Kommunales

Till Casimir und Lea Beckmann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) klagen gemeinsam mit Stadtrat Josef Ilsanker (Die Linke), der krankheitsbedingt beim Prozess in München verhindert war. (Foto: Stäbler)

25.03.2022

Im Klostergarten wollen sie unbeobachtet sein

Ein Stadtrat der Linken und die Gesellschaft für Freiheitsrechte klagen vorm Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gegen die Kamera-Überwachung der Anlage durch die Passauer Stadtverwaltung

Seit Dezember 2018 überwacht die Stadt Passau den Klostergarten mit zehn Kameras – aus Sicherheitsgründen. Ein Linken-Stadtrat hält das für unzulässig, klagt deshalb gegen die Videoaufzeichnungen auf dem belebten Platz. In erster Instanz hat der Lokalpolitiker verloren, nun liegt der Streitfall beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof.

An diesem Samstag jährt sich der Baubeginn des Passauer Klostergartens zum 15. Mal. Die Parkanlage im Herzen der Stadt erfreut sich seit ihrer Fertigstellung im Jahr 2008 großer Beliebtheit: Das gut 7500 Quadratmeter große Areal ist die meistfrequentierte Grünfläche in Passau, hunderte Menschen halten sich hier Tag für Tag auf, mehrere tausend durchqueren täglich die Anlage.

Und sie alle werden dabei gefilmt – zwischen sechs Uhr morgens und ein Uhr nachts, von zehn auf dem Platz verteilten Kameras. Diese wurden Ende 2018 angebracht, nachdem der Passauer Stadtrat ein 385 000 Euro teures Sicherheitskonzept beschlossen hatte. Das beinhaltete unter anderem die Videoüberwachung im Klostergarten.

Den meisten Menschen fallen die Kameras gar nicht auf

Dem Gros der Passant*innen dürften die Kameras gar nicht auffallen. Josef Ilsanker jedoch, der in der Nähe wohnt und hier oft vorbeikommt, fühlt sich von der Videoüberwachung gestört – und hält sie für unzulässig.

Der Linken-Stadtrat hat daher Klage gegen die Kameras erhoben – zusammen mit dem Berliner Verein Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), der sich auf Initiative der Passauer Jurastudenten Till Casimir und Constantin Breß in den Rechtsstreit eingeschaltet hat. Die Kläger hatten im August 2020 vor dem Verwaltungsgericht Regensburg eine Niederlage kassiert und waren daraufhin in Berufung gegangen.

Nun befasst sich in zweiter Instanz der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München mit dem Fall. Und auch wenn ein Urteil dort noch aussteht – so deutete sich in der mündlichen Verhandlung schon an, dass die Streitsache diesmal tiefergehend betrachtet wird als noch am Regensburger Verwaltungsgericht.

Verweis auf die Europäische Datenschutz-Grundverordnung

Dieses hatte in seinem Urteil vor allem auf die Europäische Datenschutz-Grundverordnung verwiesen, der die Videoüberwachung im Klostergarten unterliege. Dieses erlaube jedoch keine Unterlassungsklage in ihrem Anwendungsbereich, befanden das Regensburger Gericht – weshalb die Klage von Ilsanker und der GFF unzulässig sei.

Der VGH hingegen tendiert hier offenbar zu einer anderen Ansicht, wie die Vorsitzende Richterin Andrea Breit in der mündlichen Verhandlung durchblicken ließ. Aus Sicht der Kläger sei dies erfreulich, kommentierte Lea Beckmann die Hinweise des Gerichts. Die Verfahrenskoordinatorin der GFF verfolgte – anders als der erkrankte Josef Ilsanker – die mündliche Verhandlung vor Ort und sagte hinterher: „Es sieht so aus, als würde es diesmal um die echten rechtlichen Fragen gehen.“

Diese standen dann auch im Zentrum der Verhandlung, in der sich das Gericht zunächst die Verhältnisse im Klostergarten und die Details der Videoüberwachung schildern ließ. Wie die Vertreterin der Stadt Passau erläuterten, werden die zehn Kameras während des Wochenmarkts und bei Veranstaltungen auf dem Platz abmontiert. Ansonsten seien die Aufnahmen auf einem Monitor zu sehen, der sich in einem Anbau der Toilettenanlage im Klostergarten befinde. Dort würden städtische Bedienstete – die sogenannten Innenstadtkümmerer – mehrmals täglich die Livebilder für kurze Zeit beobachten. „Es ist keine ständige Überwachung“, versicherte die Vertreterin der Stadt. Vielmehr dienten die Kameras präventiven Zwecken – „also der Abschreckung“.

Kommune: Aufzeichnungen werden für 72 Stunden aufbewahrt

Die Aufzeichnungen würden für 72 Stunden aufbewahrt; die Innenstadtkümmerer jedoch könnten darauf nicht zugreifen. Dies sei allein dem Ordnungsamt gestattet, das die gespeicherten Aufnahmen bei Hinweisen der Polizei oder aus der Bürgerschaft auslese. Die Polizei wiederum frage das Videomaterial lediglich bei „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ an, erläuterte Passaus Polizeichef Stefan Schillinger: „Also Raub, Sexualdelikte und solche Sachen.“

Strittig blieb zwischen beiden Seiten, inwiefern die Sicherheitslage im Klostergarten eine Videoüberwachung rechtfertige. Polizeichef Schillinger berichtete von Drogenhandel auf dem Platz, vor allem mit Cannabis. Vor dem Verwaltungsgericht hatte seine Behörde berichtet, dass das Areal insbesondere in den warmen Monaten ein „polizeilicher Brennpunkt“ sei. Vonseiten der Stadt hieß es, die Videoüberwachung diene zur „Verhinderung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten“. Der Klostergarten solle so sicherer werden.

Demgegenüber sehen die Kläger in der Parkanlage keinen Brennpunkt. Ihr Anwalt verwies dabei auf die halbjährlichen Berichte der Polizei, wonach es im Schnitt alle drei Wochen einen Vorfall im Klostergarten gäbe. „Wo ist da die Verhältnismäßigkeit?“

Unter anderem auf diese Frage muss nun der VGH eine Antwort geben. Ein Urteil, so kündigte Richterin Breit für die 13. Kalenderwoche an.
(Patrik Stäbler)

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