen abhängig. Während Naturbäder an größeren Seen da etwas großzügiger sein können, sind vor allem die künstlichen Anlagen herausgefordert.
Grundlage für die Öffnung ist die fünfte Bayerische Infektionsschutzverordnung vom 29. Mai 2020. Diese besagt im Wesentlichen, dass „ergänzend durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen ist, dass die Zahl der gleichzeitig anwesenden Badegäste nicht höher ist als eine Person je 20 Quadratmeter Fläche der für Badegäste zugänglichen Bereiche einschließlich der Becken“. Normalerweise dauert die Vorbereitung der Badbetreiber für die Sommersaison rund einen Monat – heuer waren die Mitarbeiter dagegen im Rekordtempo gefordert, denn die Erlaubnis der Staatsregierung kam erst Ende vergangenen Monats.
Hans Wittmann ist Leiter des Freibads in der oberbayerischen Marktgemeinde Wolnzach. Die Anlage ist insgesamt 15 000 Quadratmeter groß, der Beckenbereich – drei verscheidene stehen zur Verfügung – hat einen Umfang von 1200 Quadratmetern. Auch er wird erst nach dem 8. Juni die Pforten öffnen können.
Als „schwierig“ bezeichnet er die Umsetzung der 5. bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung.Er erstellt gerade ein Hygienekonzept für sein Bad. „Aber schon ab dem 14. Juni könnte es eine erneute Änderung geben.“ Obendrein sei für jedes Bad ein individuelles Konzept notwendig, auch wenn es natürlich viele Übereinstimmungen gibt.
Verordnung wird ab 14. Juni sehr wahrscheinlich verlängert
Dem entgegnet Julius Müller, der stellvertretende Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums, dass die Verordnung zwar tatsächlich nur auf eine Woche befristet sei, man nach derzeitigem Stand aber davon ausgehe, dass diese am 14. Juni verlängert werde. Änderungen für die Betreiber seien dabei nicht zu erwarten.
Bereits an der Kasse beginne die Herausforderung, müssten doch die Menschen trotz des zu erwartenden Andrangs den vorgeschriebenen Abstand einhalten. Alle Badegäste müssen registriert werden. In Wolnzach habe man zahlreiche Hinweistafeln im Gelände aufgestellt. Unter anderem sollen die Gäste bereits daheim warm duschen, die entsprechenden Innenanlagen werden vorerst nicht zur Verfügung stehen.
Die entscheidende Frage aber sei, wie viele Menschen man auf das Gelände lasse. Noch wird in Wolnzach an der exakten Zahl gefeilt; kurzzeitig war man bei lediglich 500, dann 675, inzwischen scheinen aber auch 800 Badegäste wahrscheinlich. Eine Fläche von 15 Quadratmetern pro Person gilt derzeit als Richtwert. In den drei Becken werden wahrscheinlich nur rund 200 Personen gleichzeitig schwimmen oder planschen dürfen. Der vorgeschriebene Platz für jeden einzelnen Gast beträgt dort 3,6 Quadratmeter.
Doch das ist weit vom Andrang früherer Zeiten entfernt. An sonnigen Tagen mit Temperaturen zwischen 20 und 25 Grad – so wie in dieser Woche – hätten sich täglich rund 2000 Badegäste auf der Anlage befunden, berichtet Hans Wittmann. Die Faustregel sei, dass sich immer ein Drittel davon im Wasser befänden. Aber vor allem in den Wellnessbecken wäre kaum Abstand eingehalten worden. Aktuell rechnet Hans Wittmann mit zwei bis vier zusätzlichen Aufsichtskräften, um die Umsetzung der Vorschriften überwachen zu können.
Düsen und Massagestrahls unter Wasser bleiben aus
Eine positive Nachricht gibt es für die Gäste freilich trotz aller neuen Beschränkungen: Der Eintritt werde keinesfalls teurer, womöglich sogar etwas günstiger als im vergangenen Jahr. Damals mussten Erwachsene vier Euro, Jugendliche zwei Euro bezahlen. Eine Saisonkarte wie früher wird es nicht geben. Eine Preiserhöhung, so der Freibadleiter, ließe sich auch angesichts des reduzierten Angebots nicht rechtfertigen.
