Kommunales

Die Mama ersetzen kann auch eine Dorfhelferin nicht – aber dafür sorgen, dass daheim nicht alles drunter und drüber geht, wenn diese ausfällt. (Foto: dpa)

18.03.2016

Hauswirtschaft erfährt viel zu wenig Anerkennung

Hanni Hell, Co-Geschäftsführerin der Katholischen Dorfhelferinnen und Betriebshelferinnen in Bayern GmbH, über das sinkende Interesse junger Frauen an dem Beruf

Es ist der Katastrophenfall für bäuerliche Familienbetriebe: Die Mutter wird längerfristig krank, der Papa und Landwirt steht allein da mit der Versorgung des Hofs und der kleinen Kinder. Dann springen die Dorfhelferinnen ein – noch. Doch ihre Zahl in Bayern geht zurück: Mäßige Bezahlung und wachsende Bürokratie sind einige Ursachen. BSZ Frau Hell, Dorfhelferinnen gehören (noch) zu Bayerns Gemeinden wie der Kirchturm – wird das auch so bleiben?
Hell Sie gehören seit 60 Jahren zu Bayerns Gemeinden. Es stimmt, es gibt deutlich weniger Bewerberinnen, als wir bräuchten. Im vergangenen Herbst haben 13 junge Frauen die Ausbildung begonnen – aber 20 pro Jahr wären besser, um den Bedarf zu decken. Es gibt 130 angestellte Dorfhelferinnen, aber es gibt auch die Möglichkeit, als selbständige Dorfhelferin tätig zu sein, was 60 bis 70 Dorfhelferinnen nutzen.

BSZ Ist mit insgesamt fünf Jahren die Ausbildung nicht womöglich zu lang – selbst Studiengänge sind ja inzwischen kürzer?
Hell Stimmt, die Ausbildung ist lang – wobei die ersten drei Jahre eine hauswirtschaftliche Ausbildung umfassen mit eigenem Abschluss. Und die verbliebenen zwei Jahre sind notwendig zur Bewältigung des umfangreichen Lehrplans der Fortbildung zum Fachschulabschluss der staatlich geprüften Dorfhelferin. Beispielsweise ist fundiertes Wissen über Kinderpflege notwendig, Alten- Kranken- und Behindertenpflege sind wichtige Teile der Weiterbildung, genauso wie Gesprächsführung, Berufs-und Arbeitspädagogik, Unternehmensführung, Familienpsychologie und -soziologie, um nur einige zu aufzuzählen.

BSZ Aber im Kern geht es doch darum, auf Höfen zu helfen?
Hell Ja, der Großteil der Einsätze erfolgt in landwirtschaftlichen Betrieben, meist wenn die Mutter und Bäuerin krank wird oder aus anderen Gründen ausfällt. Aber auch jede andere Familie ohne landwirtschaftlichen Betrieb im Ländlichen Raum hat die Möglichkeit, eine Dorfhelferin zu beantragen. Dann heißt es Babys versorgen, für alte und kranke Familienmitglieder, sowie für behinderte Menschen sorgen, kochen, Hausaufgaben betreuen – und das alles zusätzlich zu der Unterstützung des Landwirts im Stall oder im Feld.
BSZ Kann diese doch sehr umfangreiche Ausbildung auch andersweitig genutzt werden?
Hell Wir sind beispielsweise daran, für unsere gut ausgebildeten Dorfhelferinnen eine Anerkennung als pädagogische Ergänzungskraft zu erlangen. Denn gerade in Kinderpflege und -betreuung sind sie sehr gut ausgebildet. In einer Zeit, in der ihnen die Möglichkeit einer Ausübung des Berufes der Dorfhelferin fehlt (zum Beispiel aus gesundheitlichen oder famililären Gründen) hätten sie dann eine weitere berufliche Perspektive.

BSZ Und sehen Sie da Chancen?
Hell Im bayerischen Landwirtschaftsministerium, welches bei uns auch die Schulaufsicht hat, war man von unserem Vorschlag begeistert, dort klappt die Zusammenarbeit hervorragend. Aber im Sozial- und im Kultusministerium, dass die Verantwortung für die Ausbildung der Kinderpflegerinnen hat, gibt es viele Bedenken: ob das nun beispielsweise alles pädagogisch zusammenpasst, da wird sehr viel geprüft und überlegt. Ich hoffe sehr, dass wir in diesem Jahr endlich weiterkommen, ich gebe da nicht auf. Steter Tropfen höhlt den Stein.

