Die neue Ampel-Regierung in Berlin plant bereits diverse Erleichterungen bei der Migration nach Deutschland, beispielsweise einen großzügigeren Familiennachzug von anerkannten Flüchtlingen. Dabei hakt es noch immer massiv bei der Integration von bereits hier wohnhaften Zugewanderten – beispielsweise bei den Sprachkursen. Das dokumentiert eine aktuelle Untersuchung des Bundesrechnungshofs.
Obwohl sie zur zeitnahmen Teilnahme verpflichtet sind, meldeten sich viele anerkannte Geflüchtete erst nach mehreren Monaten zu den entsprechenden Kursen an; später werden häufig Veranstaltungen unentschuldigt geschwänzt. Das alles bleibt weitgehend ohne Sanktionen. Gleichzeitig beanstandet der Bundesrechnungshof, dass der Kursbeginn häufig verschoben wird und die stattfindenden Veranstaltungen bei Weitem nicht mit der Zahl an möglichen Teilnehmenden ausgelastet sind.
„Die Zeit bis zum Beginn der Integrationskurse habe „sich verlängert, obwohl die Bundesregierung diese verkürzen wollte. Trotz mehrerer Änderungen der sogenannten Integrationskursverordnung konnte die Bundesregierung keine Trendwende erreichen“, heißt es in dem Untersuchungsbericht. Vergingen 2016 – nachdem die Bundesregierung die Kurse wegen der extrem starken Zuwanderung von mehr als einer Million Menschen im Jahr davor ausgebaut hatte – durchschnittlich noch 17 Wochen, bis die zur Teilnahme Berechtigten und Verpflichteten tatsächlich ihren Kurs begannen, so waren es 2019 bereits 30 Wochen und im vergangenen Jahr sogar 34 Wochen.
Versprochene Reformen blieben aus
Eigentlich hatte sich die schwarz-rote Koalition vorgenommen, die Wartezeit auf sechs Wochen zu verkürzen. Auch die Anhebung der Teilnehmendenzahl von 20 auf 25 Personen erfolgte nicht wie versprochen.
Darüber hinaus bemängelt der Bundesrechnungshof, dass „in den Jahren 2018 und 2019 etwa ein Drittel der Teilnehmerplätze bei allgemeinen Integrationskursen nicht besetzt war; Kurskapazitäten standen daher zur Verfügung“. Nahegelegt wird der Bundesregierung „die Steuerung und Verteilung der Teilnehmer sowie die Kursorganisation enger zu begleiten“. Auch sollten die Zugangszeiten vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) regelmäßig „veröffentlicht werden, damit Parlament und Öffentlichkeit über deren Stand und Entwicklung informiert sind“.
Die Verantwortung für die Integrationskurse liegt beim Bundesinnenministerium. Dort wehrt man sich gegen die Kritik des Bundesrechnungshofs. Dieser berücksichtige nicht, „dass nicht jeder Verpflichtete einen Integrationskurs unverzüglich beginnen könne. Beispielsweise könnten Krankheiten, Arbeitsaufnahme oder Schwangerschaften einer Teilnahme entgegenstehen. Deswegen biete die Ermittlung einer durchschnittlichen Dauer ein verzerrtes Bild“, heißt es aus dem Haus, dass seit dieser Woche von der SPD-Politikerin Nancy Faeser geleitet wird und vorher vier Jahre lang Horst Seehofer (CSU) unterstand.
600 Stunden Sprache, 100 Stunden Politik
Die staatlichen Integrationskurse bestehen meist aus 600 Stunden Sprachschulung und einem 100-stündigen Orientierungskurs, in denen über Geschichte und Gesetze Deutschlands sowie über Sozialsystem und Arbeitsmöglichkeiten informiert wird. Für Analphabeten wird der Sprachkurs um 300 Stunden erhöht. Wer den Kurs besteht, darf schon nach sieben statt nach acht Jahren eingebürgert werden. Im Jahr 2016 begannen 360 000 Personen einen Integrationskur – der bisherige Höchststand. 2019 begannen dann nur noch 176 000 Personen einen Kurs, 2020 sank die Zahl erneut auf 106 000 Personen. Laut Rechnungshof entstanden 2005 bis 2020 Ausgaben von 5,5 Milliarden Euro, davon 3,5 Milliarden in den vergangenen fünf Jahren.
Aus dem bayerischen Innenministerium heißt es, man befürworte, dass die Integrations- und Berufssprachkurse des Bundes bedarfsbezogen ausgebaut und weiterentwickelt werden“. Für Schwänzer gibt es laut dem Haus von Ressortchef Joachim Herrmann (CSU) Sanktionsmaßnahmen, wie etwa die Verhängung eines Bußgelds. Weiter sind Leistungskürzungen möglich. Auch bei der Entscheidung über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis sei zu berücksichtigen, ob der Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Teilnahme am Integrationskurs nachgekommen wird.
Bundesweit 1700 Veranstalter
Doch das ist eher Theorie. Gegenüber den bundesweit 1700 Veranstaltern der Integrationskurse, verhängt der Auftraggeber, das BAMF, so gut wie nie wirklich spürbare Sanktionen, wie die Staatszeitung von einer Mitarbeiterin der in Nürnberg ansässigen Behörde erfuhr. Das hängt schon damit zusammen, dass man dort gegenüber den Veranstaltern – etwa Organisationen der freien Wohlfahrtspflege – extrem abhängig ist. Das hängt vor allem mit den Lehrkräften zusammen. Viele Teilnehmende sind Analphabeten, was die Vermittlung einer Fremdsprache erschwert; obendrein sprechen sie häufig auch kein Englisch, sondern nur ihre Muttersprachen: Arabisch oder – wenn aus Afghanistan stammend – Paschtunisch beziehungsweise Dari-Persisch. Lehrkräfte, die das beherrschen, sind hierzulande rar gesäht.
Die schwänzenden Teilnehmenden bekommen zwar Sanktionen verhängt – wehren sich gegen diese aber nicht selten erfolgreich auf dem Rechtsweg. Da viele von ihnen von Hartz IV leben, darf ein Existenzminimum ohnehin nicht unterschritten werden. Das Risiko einer schnelleren Abschiebung müssen sie ebenfalls kaum fürchten: Momentan erfolgen kaum Rückführungen. (André Paul)
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