Der Freistaat erklärt sich aktuell als „gentechnikanbaufrei“. Die letzten im Genlabor designten Pflanzen wurden 2009 geerntet. Wobei es Regionen in Bayern gibt, die sich zusätzlich mit dem Logo „Gentechnikanbaufreie Kommune“ schmücken. 2011 wurden die ersten 29 Gemeinden ausgezeichnet. Bernbeuren im oberbayerischen Weilheim-Schongau beschloss bereits 2007, auf gemeindlichen Grundstücken, die verpachtet oder selbst bewirtschaftet werden, auf gentechnisch veränderten Pflanzenanbau zu verzichten. Derzeit tragen 48 Städte, 28 Landkreise und 150 Gemeinden das Siegel „Gentechnikanbaufreie Kommune“.
Der Koalitionsvertrag für die aktuelle Legislaturperiode erteilt dem Anbau klassischer gentechnisch veränderter Pflanzen eine klare Absage. „Sinnvolle Anwendungen“ der NGT sollen jedoch möglich bleiben. „Wir wollen die Potenziale der neuen Züchtungstechniken für die Bewältigung der vielfältigen Herausforderungen erschließen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Die Gentechnikfreiheit solle jedoch nicht aufgegeben werden.
Die Gemüter entzünden sich nicht nur im Freistaat am geplanten regulatorischen Umgang mit verschiedenen „Eingriffstiefen“ ins pflanzliche Erbgut. Zum einen können völlig artfremde Gene ins Genom eingeschleust werden. Hier spricht man von NGT-2-Pflanzen. Solche gravierenden Manipulationen sollen auch künftig reguliert werden.
Umstrittenes Genomeditierung
Durch Genomeditierung kann jedoch auch entstehen, was auf natürlichem Weg oder durch konventionelle Züchtung möglich wäre. Das betrifft das Ein- oder Ausschalten oder die Funktionsveränderung einzelner Gene. Laut der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft gäbe es für Pflanzen mit weniger als 20 genetischen Veränderungen, setzt sich die EU-Kommission durch, keine verpflichtende Risikobewertung und keine Zulassungsprüfung mehr. Gekennzeichnet wäre nur noch das Saatgut.
„Der Freistaat steht zum gentechnikanbaufreien Bayern“, betont auf Anfrage der BSZ das bayerische Umweltministerium. Der Anbau klassischer gentechnisch veränderter Pflanzen sei „mit den empfindlichen Naturräumen und der kleinteiligen Agrarstruktur in Bayern nicht vereinbar“. Den Deregulierungsplänen der EU stehe Verbraucherschutzminister Thorsten Glauber (FW) „zurückhaltend“ gegenüber.
Eine neue Regelung müsse ein hohes Schutzlevel beibehalten. Verbraucher müssten weiterhin auf Gentechnik verzichten können. Letzteres geht bei einer Kennzeichnungspflicht ausschließlich für NGT1-Saatgut natürlich nicht mehr. Eine Aufhebung der Kennzeichnungspflicht wäre für Jutta Saumweber von der Verbraucherzentrale Bayern deshalb „ein Frontalangriff auf den Verbraucherschutz“.
Allein das EU-Parlament möchte die Patentierbarkeit von NGT-Pflanzen stark einschränken. Rat und Kommission sehen diese Notwendigkeit nicht. Auch dies sorgt in Bayern für Empörung. „Mit den neuen Gentechniken geht eine Vielzahl von neuen Patenten auf Pflanzen einher“, ist sich Christoph Fischer vom Bündnis für eine gentechnikfreie Natur und Landwirtschaft in Bayern sicher. Seit gut zwei Jahren liegen die Vorschläge der EU-Kommission für eine Neufassung der Gesetzgebung zur Gentechnik in der Landwirtschaft vor. Verhandelt wird in einem „Trilog“ zwischen Parlament, Rat und Kommission. Dies geschieht seit Kurzem unter dänischer Ratspräsidentschaft. Dänemark gilt als Deregulierungsbefürworter. „Neue genomische Techniken können eine zentrale Rolle bei der Entwicklung widerstandsfähiger Nutzpflanzen spielen“, heißt es im dänischen Arbeitsprogramm.
Das bayerische Landwirtschaftsministerium sieht sowohl Chancen als auch Gefahren durch die neue Gentechnik. Wie eine Sprecherin auf Anfrage mitteilt, könnten sich NGT-Pflanzen womöglich besser an das sich wandelnde Klima anpassen. Möglicherweise sind sie auch resistenter gegen Krankheiten und Schädlinge. Dadurch bräuchte es weniger Pflanzenschutzmittel. Der Ertrag wäre höher. Zudem könnten veränderte Inhaltsstoffe Allergene reduzieren.
