„Inobhutnahme“ heißt es, wenn ein unbegleiteter Minderjähriger von der Polizei aufgegriffen und dem zuständigen Jugendamt übergeben wird. Von den zirka 48 000 dieser Jugendlichen in Deutschland leben derzeit 15 600 in Bayern. Davon hat Niederbayern im Jahr 2015 mit Abstand die meisten unterbringen und versorgen müssen – bis endlich auf Bundesratsinitiative Bayerns die bundesweite Verteilung besser geklappt hat. „Aber das Jahr 2016 wird noch schwieriger“, sagt Passaus Landrat Franz Meyer (CSU), „weil neue minderjährige Migranten ankommen und die Integration der bisherigen als Aufgabe noch hinzukommt.“
Mit bisherigen Minderjährigen sind vor allem 15- bis 17-jährige Zuwanderer gemeint, die in Heimen der Jugendhilfe bis zum 18. Geburtstag betreut werden müssen. Darüber ist ein Streit zwischen Bayerns Sozialministerin Emilia Müller (CSU) und dem Bezirketag entstanden. Dessen Forderung, auch für volljährige Migranten weiter Rundum-Betreuung in Jugendheimen zu bezahlen, lehnt die Staatsregierung ab. „In Niederbayern bestehen derzeit 88 reguläre Einrichtungen für 1105 unbegleitete Minderjährige“, erklärt Regierungspräsident Heinz Grunwald. „Darunter sind 20 Einrichtungen für Notlösungen und sechs Stellen für Inobhutnahme.“
Landrat schimpft: „Teenager werden wie Babys betreut“
Dass Niederbayerns führende Kommunalpolitiker da auf Seiten von Sozialministerin Müller stehen, zeigte sich kürzlich beim Besuch der Ressortchefin im Caritas-Heim „Pax“ in Schweiklberg. Landrat Meyer ist der Meinung, das für Waisen- oder den Eltern entzogene Kleinkinder gemachte Jugendhilfegesetz müsse angepasst werden: „Diese aus fernen Ländern allein zugewanderten Jungendlichen brauchen doch nicht rund um die Uhr diesen Betreuungsaufwand. Die sind keine Babys mehr und können selbst mithelfen!“
Hier im früheren Gästehaus der Abtei leben 48 männliche Jugendliche, die in Vilshofen zur Schule gehen, aber samt zusätzlichem Sprachunterricht von 40 Mitarbeitern der Kreiscaritas Passau 24 Stunden betreut werden müssen. „Das kostet für jeden 5000 Euro pro Monat“, sagt Landrat Meyer. Der Bezirk Niederbayern geht davon aus, dass er im Jahr 2016 voraussichtlich 16 Millionen Euro für die Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendliche aus der Be-zirksumlage finanzieren muss. Das Sozialministerium hat für Bayern 160 Millionen eingeplant.
„Jugendliche Ausländer ohne Angehörige müssen – von Härtefällen abgesehen – mit 18 Jahren als junge Erwachsene behandelt werden.“ Mit dieser Ansage der Sozialministerin sind sich Bezirkstagspräsident Heinrich, Regierungspräsident Grunwald, Landrat Meyer und die betroffenen Bürgermeister in Niederbayern einig. Aber auch darin, wo man jungen Migranten helfen muss. Zuerst gilt es, deren genauen Status zu klären: Ist es ein Kriegsflüchtling, ein politischer Asylbewerber oder ein normaler Zuwandere. Ein junger Afghane gibt auf Müllers Frage ehrlich zu, nicht wirklich verfolgt zu sein: „Meine Familie hat dem Schleuser 7000 Euro gezahlt, damit ich in Deutschland studieren und eine bessere Zukunft haben kann als zuhause.“
Fern der Heimat brauchen junge Ausländer mit 18 Jahren auch Hilfen beim Übergang in andere jetzt zuständige Einrichtungen: Schulen, Sozialhilfe, Suche nach Arbeit und Wohnung, Krankenkasse etc.. Müller: „Wir erwarten von der Jugendhilfe, dass die Jugendlichen in den Heimen frühzeitig auf ihre Selbständigkeit vorbereitet werden und sie nicht in eine Lücke zwischen Behörden fallen.“
Im ländlichen Raum bleiben statt Ghettos in Großstädten bilden
Beim Übergang zur Volljährigkeit wird im Haus „Pax“ von der vorbereitenden Kreiscaritas mit Landratsamt, Bürgermeister und Arbeitsagentur zusammengearbeitet. Auch Bezirkstagspräsident Olaf Heinrich stimmt dem Konzept zu: „Wir sind in unseren Heimen in Niederbayern dabei, örtlich wie regional Kooperationen zwischen Trägern, Kommunen, Unternehmern und Behörden aufzubauen. Wir müssen Netzwerke schaffen, um junge Migranten auszubilden, sie in die Gesellschaft zu integrieren und sie damit längerfristig unseren Regionen zu halten.“
Voraussetzung dafür ist für Niederbayerns Kommunalpolitiker allerdings, dass der Bund beschließt, was auch Landkreistagspräsident Christian Bernreiter (CSU) fordert: „temporäre Residenzpflicht für im Land verteilte Flüchtlinge“. Heinrich unterstützt ihn dabei: „Wir müssen ihnen Sprachförderung anbieten, Ausbildungs- und Arbeitsplätze, und Sozialwohnungen neu bauen oder sanieren. Wer dabei mit investiert, kann erwarten, dass die unterstützten Migranten einige Zeit in der Region bleiben, statt in Großstädten Ghettos zu bilden.“ (Hannes Burger)
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