Kommunales

Helferin Hannelore Becker holt Christa Dlugosch in ihrer Wohnung ab. Nun werden gemeinsam die Einkäufe erledigt. (Foto: Fuchs)

24.04.2023

Innovativer Helferkreis stößt an seine Grenzen

Der Bayreuther Verein Jung und Alt zusammen (J.A.Z) ist zu seinem fünfjährigen Jubiläum zwar sehr erfolgreich – hat aber auch Personalsorgen

Wenn es diesen Verein nicht gäbe, dann müsste er erfunden werden: J.A.Z. heißt der Zusammenschluss, der nichts mit Musik, dafür aber viel mit Menschlichkeit zu tun hat. In diesen Tagen feiert der gemeinnützige Verein sein fünfjähriges Bestehen. J.A.Z. steht für Jung und Alt zusammen. Die Idee dahinter: jüngere Leute bieten älteren Leuten Hilfestellungen in vielen Lebenslagen an.

„Das kann etwa die Begleitung zum Arzttermin, zum Einkaufen oder zu einer Behörde sein, ebenso wie Handgriffe im Haushalt oder Garten oder einfach nur miteinander Spazierengehen und Zuhören“, erklärt Gerhard Krug (72), pensionierter Berufsschullehrer und Vorsitzender von J.A.Z. Er sei selbst „erschrocken über den Erfolg“ sagt er, und ist überwältigt vom Zuspruch, den er und seine Mitstreitenden erfahren. „Insgesamt haben wir 1220 Mitglieder, im Wesentlichen aus Bayreuth Stadt und Land“, so Monika Helgert, Büroleiterin und eine von zwei hauptamtlichen Mitarbeitern.

Die 97-jährige Erna H. beispielsweise ist körperlich noch einigermaßen fit. Allein einkaufen gehen, das traut sie sich allerdings nicht mehr. Da holt sie einer der Helfenden ab und geht mit ihr ins Kaufhaus shoppen. Oder Sieglinde B.: Sie ist seit Jahren auf den Rollstuhl angewiesen, möchte sich aber trotzdem nicht zu Hause verkriechen. Auch hier kommt wieder der J.A.Z.-Helfende ins Spiel. Er holt sie einmal in der Woche ab und macht mit ihr beispielsweise einen Stadtrundgang.



Seit 2022 Abrechnung über die Pflegekassen möglich



Viele derartige Beispiele könnte man noch aufzählen, etwa das von Christa Dlugosch: Die 85-Jährige ist zwar noch absolut fit, begrüßt es aber dann doch, wenn sie Hannelore Becker jeden Freitagvormittag abholt und mit ihr zusammen die Einkäufe erledigt.

Gemeinsam ist allen, dass Menschen ihren Mitmenschen helfen, und zwar freiwillig. Eine Verpflichtung gibt es nicht. Jedes Mitglied kann im Verein Dienste anbieten oder beanspruchen, so steht es in der Satzung. Zunächst hatte alles mit einem Tauschring namens Zeit gegen Zeit begonnen – doch das hat nicht funktioniert. Also gründete man den Verein und stellte ihn auf eine genossenschaftliche Grundlage. Das heißt, Helfende und Hilfesuchende müssen Mitglieder sein. Vom bayerischen Sozialministerium wurde J.A.Z mit einer Anschubfinanzierung gefördert, seitdem trägt sich der Verein selbst. 9 Euro Aufwandsentschädigung werden für eine Stunde Hilfe fällig, 7 Euro davon bekommt der Helfer, zwei Euro gehen in die Vereinskasse.

Seit dem vergangenen Jahr ist auch eine Abrechnung über die Pflegekassen möglich. Dann werden 15 Euro pro Stunde erstattet, 11 Euro davon bekommt der Helfer, 4 der Verein. Die Jahresmitgliedschaft kostet 30 Euro. Immer wieder nachgefragt würden auch Hilfeleistungen wie etwa das Erledigen von Besorgungen, Gassi gehen mit dem Hund, die Versorgung von Tieren im Krankheitsfall, die Grabpflege, die Begleitung bei Kirchgängen oder eine Vorlesestunde. „Alles, was ein älterer Mensch nicht mehr alleine machen kann“, so Gerhard Krug. Die Grenze sei immer dort zu ziehen, wo der Helfende einem professionellen Dienstleister Konkurrenz machen würde.: „Einen Garten legen wir nicht an und die Putzfrau können wir auch nicht ersetzen“. Pflegeleistungen scheiden ohnehin aus und auch das Streichen eines Jägerzauns sei nicht im Sinne von Jung und Alt zusammen.

 

Aktuell 600 Stunden pro Monat mit steigender Tendenz


Monika Helgerts zufolge werden aktuell 600 Stunden pro Monat mit steigender Tendenz vermittelt. Deshalb sucht der Verein auch händeringend nach weiteren Helfern. „Wir müssen schon aufpassen, dass wir nicht zu alterslastig werden – denn dann könnten wir ja unser Hilfsangebot nicht aufrechterhalten.“ Vor allem über jüngere Leute würde man sich freuen. Allerdings bemerke man schon auch, dass es viele Menschen ablehnen, Verantwortung zu übernehmen.

Was die Büroleiterin und der Vorsitzende immer mehr feststellen: Die Einsamkeit im Alter nimmt zu. Es sei „schon erschreckend, welche Erfahrungen manchmal an einen herangetragen werden“. Der J.A.Z-Verein legt aber auch Wert auf ein gutes Miteinander zwischen Mitgliedern. So gibt es regelmäßige Treffen, alle zwei Monate wird ein Newsletter verschickt, in den Sommermonaten gibt es einen Boule-Spiel-Kreis, Referenten berichten immer wieder über Themen wie Vorsorgevollmachten. Sogar Busausflüge habe man schon zusammen gemacht. Das alles gehe jetzt, nach Corona, erst zögerlich wieder los.

Ein wenig verärgert ist man bei J.A.Z., dass die Fahrten der Helfenden mit dem Privat-Pkw nicht erstattet werden können. „Wir haben alles unternommen, aber da gibt es rechtlich keine Möglichkeit“, sagt Gerhard Krug. Hoch erfreut ist er dagegen, dass sowohl die Stadt als auch der Landkreis Bayreuth mittlerweile nicht nur die Flyer auslegen, sondern auch über ihre Seniorenämter für den Verein werben. Auch die regionalen Kliniken rufen mittlerweile an, wenn sie ältere Menschen entlassen, die niemanden haben. (Stephan Herbert Fuchs)

 

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