Kommunales

Jedes Hochwasser beginnt am Einlaufbauwerk, wo die 2500 Liter Wasser pro Sekunde den Grundstock für die künstliche Flut an der Öberauer Schleife legen. Thorsten Ernst, Leiter des Außenbezirks Straubing des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes Donau MDK, hat die Verantwortung bei dem Übungsszenario. (Foto: Bäumel-Schachtner)

01.04.2022

"Land unter" – damit es dauerhaft geschützt bleibt

Regelmäßig werden auch an der Öberauer Schleife bei Straubing Hochwasserszenarien durchgespielt

Die Hochwassergefahr im Freistaat nimmt zu, bedingt durch den Klimawandel. Um Menschenleben zu retten und schwere Sachschäden zu reduzieren, werden nun häufiger solche Katastrophenszenarien durchgespielt. Unsere Reporterin hat ein Manöver in der Nähe von Straubing begleitet.

Einmal im Jahr heißt es an der Öberauer Schleife „Land unter“. Das Gebiet, in der früher die jetzt gestaute und umgeleitete Donau frei floss, wird mehrere Tage lang geflutet. Rund zwei Wochen dauert es, bis der Wasserstand von 318 Meter über Null erreicht ist. Die Hochwassersimulation dient dazu, die Natur in dem malerischen Flecken am Rande der Stadt Straubing zu erhalten. Gerade erst war es wieder soweit. Zugrunde liegt der Maßnahme die Festlegung im Planfeststellungsbeschluss für die Donaustaustufe Straubing. Baubeginn für die Staustufe in Straubing war 1989 – als Teil einer Gesamtmaßnahme an der Donau, um den Fluss besser schiffbar zu machen.

Mit dem Elektroauto fährt Thorsten Ernst den Rand der Öberauer Schleife entlang, nachdem das Gebiet bewusst geflutet worden ist. Er ist sehr zufrieden. Alles hat perfekt funktioniert. Es ist das zweite künstliche Hochwasser für den Bauingenieur, der seit 2020 Leiter des Außenbezirks Straubing des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes Donau MDK ist. Insgesamt aber wurde ein mehrere Hektar große Gebiet ab 17. Februar schon zum 27. Mal geflutet. „Es herrscht Routine“, sagt der Chef.

Routine haben nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch die Natur. Ein Frühjahrshochwasser ist für die Tier- und Pflanzenwelt an der ehemaligen Donaumäander normal. Viel mehr noch: Es ist dringend notwendig, um im Naturschutzgebiet das Gleichgewicht zu halten. Die Flut steigt langsam, und die Tiere können damit umgehen. Und auch die Anwohnenden: Sie kennen das Spiel. Die Landwirtschaft wird vorher noch einmal erinnert, eventuelle Geräte und Maschinen in Sicherheit zu bringen. In dem gefluteten Gebiet wird kein Getreide oder Mais angebaut. Es ist alles ökologische Ausgleichsfläche. Die Nachbarn sind nicht in Gefahr, die Dämme sind stabil – alles klar kalkuliert, seit beinahe drei Jahrzehnten.

 

Boden ist mit neuen Nährstoffen angereichert


Wenn Thorsten Ernst seinen Kontrollgang erledigt, dann sieht er, dass das Hochwasser der Region gut getan hat. Der Boden ist mit neuen Nährstoffen angereichert. Störche fischen in den verbliebenen Wasserpfützen nach ihrer Beute. Das üppig wachsende Schilf raschelt leise im Wind. Ein paar Rehe äsen auf der feuchten Wiese, und ein Bussard sitzt auf einem Schild mit der Aufschrift „Naturschutzgebiet“. Hier fühlt sich auch der große Brachvogel wohl. Auch für ihn wird die Hochwassersimulation durchgeführt. Die Art ist vom Aussterben bedroht, Brutpaare sind selten. „Bei uns aber gibt es sie noch“, erklärt Thorsten Ernst, der sich als Ingenieur nun auch ein Stück weit mit Biologie und Ökologie beschäftigt hat. Er ist dafür zuständig, der Natur das zurückzugeben, was der Mensch mit der Errichtung der Staustufe in den Achtzigerjahren verändert hat.

Los gegangen mit der Flutung ist es am Mitte Februar. Die Mitarbeiter haben die Zwischenschieber am Regulierbauwerk zur in die Donau mündenden Kößnach geschlossen. Das Schütz für den oberen Teil der Öberauer Schleife wurde auf die Höhe von 318,00 Meter über Null eingestellt. Und dann konnte das Wasser fließen. Kein Strom ist dazu notwendig, den gibt es an den entsprechenden Bauten an der Donau auch gar nicht, wie Ernst sagt: „Das Wasser fließt mit Hilfe eines Vakuums.“

Am Einlaufbauwerk – exakt am Donaukilometer 2332,630 gelegen – wurde mit diesem Vakuum das Wasser über drei Rohre über den Damm gehoben und in den oberen Bereich der Öberauer Schleife geleitet. Statt Pumpen bewegt sich das Wasser nur mit Hilfe dieses Vakuums und der Schwerkraft. Laut tost es in den Ohren, wenn das Wasser fließt. Ganze 2500 Liter pro Sekunde strömen dann in die Öberauer Schleife, um diese zu fluten. Insgesamt werden es rund drei Milliarden Liter Wasser sein, die einlaufen. Dennoch dauerte es bis zum 3. März, bis der gewünschte Wasserstand erreicht wurde.

Die Tiere haben sich bereits daran gewöhnt

Denn so schnell wie eine Badewanne wird ein Gebiet, das mehrere Hektar groß ist, natürlich nicht voll. Das zugelassene Wasser fließt durch den Teil des früheren Flusslaufes mit den Mäandern und füllt dann die Fläche. Sechs Tage darf es dann dortbleiben, um die Natur zu speisen. Am 10. März schließlich hate der Wasserstand der Kößnach es zugelassen, dass das Wasser aus dem oberen Bereich der Öberauer Schleife in das Flüsschen abgelassen wird. In der ersten Stufe wurde dann ein Wasserstand von 316,90 Meter über Null eingestellt.

Wieder lautetes Rauschen, wenn die Massen kontrolliert abfließen. Wie an einem großen Wasserfall tost es in den entsprechenden Bauwerken. In der zweiten Stufe ist dann ein Wasserstand von 316,20 Meter über Null am Regulierungsbauwerk eingestellt worden – bis dann nach fünf Wochen schließlich die Hochwassersimulation beendet war und in dem Naturschutzgebiet alles wieder seinen gewohnten Gang geht.

Nur einer ist sauer: „Der Biber“, schmunzelt Thorsten Ernst. Denn seine Bauwerke wurden durch die Maßnahme teilweise beseitigt – nun muss das Nagetier erneut mit seiner Arbeit beginnen. Doch auch der Biber profitiert von der Flutung. Sein Lebensraum bleibt erhalten. „Das, was wir hier machen, dürfte weit und breit ziemlich einzigartig sein“, schätzt der Außenbezirksleiter. Hinter ihm und seinem Team liegt viel Arbeit. Rund vier bis fünf Mitarbeiter überwachen den Vorgang. Im Zwei-Tages-Rhythmus müssen auch die zehn Messstellen kontrolliert werden, um zu überblicken, dass die Flut keine Auswirkung auf das umliegende Grundwasser hat. Bei den Bürger*innen ruft die Flutung mittlerweile nur noch wenig Reaktion hervor. Sie haben gelernt, dass zur Staustufe auch einmal im Jahr das künstliche Frühjahrshochwasser gehört.
(Melanie Bäumel-Schachtner)

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