Kommunales

Videoüberwachung stellt einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. (Foto: Schweinfurth)

17.05.2024

Immer stärker überwacht

Trotz präventiver Wirkung gelten Videokameras als rechtlich höchst bedenklich

In Aschaffenburg wurde der Sache ein Ende gesetzt, bevor sie überhaupt begonnen hatte: Videoüberwachung gibt es hier nicht, obwohl in den vergangenen Jahren immer mal wieder darüber diskutiert wurde. Die rechtlichen Probleme erscheinen zu groß. In Würzburg laufen Kameras. Laut Polizei auch mit großem Nutzen. In Passau half Videoüberwachung ebenfalls, Sicherheit und Ordnung zu verbessern. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hält die dortige Überwachung jedoch für unzulässig.

Gewalt scheint zu wachsen. Was Maßnahmen erforderlich macht. Besonders betroffene öffentliche Plätze mit Kameras zu überwachen, erscheint als eine Möglichkeit. Natürlich ist sie nicht die einzige. Man könnte stattdessen auf Gewaltprävention setzen. Also etwa Kompetenztrainings anbieten. „Kam bei uns das Thema in den Stadtrat und haben wir die Polizei um eine Stellungnahme angefragt, hieß ist es immer, Videoüberwachung sei rechtlich nicht haltbar und wir sollten besser die Finger davon lassen“, sagt Mailin Seidel von der Stadt Aschaffenburg. Darum verzichtet die Kommune laut der Pressesprecherin bis heute auf Kameras.

Prävention gegen Gewalt

In Würzburg hingegen setzt man auf Technik zur Prävention von Gewalt. Im vergangenen Jahr kam es laut dem unterfränkischen Polizeipräsidium zu mehr als 7100 Straftaten im Stadtgebiet. Besonders kriminalitätsbelastet sind der Barbarossa- sowie der Bahnhofsvorplatz. Am Barbarossaplatz war es 2021 zu einem Messerattentat gekommen, das bundesweit großes Aufsehen erregt hatte. Drei Frauen starben dabei. Ganz in der Nähe des Barbarossaplatzes wurde im vergangenen Jahr ein junger Mann erstochen. Das geschah, kurz bevor die Überwachungskameras installiert worden waren.

Barbarossa- und Bahnhofsvorplatz werden seit Herbst vergangenen Jahres in Würzburg per Video kontrolliert. Bei einer Pressekonferenz heuer im März präsentierte die Polizei erste Einsatzerfolge. Wie effektiv die Überwachung insgesamt ist, lässt sich laut Polizei aufgrund der noch immer kurzen Betriebszeit der Kameras noch nicht sagen.
Dass immer intensiver überwacht wird, löst bei nicht wenigen Bürger*innen ungute Gefühle aus. Überwachung durch Videokameras verletzt denn auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Oder, wie es in einer 2020 veröffentlichten Orientierungshilfe des Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz heißt: „Ausgreifende Videoüberwachung mit immer besserer Technik belastet (…) intensiv die Rechte und Freiheiten derjenigen Bürgerinnen und Bürger, die ein grundrechtlich abgesichertes Interesse daran haben, in der Öffentlichkeit nicht ‘auf Schritt und Tritt‘ überwacht zu werden.“

Dennoch laufen immer mehr Kameras. Vor allem in Fahrzeugen des ÖPNV bayerischer Stadtwerke. Die Augsburger Stadtwerke zum Beispiel begründen dies damit, dass Kameraaufnahmen helfen würden, „für den Fall von zivil- oder strafrechtlich relevanten Vorkommnissen“ Beweise zu sichern.

Auch Privatleute installieren Kameras

Privatleute installieren Kameras, um zu sehen, ob nicht jemand Ungebetenes vor der Haustür steht und sich womöglich gewaltsam Zutritt zu verschaffen sucht. Der Landkreis München stattete das Hauptgebäude seines Landratsamts am Mariahilfplatz mit Kameras aus. „Hier wird unter anderem die Einfahrt zur Tiefgarage und der Haupteingang überwacht“, so Pressesprecherin Christina Walzner. Die Kameras seien seit über 15 Jahren im Einsatz. Dass sie jemals etwas Negatives verhindert oder aufgedeckt hätten, ist nicht bekannt. Auf der anderen Seite hätten sich jedoch auch noch keine Bürgerinnen und Bürger beschwert.