BSZ Warum sind die Bewerberzahlen in den letzten Jahren so gesunken?
Hell In den geburtenschwachen Jahrgängen die jetzt auf den Arbeitsmarkt kommen, werden die jungen Frauen von vielen Arbeitsstellen beworben. Sie haben alle Möglichkeiten, die der Arbeitsmarkt bietet. Der Beruf der Dorfhelferin, der ja auch nicht nur attraktive Arbeitszeiten hat, ist halt da nicht mehr so der Renner. Außerdem ist es auch immer schwieriger, diesen Beruf in Vollzeit auszuüben, da die Krankenkassen, die in den meisten Fällen die Kostenträger der Einsätze in den Familien sind, die Einsatzstunden in den letzten Jahren immer mehr reduzieren.

BSZ Aber in Bayern geht doch die Zahl der bäuerlichen Familienbetriebe seit Jahren kontinuierlich zurück. Müsste damit nicht auch der Bedarf an Dorfhelferinnen sinken?
Hell Nein. Weil in den Betrieben, die erhalten bleiben, arbeiten oft die Altenteiler nach der Übergabe immer seltener noch mit auf dem Hof – sei es aus gesundheitlichen Gründen, aus wirtschaftlichen Gründen oder weil sie noch einer anderen Erwerbsarbeit nachgehen. Wenn dann die junge Bäuerin krank wird und keine Oma mehr da ist oder diese auch pflegebedürftig wird, dann werden die Dorfhelferinnen eine sehr wichtige Partnerin der Betriebe. Auch die Menschen auf dem Land werden immer älter und brauchen dann Unterstützung. Sie bleiben aber viel mehr als in privaten Familien auf dem Hof und werden dort mitversorgt.
BSZ Wird der Job denn wenigstens anständig bezahlt?
Hell Naja, es geht so. Wie in allen Sozialberufen hinken wir hinter den Gehältern in der Industrie her, da geht es uns nicht anders als beispielsweise den Altenpflegerinnen. Bis jetzt ist es auch ein reiner Frauenberuf geblieben. Das Anfangsgehalt sind zirka 2000 Euro brutto, maximal kommt eine Dorfhelferin auf rund 3000 Euro brutto. Aber das Gehalt allein ist nicht entscheidend. Der Beruf ist bei den allermeisten Dorfhelferin auch Berufung.

BSZ Wie ist es mit der Anerkennung in der Gesellschaft?
Hell Nicht jeder weiß, worum es bei diesem Beruf genau geht. Die Hauswirtschaft hat meiner nach viel zu wenig Anerkennung. Dorfhelferin ist ein Fortbildungsberuf der Hauswirtschaft. Wer einmal eine Dorfhelferin in der eigenen Familie erlebt hat, weiß um die tollen Menschen, die als Engel in die Familien kommen, wenn Not an der Frau ist.

BSZ Wie ist es in der Politik, in den Kommunen und Landkreisen mit der Anerkennung und welche Unterstützung brauchen Sie?
Hell Die Mehrzahl der Bürgermeister und Landräte wissen um diesen wertvollen Beruf gerade im Ländlichen Raum. Sie unterstützen diese Arbeit vor Ort in den Gemeinden und Landkreisen vor allem finanziell, da die Krankenkassen nicht die entstehenden Vollkosten übernehmen. Unsere soziale Einrichtung ist sehr stark auf Spenden angewiesen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit gerade den Bürgermeistern und Landräten für diese Unterstützung ausdrücklich danken, denn ohne diese wäre unsere Aufgabe in den hilfesuchenden Familien nicht möglich. Aber auch allen anderen Gremien, wiezum Beispiel Jagdgenossenschaften, Kirchen, Banken und privaten Spendern gehört ein großer Dank für die Unterstützung.

BSZ Aktuell wird ja auch immer nach Betätigungsmöglichkeiten für die hunderttausenden arbeitslosen Flüchtlinge gesucht – wäre Ihre Branche etwas für die?
Hell Gegenfrage: Glauben Sie wirklich, dass junge muslimische Männer, um die es sich ja mehrheitlich handelt, ihren Berufstraum darin sehen, auf Bauernhöfen zu kochen, Wäsche zu waschen, Kinder zu versorgen und den Stall auszumisten? Das machen die doch nicht!
(Interview: André Paul)

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