Kommunales

Berchtesgaden ist bei vielen Reichen als Wochenenddomizil sehr beliebt. Foto: der Berchtesgadener Land Tourismus

05.04.2019

Hohe Berge, leere Häuser

Berchtesgaden könnte mit seiner strengen Reglementierung der Zweitwohnsitze auf Nachahmer stoßen – in Österreich hat man damit aber nicht nur gute Erfahrungen gemacht

Mit der Entscheidung, Zweitwohnsitze künftig streng zu regulieren, hat Berchtesgaden für Schlagzeilen gesorgt. Doch auch andere Urlaubsorte im südlichen Oberbayern geraten wegen des boomenden Immobilienmarkts zunehmend unter Druck. So sind etwa in Rottach-Egern bereits 13 Prozent der Anwesen und Wohnungen Zweitwohnsitze. In Bayrischzell ist es jeder zehnte – der dortige Bürgermeister bringt auf Anfrage ebenfalls eine Zweckentfremdungssatzung für seine Gemeinde ins Spiel.

Der Watzmann und der Hohe Göll, der Königssee und der Nationalpark. Von der Schönheit des Berchtesgadener Landes fühlen sich die Menschen seit Generationen angezogen. Das bayerische Königshaus der Wittelsbacher kam gern zur Jagd und setzte da schon einen Grundstein. Nach dem Krieg waren es vor allem Amerikaner, die kamen – und auch heute ist das Publikum sehr international.

Nicht wenige wollen auch bleiben. Doch der Traum von der Ferienimmobilie mit Watzmannblick dürfte künftig nur schwer zu erfüllen sein. Ende März beschloss der Gemeinderat von Berchtesgaden einstimmig, dass Zweitwohnsitze genehmigungspflichtig sein sollen. Formal handelt es sich dabei um eine Satzung zur Sicherung der Zweckbestimmung von Gebieten mit Fremdenverkehrsfunktion. Mit dieser Regelung aus dem Baugesetzbuch soll der Missbrauch und Wildwuchs bei Zweitwohnungen eingedämmt werden. Zudem sollen Gemeinden so in der Lage sein, Nutzungen und Nutzungsänderungen zu reglementieren.

Zweitwohnungssteuer hilft nicht gegen Leerstände

Der Beschluss der Berchtesgadener sorgte landesweit für Schlagzeilen, denn dass Zweitwohnsitze genehmigt werden müssen und nur in Ausnahmefällen erlaubt werden sollen, ist in Bayern neu. Bislang versuchten betroffene Gemeinden über die Zweitwohnungssteuer zu reglementieren, was aber wenig brachte, da Zweitwohnsitz-Inhaber üblicherweise finanziell eher gut gestellt sind. Hinzu kam, dass das Bundesverwaltungsgericht das Stufenmodell des Bayerischen Gemeindetags zur Bestimmung der Zweitwohnsteuer kassierte, weshalb die Gemeinden die Steuer teils komplett aussetzten oder nun linear berechnen.

Mit der neuen Satzung, die bereits beim Bayerischen Gemeindetag vorgelegt wurde, will Berchtesgadens Bürgermeister Franz Rasp vermeiden, dass die Zahl der überwiegend leer stehenden Wohnungen nicht noch weiter zunimmt. Mit 5 bis 7 Prozent Anteil der Zweitwohnungen sei die Zahl noch auf einem erträglichen Niveau, findet CSU-Mann Rasp.

Neu ist das Phänomen der Zweitwohnungen keineswegs, bezieht sich in Bayern vor allem auf touristisch gefragte Orte in den Bergen, und da vor allem auf die Tegernsee-Gemeinden, die dank ihres exklusiven Image, prominenter Teilzeitwohnsitzler und der Nähe zu München besonders begehrt sind. Verschärft hat sich das Problem in den letzten Jahren durch den überhitzten Immobilienmarkt. Extrem steigende Mieten und Kaufpreise, dazu ein sehr überschaubares Angebot an Objekten machen es für Einheimische immer schwieriger, Wohnraum zu finden. Und das setzt die Kommunen unter Druck.