Kameras gibt es auch bei der TU München. „Wir sind eine offene Universität, sodass Gebäude und Flächen häufig frei zugänglich sind“, erklärt Uwe Baumgarten, der für den Datenschutz zuständig ist. Dass jeder die TU betreten kann, ermögliche Vandalismus und Diebstahl. Gerade Vandalismus durch Abschreckung via Kameras vorzubeugen, sei sinnvoll: „Da Universitäten wesentlich durch öffentliche Mittel finanziert werden.“

Die Stadt Passau setzte in den vergangenen Jahren verschiedene Sicherheitsmaßnahmen um. „Ein sehr wichtiger Baustein war Ende 2018 die Einrichtung einer Videoüberwachung im Klostergarten“, so Pressesprecherin Maria Proske. Hier komme es immer wieder zu Drogenhandel, öffentlichem Alkoholkonsum, Körperverletzungen und Ordnungswidrigkeiten.
Die bayerische Rechtslage lässt Videoüberwachung im öffentlichen Raum laut der Passauer Pressestelle zu, um Vandalismusschäden zu unterbinden sowie Straftaten vorzubeugen. Bevor die Kameras aufgestellt wurden, sei der Datenschutz rechtlich geprüft worden. Dabei wurde das öffentliche Interesse gegen die Persönlichkeitsrechte der Bürger abgewogen.

Videoüberwachung hat Kriminalität reduziert

„Mit der Videoüberwachung hat sich die Situation im Klostergarten verbessert, die Delikte sind um rund ein Drittel zurückgegangen“, so Maria Proske. Konkret gingen der Polizei zufolge Rauschgiftkriminalität, Randalieren und Sachbeschädigung von 97 Fällen im Jahr 2018 auf 63 Fälle 2021 zurück. „Grundsätzlich zeichnen derzeit zehn Kameras täglich zwischen 6 und 1 Uhr auf“, so die Pressesprecherin. Ausgeschaltet würden die Kameras nur bei Veranstaltungen, Versammlungen oder während des Wochenmarkts.

Unmittelbaren Zugriff auf die Kameradaten habe einzig die Stadt Passau. Müssten Kriminalitätsdelikte aufgeklärt werden, könnten aber auch die Strafverfolgungsbehörden auf die Daten zugreifen. Dies sei bis 2021 zwölfmal geschehen: „Die Delikte reichten von Körperverletzung über Fahrerflucht bis hin zu Totschlag und versuchtem Mord.“ Bleibt alles ruhig, würden die Aufzeichnungen nach 72 Stunden ungesehen überschrieben: „Damit ist die Verwendung der gespeicherten Daten strikt reglementiert und Datenmissbrauch ausgeschlossen.“

Nicht alle Passauer Bürger waren mit der Überwachungsmaßnahme einverstanden. Ein Bürger klagte - und erhielt im Juni 2023 vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in zweiter Instanz Recht. Unterstützt wurde seine Klage von der in Berlin ansässigen „Gesellschaft für Freiheitsrechte“ (GFF).

Zu deren Hauptzielen gehört die Begrenzung von „Überwachung und digitaler Durchleuchtung“. Laut GFF bestand im Klostergarten nie eine Gefährdungslage, die Videoüberwachung und die damit verbundenen Grundrechtseinschränkungen gerechtfertigt hätte. „Der BayVGH traf die wichtige Feststellung, dass die Datenschutzgrundverordnung keine anerkannten Klagemöglichkeiten gegen Grundrechtsverletzungen verkürzt, wie fälschlicherweise vom Verwaltungsgericht Regensburg angenommen“, freut sich die Organisation.

Andere Einschätzung

Die Stadt Passau kommt nach wie vor zu einer anderen Einschätzung als die GFF und der Verwaltungsgerichtshof. Der ließ zwar keine Revision zu. Allerdings will die Kommune die gerichtliche Entscheidung durch eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig anfechten, so Maria Proske: „Hierüber wurde noch nicht entschieden.“

Ende 2023 wurde die Verwaltung vom Stadtrat beauftragt, eine alternative Gestaltung der Videoüberwachung zu überprüfen und das aktuelle Konzept gegebenenfalls abzuändern, um die „datenschutzrechtliche Eingriffswirkung“ zu verringern. „Konkret ist an eine Verschlüsselung und auf diese Weise Anonymisierung der Daten bei gleichzeitigem Verzicht auf die Möglichkeit der Live-Ansicht der Aufnahmen gedacht“, erläutert Maria Proske. Die Stadt hofft, den Klostergarten auch künftig überwachen zu können. „Meldungen, dass sich jemand durch die Kameras gestört fühlt, sind bisher bei uns nicht eingegangen“, so Oberbürgermeister Jürgen Dupper (SPD).
(Pat Christ)

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