Wer sich als junger Mensch für eine Kandidatur im Gemeinde- oder Stadtrat oder gar im Kreistag entscheidet, hat es nicht immer leicht: Es gibt Vorurteile und einige Hürden, die überwunden werden müssen. Wer sich in ein Amt wählen lässt, verpflichtet sich für eine lange Zeit: sechs Jahre.
Wöchentliche Gemeinderatssitzungen, die restliche Zeit für die Bürgerinnen und Bürger ansprechbar sein - da bleibt wenig Platz für anderes.
"Ich glaub', das größte Problem an der bayerischen Kommunalpolitik ist, dass es ein sehr langfristiges Engagement ist", sagt Leon Eckert, der seit der Wahl im Jahr 2014 für die Grünen im Gemeinderat in Eching (Landkreis Freising) sitzt. Bei jungen Menschen sei viel weniger absehbar, was in den kommenden sechs Jahren passiert.
Man verpasst zu viele Sitzungen
Ein Job woanders? Ein Studium in einer größeren Stadt? Oder gar ein Auslandssemester? Nicht möglich, wenn man es mit der Kommunalpolitik ernst meint. "Wenn man ein Auslandssemester machen will während dieses Ehrenamtes, dann ist es eigentlich fast unmöglich", sagt Eckert. Man verpasse zu viele Sitzungen während dieser Zeit. "Und dann muss man sich entscheiden - und ich glaube, das ist eine harte Entscheidung: Entweder Auslandssemester oder aussichtsreich kandidieren.
Tobias Beck (Freie Wähler) ist Marktgemeinderat in Mallersdorf-Pfaffenberg und seit 2018 auch nachgerückter Kreisrat im zugehörigen Landkreis Straubing-Bogen. Er hat vorher sechs Jahre im Ausland gelebt, studiert und gearbeitet. Er hat also beides irgendwie gemacht - allerdings nacheinander. Als er Gemeinderat wurde, war er außerdem "schon" 26.
Auch FDP-Nachwuchspolitiker Max Bruder sieht in der fehlenden Flexibilität das größte Problem: "Die jungen Menschen sind ja deutlich mobiler als früher", sagt der 30-jährige Landratskandidat für den Landkreis Aschaffenburg. Das sei konträr zu dem Konzept des Kommunalparlaments vor Ort, welches stark auf Bekanntheit beruhe. Wenn man dann zum studieren ein Jahr nach Lissabon fliege, dann sei das für das politische Engagement schlecht.
Von Mitlistenbewerbern überholt
Die älteren Kandidaten sind mitunter seit Jahren in der Gemeinde oder im Kreis bekannt, sie sind im Elternbeirat, engagieren sich bei der Feuerwehr oder in der Kirchengemeinde. "Je älter man ist, desto mehr Menschen kennt man im Ort", sagt Eckert. "Und wenn man da als ganz junger Hüpfer kandidiert, dann kann es schon sein, dass man von seinen Mitlistenbewerbern überholt wird."
Da müssen die jungen Kandidatinnen und Kandidaten mitunter sehr überzeugend sein. Valentin Walk tritt in diesem Jahr zum ersten Mal bei der Kommunalwahl an - und das gleich als Bürgermeisterkandidat für die CSU in Dingolfing (Landkreis Dingolfing-Landau). Er ist CSU-Ortsvorstand, hat studiert, einen festen Job und steht mitten im Leben - mit 23.
Und trotzdem sind da die Vorurteile: Zu jung, zu unerfahren. "Am Anfang habe ich mich sehr oft erklären müssen für mein Alter", sagt er. Sein Alter sei bei jedem Gespräch ein Thema. Meist gehen diese Gespräche aber gut aus. "Schlimmer wär's, wenn die Gespräche im Hintergrund ablaufen, da habe ich dann keinen Einfluss drauf."
Politik ist sehr schwerfällig
Hinzu kommt, dass Politik sehr schwerfällig ist - wer hat da schon Lust drauf? "Man braucht einen langen Atem", sagt die oberbayerische Juso-Vorsitzende Magdalena Wagner. Sie ist vor sechs Jahren mit 22 Jahren zur Gemeinderätin in Egmating (Landkreis Ebersberg) gewählt worden. Zwar seien viele im Sportverein ehrenamtlich aktiv, aber in der Politik sei es sehr wenig. "Was sicherlich auch daran liegt, dass die Prozesse dort viel viel langsamer laufen und man nicht so schnell die Ergebnisse der eigenen Arbeit sehen kann."
Dass nicht alle einer Meinung sind, ist normal. Kommunalpolitiker müssen allerdings oft abfedern, womit die Bürger unzufrieden sind - manchmal greifen Bürger sogar auch zur Gewalt. Gegen das Haus von Leon Eckert wurden im Jahr 2014 Eier geworfen. Auch unfreundliche Mails habe er schon bekommen, "aber keine Drohungen".
Es sind oft einfache Meinungsverschiedenheiten, die das auslösen. "Der öffentliche Druck nimmt schon zu", sagt auch Tobias Beck. Die Gesellschaft beschäftige sich zwar viel intensiver mit gewissen Themen, es sei jedoch schwer, gegen Halbwissen und gestreute Gerüchte anzukommen. "Das ist halt manchmal schon frustrierend", sagt er.
Anfeindungen nehmen zu
Vor allem Anfeindungen im Netz nehmen zu. Magdalena Wagner bekommt online auch übergriffige Kommentare ab. Zum Beispiel: "Zieh' nicht einen so kurzen Rock an" oder "Zupf' dir mal die Augenbrauen". "Aber ich hatte jetzt noch keine Vergewaltigungsfantasien, mit denen ich umgehen musste", sagt sie. Wichtig sei da ein unterstützendes Netzwerk - auch um sich gegenseitig zu beraten.
Ein Grund aus der Politik auszusteigen, ist das aber nicht.
Trotz aller dummen Kommentare und Hürden engagieren sich viele junge Menschen in der Politik - und das dann meist von ganzem Herzen. Aber es gehören auch zwei Seiten dazu: Sie müssen auch gewählt werden. Auf seiner ersten Sitzung des Ortsvorstandes seien die Älteren die ersten gewesen, die zu Valentin Walk sagten: "Mach's, das Alter sollte kein Problem sein". "Und wenn das die "Alten in der CSU" sagen, dann glaube ich, ist die Bevölkerung auch bereit dazu, junge Leute in die Politik zu lassen."
(Jennifer Weese, dpa)
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