In Kitzbühel kommt auf drei Erst- ein Zweitwohnsitz

So ist es auch im Bergsteigerdorf Ramsau, nur wenige Kilometer westlich von Berchtesgaden. Immobilienkäufer aus der Region haben es extrem schwer. Und Mietangebote findet man auf einschlägigen Portalen gleich gar keine. Einziges Objekt ist ein renoviertes Bauernhaus für einen Kaufpreis von 1,2 Millionen Euro. „Wir haben das Problem, dass wir hier kaum Platz haben, alles von steilen Hängen eingegrenzt ist und wir auch über den Flächennutzungsplan kaum Spielraum haben“, sagt Martin Willeitner, Geschäftsleiter im Ramsauer Rathaus.

Andererseits kommen laufend Anfragen von Urlaubsgästen, die einen Zweitwohnsitz suchen. Dass auch in Ramsau der Anteil mit 6 bis 7 Prozent an Zweitwohnsitzen noch überschaubar ist, liegt einfach am fehlenden Wohnraum.

Etwas anders sieht es weiter westlich aus: In Rottach-Egern gibt es rund 750 Zweitwohnsitze bei 5800 Erstwohnsitzen. Das ist in Anteil von 13 Prozent. Die Gemeinde Kreuth hat bei 3682 Erstwohnsitzen 408 Zweitwohnmeldungen. Zieht man zum Vergleich die Kreisstadt Miesbach heran, sind hier die 171 Zweitwohnsitze gegenüber 11 780 Erstwohnsitzen geradezu marginal.

Dabei wäre in Miesbach Wohnraum leichter zu bekommen als in Kreuth. Aber die entscheidenden Kriterien sind hier Freizeitwert und touristische Attraktivität. Und nicht zu vergessen die Nähe zu München. Die beschäftigt auch Georg Kittenrainer, den Bürgermeister von Bayrischzell. Etwa 10 Prozent beträgt hier zu Füßen des Wendelsteins der Zweitwohnsitzanteil.

Reglungen der Gemeinden mit Tricks umgangen

„Die aktuelle Entwicklung macht mir Sorge“, sagt Kittenrainer im BSZ-Gespräch und meint die steigenden Immobilienpreise und den fehlenden Wohnraum für Einheimische. München ist, so Kittenrainer, nur eine Stunde entfernt, und dort gibt es viele Menschen, die gerne einen Zweitwohnsitz in den Bergen hätten und für die die Extrempreise keine große Rolle spielen. Andererseits wird in Bayrischzell Wohnraum für Familien dringend gesucht. Die Zweitwohnsitzsteuer, derzeit 20 Prozent von der Nettokaltmiete in Bayrischzell, ist für Kittenrainer keine Lösung. Langfristig könne man sich nur mit einer Zweckentfremdungssatzung behelfen.

Wozu ein überhitzter Wohnungsmarkt mit hohem Zweitwohnsitzanteil führen kann, das zeigt der Blick zu den Nachbarn in Österreich. In Kitzbühel fallen auf 100 Hauptwohnsitze über 36 Zweitwohnsitze. Die exorbitant gestiegenen Immobilienpreise sorgten für einen Exodus vieler Kitzbüheler in Nachbartäler wie das Pillerseetal, das mittlerweile ebenfalls als Zweitwohnsitzziel mit steigenden Preisen entdeckt worden ist. Wo gefragte Gegenden nur für Erstwohnsitze ausgewiesen werden, gründen Zweitwohnsitzler offiziell touristische Betriebe, deren einzige Benutzer sie selber sind. Eine beliebte Praxis am Arlberg, die für Kommunen nur sehr mühsam zu kontrollieren ist. (Georg Weindl)

Kommentare (1)

