Kommunales

Da hilft wohl nur noch beten: Bürgermeister Josef Federhofer (links). (Foto: Hubert Denk)

23.03.2012

Jahrelang hat keiner was gemerkt

Der Millionenbetrug des Hauzenberger Kassenleiters ist ein Exempel für das Versagen kommunaler Kontrollinstanzen

Die von einer Millionenaffäre im Rathaus gebeutelten Bewohner der Stadt Hauzenberg (Landkreis Passau) müssen früher als erwartet einen neuen Bürgermeister wählen. Ein ehemaliger Kassenleiter hat wohl über zwei Jahrzehnte gewaltige Geldbeträge abgezweigt, um sich in Tschechien zu vergnügen. Von Spielcasinos und Bordellbesuchen ist die Rede.
Der amtierende Hauzenberger Bürgermeister Josef Federhofer (CSU), der vor einigen Jahren einen Herzinfarkt erlitt, hat sich aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand versetzen lassen. Er werde zum 1. April seine Ämter niederlegen, teilte er in einer Presseerklärung mit. Die Kassenaffäre habe an seinen Nerven gezerrt.
Der Fall flog nach dem Tod des 54-jährigen städtischen Angestellten am zweiten Weihnachtsfeiertag auf. Seine Lebensgefährtin, eine Arbeitskollegin, fand bei dem Toten ein verdächtiges Kuvert mit Bargeld in Höhe von 19 500 Euro und städtische Belege. Der Inhalt führte die Prüfer später auf die Spur des gewaltigen Kassenbetrugs. Sie stellten fest: Allein seit 1999 hat der Kassenleiter einen Betrag von weit über zwei Millionen Euro veruntreut. Für die Zeit davor gibt es keine Belege mehr. Er war seit 1990 im Amt. Er hat unbemerkt bis zu 20 000 Euro am Stück von städtischen Konten abgehoben.

Die Kripo ging im Rathaus wochenlang ein und aus


Im Rathaus von Hauzenberg ging wochenlang die Kripo ein und aus. Gegen Tote wird nicht ermittelt, aber die Staatsanwaltschaft muss nachforschen, ob es vielleicht Mitwisser oder Handlanger gab. Die Kommune hat Strafanzeige gegen unbekannt gestellt. Die Leiche des verstorbenen Kassenleiters wurde am 27. Februar auf Antrag der Staatsanwaltschaft exhumiert. Die Untersuchungen der Gerichtsmediziner in München werden noch längere Zeit in Anspruch nehmen. Nach ersten Erkenntnissen sei es „wohl kein Herzinfarkt“ gewesen, der zum Tod des Mannes geführt habe. Dies war bislang die plausibelste Erklärung. Der kriminelle Kassenleiter wusste, dass er plötzlich in der Klemme saß. Zu Jahresbeginn setzte das Rathaus ein neues Buchhaltungssystem ein. Der Betrug wäre spätestens beim Jahresabschluss aufgeflogen.
Warum ist dieser enorme Schwund bei den Rathaus-Konten keinem aufgefallen? Der Mann, dem die Prüfer „hohe Intelligenz“ bescheinigen, hat mit geschickten Umbuchungen und unter Verwendung mehrerer Verfügungskonten die Plünderung der öffentlichen Kassen getarnt. Den größten Aufwand hatte er immer am Jahresende, damit die Bilanzen stimmen. Beispielsweise gaukelte er vor, dass pleitegegangene Unternehmer Rückerstattungen an Gewerbesteuer bekommen hätten. Diese Summen flossen dann in seine eigene Tasche.
Zu den Kontrollsystemen von Kommunen gehört, dass bei Barabhebungen mindestens zwei Unterschriften notwendig sind. „Der Kassenleiter hat die Sicherungssysteme, die eingezogen waren, umgangen“, erklärte der Kämmerer bei einer Sondersitzung. Mit seinem forschen Auftreten hat er offensichtlich erst gar keine Nachfragen aufkommen lassen, vermutlich auch Belege gefälscht, Zahlen um Nullen ergänzt. Der Kassenleiter war auch für Vollstreckungen zuständig – eine Möglichkeit, Bargeld zu kassieren.


Die Verwaltungsspitze ließ den Stadtrat im Unklaren


Wochenlang hatte die Stadtspitze über das Ausmaß des Schadens geschwiegen. Man wollte vermeiden, „täglich neue Wasserstandsmeldungen zu geben“, wie sich Bürgermeister Federhofer in einer Sondersitzung gegenüber der Opposition verteidigte. Die wenigen Eingeweihten wussten schon sehr bald, dass es um eine Millionensumme geht. Die Formulierung der Trauerrede sei für ihn nicht einfach gewesen, bekannte das Stadtoberhaupt.
Vor vier Jahren erlebten die Fernsehzuschauer den Kassenleiter bei einem zufälligen TV-Auftritt im Fernsehen. In der Nähe der südböhmischen Stadt Winterberg (Vimperk) traf der Kassenleiter bei einer seiner Vergnügungsreisen auf den BR-Reporter Franz Xaver Gernstl (Gernstls Deutschlandreise). Er eilte auf einem Rastplatz mit einer kleinen Videokamera herbei, um den Fernseh-Promi zu filmen. Es entwickelte sich ein kurzes Gespräch.
Auch die Staatsanwaltschaft in Passau interessierte sich für diese zweiminütige Filmsequenz. Sie bringt ein bisschen Licht in das verborgene Privatleben des Mannes. Er erzählt, dass er über Ostern in Vimperk ein Hotel gebucht habe, das teuerste am Platz. Vimperk ist wegen eines Nachtklubs auch Ziel von Sextouristen. Gernstls Deutschlandreise wird im Bayerischen Fernsehen am 11. April wiederholt – ohne die Szene mit dem verstorbenen Millionengauner. In leichten Unterhaltungssendungsendungen hätten Tote nichts verloren, erklärt BR-Sprecher Christian Nitsche. (Hubert Denk)

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