Kommunales

Die meisten Muslime in Deutschland sind türkischstämmig. Und deren Imame fühlen sich überwiegend der von Diktator Erdogan kontrollierten staatlichen Religionsbehörde Dyanet verpflichtet. (Foto: dpa)

04.03.2018

Integrationshindernis Islam?

Ein früherer ARD-Moderator liefert schockierende Einblicke in die Welt der Moscheen

Es ist ja nicht so, dass es keinen modernen Islam in Deutschland gäbe. Im vergangenen Jahr wurde das an einem eindrucksvollen Beispiel deutlich: In Berlin eröffnete die erste liberale Moschee der Bundesrepublik, sie trug den schönen Namen Ibn- Rushd-Goethe-Moschee – in Anlehnung an zwei der größten aufgeklärten Schriftsteller des Orients wie des Okzidents. Initiatorinnen des Projekts waren die Rechtsanwältin Seyran Ates und die Religionslehrerin Lamya Kaddor. In ihrem Gotteshaus, versprachen die beiden Frauen, sollten weibliche wie männliche Imame predigen, es sollte Platz sein für Vertreter der beiden verfeindeten Konfessionen der Schiiten und Sunniten, ja sogar bekennende Homosexuelle sollten hier beten dürfen. Doch kurz darauf schlug Ates und Kaddor eine Welle des Hasses entgegen, im Internet wurden sie mit Morddrohungen überzogen. Laut Aussage der vom türkischen Staatspräsidenten Erdogan kontrollierten Religionsbehörde Diyanet – und die sagt dem Großteil der türkischen Muslime, wo es spirituell langgeht – „missachte“ die neue Moschee „erhabene Grundsätze“ und versuche, den Islam „zu untergraben und zu zerstören“. Leider setzte sich diese Sicht der Dinge medial durch, geholfen hat Ates und Kaddor niemand.

Mehrheitlich friedlich, aber reaktionär


Das Beispiel stammt aus dem neuen Buch Die Macht der Moschee. Scheitert die Integration am Islam? des früheren ARD-Moderators Joachim Wagner (Panorama). Es illustriert das Dilemma der muslimischen Community in der Bundesrepublik gut. Von wenigen Einzelfällen abgesehen, zeigen sie zwar keine Affinität zum Terror des IS oder Al Kaidas – aber ebenso wenig zur Gleichberechtigung von Mann und Frau, zur Trennung von Staat und Kirche, zur religiöse Selbstbestimmung. Fazit: Der Islam in Deutschland ist mehrheitlich friedlich, aber reaktionär. Verantwortlich dafür, so Wagner seien vor allem die Imame. Sie predigten in den Moscheen ein Weltbild, das sich eher nach Ankara als nach Berlin orientiert. Sein Fazit: Die Integration der meisten Muslime ist misslungen. Wagner hat sehr lang und sehr gründlich recherchiert. Er berichtet über Parallelgesellschaften in deutschen Städten, wo de facto längst die Scharia den Alltag bestimmt; über die immer aggressivere Missionsarbeit von fundamentalistischen Salafisten auf Straßen und Plätzen, über das einseitige Mediennutzungsverhalten (Al Jazeera statt Phoenix); über den zunehmenden gewaltbereiten Antisemitismus und die Homophobie vor allem junger Muslime; über die ständig größer werdende soziale Kluft (Muslime sind häufiger arbeitslos und empfangen überproportional stark soziale Transferleistungen) im Vergleich zur übrigen Bevölkerung. Das alles belegt er mit vielen Zahlen, Daten und meist aktuellen Beispielen. Die Professionalität des langjährigen investigativen Fernsehjournalisten ist zu spüren.

Vieles davon schrieb Sarrazin schon vor zehn Jahren


Natürlich gibt es viele Unterschiede zwischen den beiden Büchern. Aber vieles von dem, was Joachim Wagner jetzt veröffentlicht, hatte vor knapp zehn Jahren bereits Thilo Sarrazin in seinem Buch Deutschland schafft sich ab aufgegriffen – und war dafür medial gesteinigt worden. Denn es darf zwar das Fehlverhalten einzelner muslimischer Geistlicher beanstandet werden, generelle Kritik am Islam aber ist in Deutschland verpönt. Auch wenn sich keine andere Religionsgemeinschaft hierzulande auch nur ansatzweise so schwer tut mit der Integration: Wer es konkret ansprach, wurde gesellschaftlich geächtet – meist von einer merkwürdigen Allianz aus bestimmten Medien, linken Politikern und Vertretern des religiösen Establishments. Doch seither hat sich die Lage weiter verschärft. Seit der Flüchtlingskrise 2015 sind rund eine Million weitere Muslime nach Deutschland gekommen und die Sozialprognose der meisten lässt eine zumindest anspruchsvolle Integration erwarten. Man darf gespannt sein, ob dieses Buch die ihm gebührende Aufmerksamkeit erfährt – oder nach Sarrazins traurigem Vorbild im Angela-Merkel-Stil („nicht hilfreich“) erledig wird. (André Paul)

Joachim Wagner, Die Macht der Moschee. Scheitert die Integration am Islam?, Herder Verlag, Freiburg 2018, 351 Seiten, 24 Euro. ISBN 978-3-451-38149-2

Kommentare (3)

  1. Greg am 16.03.2018
    Es ist sogar noch schlimmer, als man denkt. Norbert Häring erklärt, -Warum Migration gut fürs Geschäft ist: Das Weltwirtschaftsforum und die Willkommenskultur.
    -
    Da lob ich mir doch die Standhaftigkeit eines Sarazzins, der letztlich immer noch ein Gutmensch ist, obwohl ihn die Mainstreammedien verhehlen, aber keine Lösungen bieten.
  2. alexander p. am 06.03.2018
    Angela Merkels Stil ist für uns aber auch nicht hilfreich....
  3. Erasmus am 05.03.2018
    Das Buch von Joachim Wagner "Die Macht der Moschee" ist ein weiters Puzzelstück der deutschen Realität, welche von Staat und Politik defacto ausgeblendet bzw. verharmlost werden !

    Spätestens als 2003 der damalige FAZ Redakteuer Udo Ulfkottes sein Buch "Der Krieg in unseren Städten. Wie radikale Islamisten Deutschland unterwandern" veröffentlich hat - sind die Integrationsprobleme des Islams bekannt. Nur bis heute gibt es keine wirksamen Handlungsansatz des Staates diese Integrationsprobleme konsquent anzugehen. Die breite Appeasement-Politik gegenüber dem Islam hebelt heute schon die verfassungsrechtliche Grundordnung aus - warum ? Wahrscheinlich sind viele Politiker mit der Dimension der Fragen überfordert. Sinnvoll wäre hier z.B. eine Enquete-Kommissionen "Integration des Islams" des Deutschen Bundestag, welche hier expertenbasierte Handlungsempfehlungen bzgl. aller offner Fragen erarbeitet. Viele Bürger und die Gesellschaft sind hier zutiefst beunruhigt und wollen klare Ansagen.
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