Dem stehen nach Auffassung des CSU-geführten Landwirtschaftsministeriums allerdings eine Reihe von Gefahren gegenüber. Viele Eigenschaften, etwa Hitzetoleranz, sind laut Christiane Köhler-Gabriel von mehr als einem einzigen Gen abhängig. Eine Beeinflussung dieser Eigenschaften durch NGT sei aufwendig: „Schnelle Erfolge sind kaum zu erwarten.“ Laut der Pressesprecherin des Landwirtschaftsministeriums sind NGT-Verfahren von vielen Patenten geschützt. Für die Nutzung fallen Gebühren an. Eine Patentierung von Pflanzen sei nicht auszuschließen: „Dies könnte Landwirte und Züchter einschränken.“
NGT1-Pflanzen mit geringfügigen Veränderungen seien über technische Verfahren nicht von herkömmlichen Mutationen oder mit herkömmlichen Methoden gezüchteten Pflanzen zu unterscheiden. Dies würde vor allem Biobauern große Probleme bereiten.
Ingrid Jaschke (Grüne), Dritte Bürgermeisterin von Olching, sieht die Pläne der EU-Kommission äußerst kritisch. Viele Verbraucher lehnten Gentechnik ab: „Das sollte man respektieren.“ Die Pro-Argumente für NGT, etwa die höhere Resistenz, sind ihr gut bekannt: „Doch auch klassische Züchtungsmethoden haben solche Effekte.“ Die Agrarbiologin verweist zum Beispiel auf die neue Apfelsorte Topaz: „Die ist pilzresistent.“ Diesen Weg sollte man weitergehen.
Andere Länder sind längst vorangeprescht
Gentechnologische Züchtungsmethoden können nach ihrer Ansicht mit massiven Unsicherheiten verbunden sein. In Olching hat man damit Erfahrungen. Hier sollte auf Flächen des Versuchsguts Roggenstein die transgene Maissorte MON810 vom Bundessortenamt angebaut werden. Die produziert mit Bt-Toxin einen Wirkstoff gegen einen Maisschädling. Möglicherweise hätten aber auch Marienkäfer geschädigt werden können. 2009 wurde der Anbau von MON810 verboten.
Wie in der Bevölkerung seien auch im Bayerischen Bauernverband die Meinungen zu NGT unterschiedlich, sagt Gentechnik-Referent Johann Graf. Viele lehnten Gentechnik ab: „Viele akzeptieren sie aber auch.“ Die Materie sei „sehr komplex“. Nach langen Jahren der Diskussion positionierte sich der Bayerische Bauernverband 2023. „Bei der Bewertung neuer Züchtungsmethoden fordern wir eine differenzierte Betrachtung“, sagt Graf. Punktmutationen im Sinne von NGT1 seien für den Verband etwas anderes als die gezielte Veränderung ganzer DNA-Stücke.
Christine Singer, bis 2024 Kreisbäuerin im Kreisverband Garmisch-Partenkirchen und seitdem Europaabgeordnete für die Freien Wähler, setzte sich schon vor 15 Jahren intensiv für Gentechnikfreiheit ein: „Daran hat sich auch nichts geändert.“ Nach wie vor seien ihr die Wahlfreiheit für Landwirte und Verbraucher sowie der Schutz bäuerlicher Strukturen wichtig. Gleichzeitig sieht Singer jedoch auch, dass die Gesellschaft in Bezug auf Pflanzenzüchtungen vor großen Herausforderungen steht: „Der Klimawandel verlangt nach robusteren Pflanzen.“
Das sich wandelnde Klima führe zudem zur Ausbreitung von Schaderregern und Pflanzenkrankheiten. Was die Ernten bedroht. Die neuen Techniken könnten hier möglicherweise Abhilfe schaffen. „Hinzukommt der Anspruch, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, Wasser und Dünger weiter zu reduzieren“, sagt sie.
Ähnlich wie der Bauernverband wünscht sich Singer eine Unterscheidung in Bezug auf die beiden grundlegenden Möglichkeiten der Arbeit mit der Genschere. „Verfahren, bei denen artfremde Gene eingebracht werden, müssen weiter unter das Gentechnikrecht fallen“, fordert sie.
In etlichen Ländern würden genomeditierte Pflanzen bereits wie konventionell gezüchtete Pflanzen behandelt. Davor könne man in Europa nicht einfach die Augen verschließen. Man müsse aufpassen, nicht durch zu strenge Regelungen international den Anschluss verlieren, warnt die Landwirtin. Wichtig wären Singer eine klare Kennzeichnung von NGT1-Saat- und -Pflanzgut sowie Schutzmechanismen für den Ökolandbau. Eine Patentierung von Pflanzen sieht sie prinzipiell kritisch. Wird die Gentechnik dereguliert, könne es außerdem zu einem Vertrauensverlust bei Bauern und Verbrauchern kommen. (Pat Christ)
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