Bayern hat fast 13 Millionen Einwohner, gut die Hälfte sind Frauen. Aber nur knapp neun Prozent der 2056 Städte und Gemeinden werden von einer (Ober-)Bürgermeisterin geführt. „Und es wird einfach nicht besser“, klagt die 62-jährige Christine Borst (CSU), seit 2008 Bürgermeisterin von Krailling im Landkreis Starnberg und Sprecherin der neuen Arbeitsgemeinschaft „Frauen führen Kommunen“ im Bayerischen Gemeindetag. Sie will das ändern, stößt aber auf massiven Widerstand.
BSZ Frau Borst, was prädestiniert Sie für diesen Arbeitskreis? Sind Sie seit jeher eine Quotenverfechterin?
Borst Nein, ich war sogar strikt dagegen, als die Quote in der CSU diskutiert wurde. Wenn mir mal jemand gesagt hätte, dass ich mich für Frauenrechte einsetze, dann hätte ich den für verrückt gehalten. Auch noch zu Beginn meiner Arbeit als Bürgermeisterin: Von den fünf Kommunen im Würmtal sind vier mit Frauen besetzt – ich dachte, das sei alles wunderbar. Aber vor zwei Jahren ging es los: Beim Kongress „Frauen. Macht. Politik.“ in Berlin musste ich erstaunt feststellen, dass es in ganz Deutschland schlecht aussieht. Und bei uns in Bayern am schlechtesten. Wir – die bayerischen Kolleginnen und ich, die dort waren –, beschlossen, das Thema müsse man auf die Länderebene runterbrechen.
BSZ Sicherlich nicht zur Freude ihrer männlichen Kollegen?
Borst Doch! Ich war selber erstaunt, aber beim Gemeindetag rannte ich offene Türen ein. Auch da hatte man erkannt, dass sich etwas tun muss. Eben weil es in Bayern besonders wenige Frauen an den Gemeindespitzen sind. Was mich umtreibt, das ist, dass es nicht aufwärts geht.
BSZ Warum ist das so?
Borst Das wissen wir noch nicht genau. Die Betreuungsmöglichkeiten sind heute viel besser als noch zu meiner Zeit, als ich beruflich anfing. Und man möchte meinen, die jungen Frauen haben heute auch Männer, die eher daheim bleiben. Aber leider ist das nicht so. Sie kennen ja den Spruch: „Hinter jedem erfolgreichen Mann ...“
BSZ „ ... steht eine starke Frau“. Sehr 1950er Jahre-mäßig, oder?
Borst Ja. Und wissen Sie, wie der heute weiter geht? „Und jeder erfolgreichen Frau sitzt die Familie im Nacken.“ Wenn man sich für die Familie verantwortlich fühlt, kann man den Bürgermeisterjob eigentlich nicht machen. Wenn du im Ort ist, bist du immer im Amt. Wenn ich am Wochenende meine Ruhe haben will, dann muss ich wegfahren. In Stoßzeiten sind wir sieben Abende unterwegs und am Wochenende den ganzen Tag. Das ist nicht sehr familienfreundlich. Und weil bei uns immer noch vor allem die Frauen die Familienarbeit machen, können Männer solche Jobs eher übernehmen.
"Mir geht es nicht um Männer-Bashing"
BSZ Vielleicht weil es sie es sich auch eher zutrauen? Ist nicht ein Männer-Klischee das des durchsetzungsstarken Kerls?
Borst Also, das mit dem Selbstvertrauen, das stimmt vielleicht, daher planen wir auch entsprechende Seminare und Angebote für Kommunalpolitikerinnen. Wir wollen sagen: „Traut’s euch“. Aber ich finde, die weibliche Art ist heute mehr denn je gefragt. Mit einem „Basta“ und auf den Tisch hauen, kommt man heute nicht mehr weit, auch und gerade nicht in der Politik. Sollten Sie sich im Gemeinderat mit einem „Basta“ durchgesetzt haben, dann kommt ein Bürgerbegehren. Nein, heute muss man konsensorientierter, eher ein Mediator sein: Und das können Frauen, glaube ich, besser.
BSZ Was noch?
Borst Mir geht es gar nicht um Männer-Bashing, nach dem Motto: Was die nicht können, dafür aber wir. Ich mag das nicht. Mir geht es um Gerechtigkeit: Wenn gut 50 Prozent der Menschen Frauen sind, warum sollen sie dann nicht auch die Hälfte aller politischen Ämter besetzen? Das ist nur eine Frage der Ausgewogenheit.
BSZ Was plant der Arbeitskreis „Frauen führen Kommunen“, um diese Ausgewogenheit zu erreichen?
Borst Wir möchten den weiblichen Anteil zur nächsten Kommunalwahl 2020 signifikant erhöhen. Verdoppeln wäre wohl ein zu großer Traum. Dazu haben wir zwei Säulen, die wir stärken müssen: Wir wollen die amtierenden Bürgermeisterinnen besser vernetzen. Denn ich tue mich im Würmtal mit meinen drei Kolleginnen leicht, wenn Sie aber die einzige Bürgermeisterin in einem Landkreis sind, dann wird es sehr schnell einsam. Und dann wollen wir neue Frauen für die Kommunalpolitik gewinnen. Dazu gehören vor allem Schulungen und Informationsveranstaltungen.
BSZ Was macht den Bürgermeister-Job aus Ihrer Sicht so attraktiv?
Borst Sie können so viel gestalten. Aber eines muss jede und jeder wissen: Nichts ist mehr garantiert. Früher war man – gerade wenn man in Bayern als CSU-Kandidat auftrat – sicher bis zur Rente. Aber heute kann man auch sechs Jahre einen guten Job machen und wird trotzdem ausgetauscht, weil es ,ein frisches Gesicht‘ braucht. Man muss also schon wissen, auf was man sich einlässt. Aber es ist einfach wichtig, dass hier Frauen UND Männer aktiv sind. Das ist gerade in der Gemeinde, wo die Basics passieren, bedeutsam. Hier müssen die Dinge umgesetzt werden, die die große Politik – wo der Frauenanteil übrigens viel höher ist – entschieden hat. Hier im Ort muss man auch etwas aushalten können.
BSZ Fällt Ihnen das leicht?
Borst Es hat schon eine Weile gedauert, bis ich merkte, wenn die Bürger oder die Opposition im Gemeinderat etwas kritisierten, dass die nicht mich als Person meinen, sondern die Bürgermeisterin, das Amt. Man muss sich da abgrenzen. Manche Kollegen können das nicht und werden dabei krank, aber das ist geschlechtsunabhängig.
BSZ Was machen Frauen anders im Bürgermeisteramt?
Borst Meiner Erfahrung nach ist die Diskussionskultur, wenn Frauen dabei sind, eine andere. Man kommt schneller zum Thema – ohne erst einmal aufzuzählen, was bereits tolles geleistet wurde. Die Gespräche finden mehr auf der Sachebene statt und auch der Ton ist meist etwas moderater.
(Interview: Anja-Maria Meister)
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