  1. R`haller am 16.08.2019
    Begründung zum Gesetzesantrag (betrifft§22 BauGB und §13a BauNVO)
    [Bundestagsdrucksache 806/16, Auszug S. 25- 27]

    Insbesondere auf den ost- und nordfriesischen Inseln wird dem Wohnungs- bzw. dem Ferienwohnungsmarkt in erheblichem Umfang Wohnraum entzogen durch die Bildung von Nebenwohnungen (Zweitwohnungen), also Wohnungen, die vom Eigen¬tümer nicht im Sinne von § 21 Absatz 2 des Bundesmeldegesetzes als Hauptwohnung, sondern nur vorübergehend als wei¬tere Wohnung genutzt werden (vgl. § 21 Absatz 3 des Bundesmeldegesetzes).

    Mit der vorgeschlagenen Regelung wird der Entschließung des Bundesrates zur Verbesserung der Wohnsituation auf Inseln vom 12. Juni 2015 (BR-Drs. 180/15) Rechnung getragen. Die nach allgemeinen Regeln gegebenenfalls bestehende Möglich¬keit, Neben- bzw. Zweitwohnungen durch Bebauungsplanfestsetzungen auszuschließen (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 18. September 2014 – 1 KN 123/12, zu einem Sondergebiet Kurgebiet/Gebiet für Fremdenbeherbergung), soll durch die Neure¬gelung nicht berührt werden; vielmehr soll mit der Änderung des § 22 BauGB ein zusätzliches Instrument bereitgestellt wer¬den. Ebenso unberührt bleibt die Möglichkeit der Länder, auf der Grundlage ihrer Gesetzgebungskompetenz für das Wohnungswesen (Artikel 30 und 70 GG) zur Sicherstellung der Wohnraumversorgung ein gesetzliches Zweckentfremdungsverbot zu erlassen.

    Zugleich besteht aufgrund neuerer Rechtsprechung insbesondere in den touristisch geprägten Regionen der Küstenländer Unsicherheit über die Zulässigkeit von Ferienwohnungen in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 7 BauNVO, insbesondere in reinen und allgemeinen Wohngebieten (§§ 3 und 4 BauNVO).

    Das OVG Greifswald (Urteile vom 19. Februar 2014 – 3 L 212/12, Beschlüsse vom 27. März 2015 – 3 M 38/15, 30. April – 3 M 116/14 – und 10. Juni 2015 – 3 M 85/14) und das OVG Lüneburg (Urteil vom 15. Januar 2015 – 1 KN 61/14) haben darü¬ber hinaus auch eine Einordnung einer Ferienwohnung als Betrieb des Beherbergungsgewerbes bzw. als (nicht störender) Gewerbebetrieb abgelehnt und damit Ferienwohnungen im Ergebnis für sondergebietspflichtig erklärt.

    Der Möglichkeit, in einem Sondergebiet Kurgebiet/Gebiet für Fremdenbeherbergung gemäß § 11 Absatz 2 Satz 2 BauNVO Ferienwohnungen und Dauerwohnungen als Regelnutzungen nebeneinander zulassen (vgl. hierzu OVG Lüneburg, Urteil vom 18. September 2014 – 1 KN 123/12), soll die Regelung nicht entgegenstehen.

    [Bundestagsdrucksache 806/16, S. 25- 27]

    mein Kommentar: Auf den friesischen Inseln gibt es stets mehr Ferienwohnungen als Dauer- plus Zweitwohnungen. Es besteht dort die Gefahr, dass durch Vermehrung der Zweitwohnungen die Anzahl der Ferienwohnungen abnimmt, was auf den örtlichen Arbeitsmarkt Auswirkungen haben könnte. Im deutschen alpinen Bereich gibt es zu wenig Ferienwohnungen, als so dass bei deren Abnahme es nicht zu ganzen Straßenzügen mit heruntergelassenen Jalousinen kommt.
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