Kommunales

Im Laden am Marktplatz einkaufen und die heimische Wirtschaft stärken - oder die Aktionäre von Amazon: Kunden haben die Wahl. (Foto: dpa)

25.06.2018

Kommunen sagen Online-Shops den Kampf an

Mit einer ausgefeilten Strategie sollen die Bürger wieder vom Einkauf in der Innenstadt überzeugt werden

Verliebt ins Kleid, die Brille als It-Piece, Einkaufstouren auf dem heimischen Wochenmarkt mit Fotos in Szene gesetzt: Im schönsten Instagram- und Blogger-Deutsch preist Debora Fikentscher die Vorzüge diverser Geschäfte in Hof an. Die Bloggerin soll als sogenannte Influencerin für den Hofer Einzelhandel werben, engagiert von der Stadt Hof. Digitales Marketing eben. Im Internet soll sie zum Offline-Shoppen animieren. Die Arbeit der Bloggerin in den sozialen Netzwerken gehört zu einem Bündel von Maßnahmen, um wieder mehr Kunden in die Hofer Läden zu locken. Auch Popup-Stores - also Läden, die nur für wenige Wochen öffnen - sollen die Kunden vom Online-Shop weg und wieder in die Fußgängerzone locken.

Die meisten anderen Städte in Deutschland kennen das Problem auch: Landauf, landab kämpfen Einzelhändler gegen Umsatzrückgänge, kämpfen Städte gegen Leerstände. Denn immer mehr Menschen bestellen lieber im Internet und lassen sich die Pakete nach Hause bringen. Oder sie lassen sich beim Einzelhändler in der City eingehend beraten, um dann doch online auf Schnäppchenjagd zu gehen. Aber im Hofer Rathaus hat man nun einen ausgefeilten Plan gefasst, um dem Trend zum Onlinehandel etwas entgegenzusetzen.

"Nahezu alle Kommunen müssen sich derzeit mit dem Thema auseinandersetzen, wie sie mit den Auswirkungen des Wandels im Einzelhandel umgehen", sagt Oberbürgermeister Harald Fichtner (CSU). Hof sei aber nach wie vor stolz auf seinen vielfältigen Einzelhandel. "Wir möchten diesen weitestgehend erhalten. Zwar können wir als Kommune nicht einen globalen Wandel aufhalten, aber wir versuchen sehr intensiv, diesen Wandel zu gestalten und dem Handel an der einen oder anderen Stelle auch Hilfe zur Selbsthilfe zu geben."

Der Online-Handel wuchs seit 2005 jedes Jahr beträchtlich, laut Handelsverband Deutschland belief sich der Umsatz 2017 auf mehr als 53 Milliarden Euro - nach 48,7 Milliarden im Jahr zuvor. Das bedeutet: Erstmals haben die deutschen Verbraucher mehr als jeden zehnten Euro im Internet ausgegeben. Eine Online-Präsenz sei für den Einzelhandel inzwischen sehr, sehr wichtig geworden, sagt Bernd Ohlmann. Der Geschäftsführer des Handelsverbandes Bayern hat beobachtet, dass gerade kleinere Unternehmer bei dem Thema oft abwinken - zu teuer, zu aufwendig. Doch er betont: Zumindest eine eigene Webseite müsse jeder Händler haben. "Wer nicht im Netz auffindbar ist, hat verloren."

Angelockt werden soll auch Kundschaft aus dem nahen Tschechien


Initiativen wie die der Stadt Hof, eine Bloggerin zu beschäftigen, begrüßt Ohlmann: Gerade jüngere Käuferschichten könne man damit gut erreichen. Außerdem soll in Hof kräftig gebaut werden - die Hof-Galerie ersetzt einen maroden und lange leerstehenden Supermarkt. Mit dem Einkaufszentrum will die Kommune Kaufkraft für die Innenstadt zurückgewinnen. Denn: Nachbarstädte mit ihren Centern machen den Hofern derzeit große Konkurrenz. Die Volkshochschule saniert zudem ein bislang leerstehendes Gebäude, das sie für ihre Kursangebote nutzen will - auch das soll mehr Leben in die Innenstadt bringen. Beispiel dafür ist die Nachbarstadt Bayreuth: Hier teilen sich Volkshochschule und Stadtbibliothek seit wenigen Jahren ein ehemaliges Innenstadt-Kaufhaus - damit haben sie die Fußgängerzone spürbar belebt. Und: In Hof denkt man längst grenzüberschreitend und setzt auf Kundschaft aus dem nahen Tschechien. Man versuche, Handel und Gastronomie zu motivieren, sich auf tschechische Kundschaft einzustellen, sagt OB Fichtner.

An der Verschmelzung von On- und Offline-Angeboten arbeitet beispielsweise auch die Stadt Pfaffenhofen in Oberbayern. Auf dem Portal www.besserdaheim.de zeigen mehr als 50 Händler, Handwerker und Dienstleister aus der Stadt ihr Sortiment und ihr Angebot in einer Art Online-Showroom - der Verbraucher sieht, ob die Ware vorrätig ist oder ob man sie sich nach Hause schicken lassen kann. Wer im Stadtgebiet wohnt und vor 17 bestellt, bekommt seine Artikel noch am gleichen Tag. Ein Service, den wohl die meisten Online-Riesen nicht bieten können. "Händler haben die Möglichkeiten, ihre Ware zu präsentieren", sagt Projektmanager Philipp Schleef. "Die Kunden sehen: Was gibt es in der Stadt?"

Man wisse, dass Kommunen hier aktiv seien, sagt ein Sprecher des Bayerischen Städtetages. Er warnte aber vor zu großen Erwartungen: Gegen das Einkaufsverhalten der Bevölkerung könne man seitens der Politik und Verwaltung nur bedingt etwas tun. Den Social Media-Kanälen der Hofer Bloggerin folgen seit März bereits über 3000 Menschen. Seit Jahresbeginn wirbt die junge Frau nun schon für die Hofer Geschäfte und ihre Produkte. Vielleicht lassen sich tatsächlich einige davon inspirieren und eben doch wieder zu einem Einkauf in der eigenen Stadt verleiten. (Kathrin Zeilmann, dpa)

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