Kommunales

Erleichterung brächte ein Kreisverkehr – was dem Staatlichen Bauamt zu teuer ist. Das Angebot einer Ampelregelung lehnt wiederum die Kommune ab: hohe Staugefahrt. So werden die Unfälle erst mal weiter gehen. (Foto: Weindl)

06.04.2023

Immer mehr Unfälle auf Risikostraße des Chiemgau

Eigentlich ist die B15 bei Schechen und Rott am Inn keine besonders gefahrvoll zu befahrende Straße – trotzdem kracht es hier weit mehr als anderswo

Es sind 10 Kilometer auf einer gut ausgebauten Straße: keine anspruchsvollen Kurven oder unübersichtlichen Passagen, die Hälfte mit Geschwindigkeitsbeschränkungen auf 60 und 80 km/h. Trotzdem hat der Abschnitt der Bundesstraße B15 bei Schechen und Rott am Inn zwischen der Abzweigung nach Marienberg im Süden und der Abzweigung nach Griesstätt auf die St2079 mittlerweile den Ruf als Bayerns gefährlichste Unfallstrecke.

Zum Beispiel Ende vergangenen Jahres. Am 5. Dezember bog ein 85-jähriger Autofahrer von der Ausflugsgaststätte Erlensee in die Bundesstraße ein, wo gerade ein mit jungen Leuten besetzter PKW im Kreuzungsbereich einen anderen Pkw überholte. Die Folge: fünf Schwerverletzte und zwei mal Totalschaden an den beiden Autos. Der 85-Jährige starb später im Krankenhaus. Der PKW des Kontrahenten hatte laut Feuerwehr 130 km/h auf dem Tacho anstelle der erlaubten 80 km/h.

Eine Woche später kommt es bei einem missglückten Überholversuch zu einer Frontalkollision, bei der zum Glück niemand verletzt wurde. Am 17. Dezember landete ein Autofahrer bei Schechen auf der Gegenspur, krachte mit einem anderen PKW zusammen: drei Verletzte. Fünf Wochen später kommt es wieder zu einem missglückten Überholversuch im Gemeindegebiet von Schechen mit zwei Toten. Und es hört nicht auf. Eine weitere Woche darauf kollidierte ein Pritschenwagen mit einem Kleinwagen bei der Abzweigung nach Griesstätt mit mehreren Verletzten als Folge. Besonders tragisch war dann der Unfall mit zwei Toten bei Schechen im Dezember 2020, wo zwei Männer bei einer frontalen Kollision starben und die Polizei davon ausging, dass einer davon in suizidaler Absicht handelte.

 

Überhöhte beziehungsweise nicht angepasste Geschwindigkeit 


Im Polizeipräsidium Oberbayern Süd im nahen Rosenheim wurde vor kurzem die Verkehrsunfallbilanz für das Jahr 2022 veröffentlicht. Im Bereich des Präsidiums nahm die Zahl der Verkehrsunfälle um 5,3 Prozent zu: von 34.819 auf 36.659. Überhöhte beziehungsweise nicht angepasste Geschwindigkeit war für mehr als ein Drittel der Verkehrsunfalltoten ursächlich, heißt es in dem Bericht. Noch eindrucksvoller ist die Statistik für die B15 in dem Gemeindegebiet Schechen. Dort gab es laut Polizeihauptkommissar Robert Maurer, 40 Unfälle im Jahr 2022 - mit einer getöteten Person, einem Schwerverletzten, 16 Leichtverletzten und 17 Wildunfällen. Durchschnittlich kam es demnach alle neun Tage zu einem Unfall. Im Vorjahr registrierte man dort 28 Unfälle.

Über die Ursachen und vor allem über eventuelle Maßnahmen zur Linderung dieser Unfallhäufigkeit gibt es recht unterschiedliche Einschätzungen. Bei der Polizei in Rosenheim sieht man die B15 nicht als Strecke mit größeren beziehungsweise mehreren Schwerpunkten in Sachen Unfallhäufigkeit. Lediglich zur Abzweigung nach Marienberg bei Schechen sowie bei der Einmündung zum Erlensee gebe es im Verhältnis mehrere Unfälle. Demnach fänden vor allem an diesen Bereichen Geschwindigkeitskontrollen mit Laserhandmessgeräten statt.

Die Überwachung findet allerdings nicht an festgelegten Tagen statt, sondern abhängig von der aktuellen Dienststellenstärke sowie der Einsatzbelastung am Kontrolltag. „Im Jahresschnitt kommt es im Monat auf rund zwei bis vier Kontrollen auf der B15“, so die Oberkommissarin Carolin Englert, die Sprecherin der Polizeidienststelle Die Beanstandungen seien dabei „nicht markant auffällig“, befindet Englert.

