Kommunales

Das älteste Gewerbe der Welt blüht in der traditionsreichen Fuggerstadt seit Jahren auf. (Foto: dpa/Andreas Arnold)

18.04.2019

Keine Lust auf das Geschäft mit der Lust

Augsburg gilt als heimliche Huren-Hauptstadt – mit restriktiven Genehmigungen kämpft die Stadt dagegen an, doch die Bordellbetreiber wehren sich

Augsburg, das ist die Fuggerstadt. Die Renaissancestadt. Seit einigen Jahren auch die Stadt der Bundesligakicker vom FCA und natürlich der Augsburger Puppenkiste. Zudem gilt die 300 000 Einwohner große Kommune auch noch als die Huren-Hauptstadt. Wobei man dieses Prädikat im Rathaus naturgemäß weniger gerne hört. Doch genau zu diesem Schluss kam zumindest eine Umfrage der Welt am Sonntag unter deutschen Großstädten aus dem Jahr 2013. Demnach boten damals etwa in Hamburg trotz der Reeperbahn nur etwa 122 Huren je 100 000 Einwohner ihre Dienste an; in München waren es bereits rund 200, doch einsam an der Spitze thronte Augsburg – mit 244 Prostituierten pro 100 000 Einwohner.

Nun ist diese Umfrage zum einen schon einige Jahre her. Zum anderen sind die Zahlen mit Vorsicht zu genießen, da sie nicht nur auf präzisen Angaben vonseiten der Kommunen beruhten, sondern teils auch auf Hochrechnungen und Schätzungen.

Doch ganz augenscheinlich ist, dass die boomende Schwaben-Metropole Augsburg in jüngerer Zeit nicht nur bei der Einwohnerzahl, bei den Mieten und beim Lebensstandard kräftig zugelegt hat. Sondern parallel dazu floriert auch das horizontale Gewerbe. Aktuell gibt es in Augsburg etwa 30 Bordelle sowie rund ein Dutzend Bordellwohnungen, in denen 400 bis 500 Prostituierte „sexuelle Dienstleistungen erbringen“, wie die Stadt mitteilt.

Und ginge es nach den Betreibern solcher Etablissements, dann lägen die Zahlen sogar noch deutlich höher. Denn vor allem in die Gewerbegebiete von Lechhausen, Oberhausen und Haunstetten drängen immer mehr und immer größere Bordelle. Prominentester Fall war ein Investor, der 2014 in Lechhausen den Umbau einer Lagerhalle in ein XXL-Laufhaus mit 50 Zimmern beantragte – ein Vorhaben, das die Stadt erst nach mehreren Gerichtsverfahren ausbremsen konnte.

XXL-Laufhaus verhindert

Ganz abgesehen von diesem Einzelfall bemüht sich das Augsburger Rathaus schon seit mehreren Jahren verstärkt darum, die Entwicklung des florierenden Rotlichtmilieus zu steuern. Ein Meilenstein war dabei das Verbot der Straßenprostitution im Jahr 2013, das nach Angaben der Stadt wegen „zunehmend aufkommender Anwohnerbeschwerden“ erlassen wurde. Wenig später gab der Stadtrat die Erstellung eines Bordell-Strukturkonzepts in Auftrag, um die Neuansiedlungen von derlei Rotlichtbetrieben besser zu kontrollieren; bereits existierende Puffs genießen ohnehin Bestandsschutz.

Doch dieses Vorhaben wurde zum Schlag ins Wasser: Nachdem sich erste Vorschläge für ein Strukturkonzept als unzureichend und kaum umsetzbar herausgestellt hatten, musste die Stadt ihre Pläne begraben. Stattdessen beschloss der Stadtrat im Juni 2017, die Neuansiedlung von Bordellen über das Baurecht zu steuern. „Dabei werden einschlägige Vorhaben einem Prüfschema auf der Basis planerischer Vorgaben und standortbezogener Besonderheiten unterworfen und die Zulässigkeit anhand einer abschließenden Bewertung beurteilt“, so die Stadt. Unter anderem wurden in den vergangenen Jahren mehrere Bebauungspläne neu aufgestellt oder geändert, meist mit dem Ziel, bestimmte Gegenden frei von neuen Rotlichtbetrieben zu halten.

In dem Zusammenhang fand sich die Stadt mehrfach vor Gericht wieder; einer dieser Fälle ist nun vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München verhandelt worden. Dort hatte ein Bordellbetreiber ein sogenanntes Normenkontrollverfahren gegen die Änderung eines Bebauungsplans angestrengt. Hintergrund waren seine Pläne zur Erweiterung eines Etablissements in Lechhausen von derzeit fünf auf mehr als 20 Bordellzimmer. Der Grundstücksbesitzer hatte 2012 einen entsprechenden Bauantrag eingereicht. Dieser wurde jedoch abgelehnt, nachdem die Stadt 2015 den betreffenden Bebauungsplan geändert hatte. Dabei wurde in einem Teilbereich des Gebiets die Neuansiedlung von „Bordellen, bordellartigen Betrieben und Wohnungsprostitution“ verboten. Grundsätzlich gelten solche Etablissements als Vergnügungsbetriebe und sind in Städten mit mehr als 30 000 Einwohnern in Gewerbegebieten zulässig.

Jedoch dürfen sich Bordelle nicht in der Nähe von Wohnhäusern oder besonders schutzbedürftigen Einrichtungen wie Schulen, Kitas, Krankenhäusern oder Kirchen befinden. Zudem können Kommunen stadtplanerische Aspekte anführen, wie es nun auch die Vertreter der Stadt Augsburg bei der mündlichen Verhandlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof taten. Sie verwiesen darauf, dass es in dem Viertel bereits mehrere Bordelle gebe und warnten vor einer Abwertung des Gewerbegebiets. „Trading-Down-Effekt“ heißt diese Entwicklung im Fachjargon, der dadurch verstärkt wird, dass Bordelle oftmals Spielhallen und weitere Rotlichtbetriebe anziehen. „Hierbei können jahrelange Anstrengungen der Stadtsanierung und Aufwertung innerstädtischer Quartiere zunichtegemacht werden“, heißt es aus dem Baureferat im Augsburger Rathaus. Demnach könne die Ansiedlung eines neuen Bordells auch hochwertige Gewerbegebiete, etwa mit einem Schwerpunkt auf Verwaltung und Wissenschaft, stark beeinträchtigen sowie besonders Produktions- und Handwerksbetriebe verdrängen.

Komplett aus dem Stadtgebiet verbannen wolle man die Bordelle aber nicht, teilt das Baureferat mit: „Nach geltendem Recht sind prostitutive Nutzungen eine gewerbliche Nutzung eigener Art, für die innerhalb des Stadtgebiets auch grundsätzlich Ansiedlungsmöglichkeiten bestehen müssen.

Im konkreten Fall des Bordellbetreibers in Augsburg ist es vor dem Verwaltungsgerichtshof zu einer Einigung gekommen. So verabschiedete sich der Antragsteller von seinen Erweiterungsplänen für das Etablissement – im Gegenzug sicherte die Stadt zu, die Architektenkosten für die bisherige Planung zu erstatten. Die Kosten für das Verfahren übernahmen beide Parteien jeweils zur Hälfte. Allerdings ließ sich die Kommune eine Hintertür offen: Noch bis 21. Juni kann die Stadt diesen Vergleich widerrufen.
(Patrik Stäbler)

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