So wird es heuer keine Massageliegen geben und auch die Düsen werden nicht eingeschaltet. Dass man eventuell Badegäste wird abweisen müssen, weil die zulässige Maximalzahl auf dem Gelände bereits erreicht ist, könnte womöglich auch zu Verstimmungen unter den Badefreunden führen, befürchtet der Freibadchef. In der vergangenen Saison registrierte das Wolnzacher Freibad 120 000 Besucher – rund das Zehnfache der Einwohnerzahl der Marktgemeinde.
Viele Freibadbetreiber scheuen auch den sehr wahrscheinlichen Andrang an den Kassen. Als Ausweichmöglichkeit beliebt: Ein Kartenverkauf ausschließlich übers Internet. Da muss man dann entweder einen Barcode scannen oder sich die Eintrittskarte selbst erstellen und ausdrucken. Obendrein wird häufig auf den Websites der Stadtwerke gefordert, bereits vorab die genaue Besuchszeit anzugeben. Für Familien dürfte das ziemlich zeitaufwändig sein, Senioren wiederum könnten damit technisch überfordert sein.
In Nördlingen schwimmen die Besucher in Schichten
Eine spezielle Lösung wurde im schwäbischen Nördlingen erarbeitet. Dort gibt es ein Schwimmen im Schichtbetrieb. Für drei Zeiten, das Frühschwimmen von 7 bis 9 Uhr, den Vormittag von 10 bis 14 Uhr und den Nachmittag von 15 bis 20.30 Uhr gibt es Tickets nur noch online zu kaufen – ähnlich einer Konzertkarte. In den Pausen zwischen den Schichten werden Umkleiden, Sanitäranlagen und Eingangsbereich gereinigt. Auf diese Weise ist bei einer möglichen Corona-Infektion auch gleich dokumentiert, wer wann im Bad gewesen ist. Beim Frühschwimmen dürfen maximal 40 Besucher im Freibad sein, sonst maximal 300.
Anders schaut es bei den Thermen aus: Durch die tropisch-warme Luft könnten sich die Coronaviren besonders gut ausbreiten, hinzu kommt die Gefahr durch die Menschenmenge. Also bleiben sie erst mal geschlossen – anders als im Nachbarland Österreich. Dort dürfen Erlebnis- und Hallenbäder bereits seit dem 29. Mai wieder öffnen. Die bayerischen Betreiber fürchten Wettbewerbsnachteile gegenüber ihren Konkurrenten.
Im niederbayerischen Bad Birnbach sind am Pfingstmontag rund 300 Menschen für eine schnelle Öffnung der niederbayerischen Thermen auf die Straße gegangen. Bleiben die Thermen zu, fehlten überall die Touristen und Kunden. Mit Schildern wie, „Badezeit mit Abstand und Anstand“, „Therme zu – Geschäfte leer“, „Wasser ist Leben“, wollten nicht nur Thermenbetreiber der niederbayerischen Kurorte ein Zeichen setzen, sondern auch Betroffene der Gastronomie und Hotellerie. Ihr Hauptanliegen: Thermen sollten ab dem 8. Juni nicht nur im Außenbereich öffnen dürfen, sondern eben auch teilweise im Innenbereich. Nur so wäre die Umsetzung der gelockerten Auflagen überhaupt möglich, betonte Bad Birnbachs Bürgermeisterin Dagmar Feicht (CSU), und sagte zum BR: „Wir benötigen die Freigabe für die Öffnung der Sanitäranlagen und Umkleiden in den Innenbereichen unserer Kurmittelhäuser sofort und unverzüglich.“
Erdinger Landrat versucht es mit einem Trick
Vergangene Woche waren allerdings doch rund 150 Menschen in der Therme Erding, mit 430 000 Quadratmetern und in Spitzenzeiten bis zu 11 000 Besuchern die größte der Welt, zu Gast: Der Bayerische Landkreistag kam zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Weil in der Kongresshalle der Abstand zwischen den Teilnehmern nicht hätte eingehalten werden können, verlegte der Gastgeber, Erdings Landrat Martin Bayerstorfer (CSU), die Tagung dorthin – und nutzte die Gunst der Stunde, um beim Gastredner, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), für eine vorzeitige Öffnung zu werben. Freilich mit einem Trick: „Das Dach lässt sich ja öffnen“, charmierte der Landrat bei seinem Parteifreund, „und somit wäre es ja auch eine Art Freibad.“
Der Minister griff den Ball humorvoll auf: Was ein Freibad ist und was nicht – das zu entscheiden oblige schließlich den kommunalen Behörden. Generell blieben Thermen im Innenbereich aber weiterhin geschlossen, so Julius Müller vom Gesundheitsministerium. (André Paul)
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