 

Polizei und Kommune bewerten unterschiedlich


Im Rathaus der Gemeinde Rott am Inn sieht man hingegen dringenden Handlungsbedarf. „Bereits vor zwei Jahren hatten wir Kontakt mit der Unfallkommission in Rosenheim aufgenommen, wurde daraufhin die Abzweigung nach Griesstätt als formaler Unfallschwerpunkt von der Unfallkommission in Rosenheim festgelegt und Handlungsbedarf erkannt“, erzählt Bürgermeister Daniel Wendrock (parteifrei). Aber es laufe „alles zu zäh“ angesichts des hohen Unfallrisikos, ergänzt der Bürgermeister.

Vor etwa eineinhalb Jahren schickte man zusammen mit den Feuerwehrkommandanten der betroffenen Gemeinden ein Schreiben an das Staatliche Bauamt und an das Landratsamt in Rosenheim mit diversen Verbesserungsvorschlägen. „Diese Stelle ist einer der größten Einsatzorte unserer Feuerwehr“, ergänzt Wendrock. Unterstützung erhält er auch vom Rotter Feuerwehrkommandanten und gleichzeitigem Leiter des städtischen Bauhofs, Manfred Lunghammer: „Die Abzweigung ist für viele Autofahrer eine besondere Stresssituation – weil nicht nur viel Verkehr herrscht, sondern weil auch viele mit der eigenen Einfädelspur Richtung Rosenheim überfordert sind“, meint Wehrführer Lunghammer.

Die klassische Unfallsituation entsteht nach seinen Worten in fast 90 Prozent der Fälle, wenn Autos von der Staatsstraße links in die Bundesstraße einbiegen wollen und den Verkehr von links aus Richtung Rosenheim übersehen. „Dann biegt der Erste ab und der folgende Verkehr bleibt auf der Hauptstraße.“ Erschwerend kommt laut dem Feuerwehrkommandanten hinzu, dass die Abbiegespuren relativ kurz sind.

 

Niedrigeres Tempolimit brachte kaum Linderung


Die preisgünstigste Lösung wäre hier eine Ampelregelung. Doch davon hält man im rathaus von Rott nichts. So würden vor allem im Berufsverkehr lange Staus entstehen, argumentiert der Bürgermeister. Als sinnvoller erachtet der Rathauschef einen Kreisverkehr, der idealerweise noch eigene Spuren für Rechtsabbieger hätte – so dass dieser Verkehr ungehindert abfließen könnte.

Immerhin senkte das Rosenheimer Straßenbauamt das Tempolimit von 70 auf 60 km/h. „Eine kosmetische Maßnahme“ sei das, meint Daniel Wendrock. „Daran halten sich viele Autofahrer ohnehin nicht und es wird auch kaum kontrolliert.“ Ein entsprechendes Verkehrsgutachten für weitere Maßnahmen sei jedoch bereits in Auftrag gegeben worden.

Den aktuellen Stand erklärt die Sprecherin des Staatlichen Bauamts, Ursula Lampe: „Die Berechnungen zum Knotenpunkt B15/St 2079 sind in der finalen Erarbeitung beziehungsweise aktuell in der Prüfung. Im Anschluss wird ein entsprechender Bericht erstellt. Wir rechnen damit, dass uns dieser Ende März vorliegt.“

 Von baulichen Verbesserungen ist hingegen bei den beiden benachbarten Unfallorten keine Rede. Dort geht es vor allem um überhöhte Geschwindigkeit und leichtsinnige Überholmanöver, die auch durch die lange und breit ausgebaute Streckenführung zwischen Pfaffenhofen und Schechen beeinflusst werden. An beiden Kreuzungsbereichen wurde schon früher ein Limit von 80 km/h festgelegt, was auch regelmäßig kontrolliert wird. Dies wiederum hängen auch von der Personalsituation bei der zuständigen Polizeiinspektion in Rosenheim ab.

 

Landratsamt gibt sich entspannt


Im Rosenheimer Landratsamt bleibt man entspannt: „Sollten sich durch vermehrte Unfälle in einem bestimmten Straßenabschnitt eine Unfallhäufungsstelle ergeben, so tritt die Unfallkommission zusammen“, erläutert auf Nachfrage Sprecherin Tanja Pfeffer. Die besteht aus Vertretenden von Polizei, Straßenbaulastträger und Verkehrsbehörde. Im Bereich der Einmündung von der B15 nach Marienberg wurde die Geschwindigkeit bereits auf 80 km/h beschränkt, da hier eine Unfallhäufung bestehe, so die Sprecherin. Auch wurde ein zusätzliches Zeichen an Beginn der Linksabbiegespur aufgestellt.

Im Schechener Gemeinderat sei die Unfallhäufigkeit bislang noch nicht thematisiert worden, erklärte Bürgermeister Stefan Adam (CSU) in einem Gespräch mit der örtlichen Lokalzeitung. Hinzu kommen Gerüchte, wonach durch die angeblich geplante Ansiedlung der Rosenheimer Brauerei Flötzinger im Schechener Gewerbegebiet – direkt an der B15 gelegen – der Güterverkehr weiter ansteigen und die Unfallgefahr dadurch sogar wachsen könne.
(Georg Weindl)

 

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Sollen Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.