Kommunales

Der Bundesgesundheitsminister meint, viele kleine Kliniken seien überflüssig und will die Behandlung zentralisieren. "Das mag bei einer Hüft-OP funktionieren", sagt Bayerns Landkreistagspräsident Thomas Karmasin. "Aber dass sie künftig bei einem Herzinfarkt oder Schlaganfall 20 Minuten länger fahren müssen, werden die Menschen nicht akzeptieren." (Foto: dpa/Daniel Karmann)

12.10.2023

"Lauterbach nimmt uns nicht ernst"

Drohender Klinikollaps und Kostenexplosion bei Flüchtlingen dominieren Tagung der Landräte in Lindau

Die sich zuspitzende wirtschaftliche Situation der kommunalen Krankenhäuser und die Belastungen durch die Migration standen im Mittelpunkt der Tagung des Bayerischen Landkreistags am Donnerstag, 12. Oktober 2023, im schwäbischen Lindau.

„Jede Stunde wächst das Defizit unserer Kliniken um weitere 100 000 Euro“, machte Landkreistagspräsident Thomas Karmasin (CSU) die Situation anschaulich. Die Lage sei „katastrophal“. Bekomme man keine weitere Unterstützung, werden womöglich bald die ersten Häuser geschlossen.

Doch mit weiteren Hilfen sieht es schlecht aus. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) habe bereits angekündigt, dass es auch für die Übergangsphase seiner Strukturreform kein zusätzliches Geld geben werde. Tamara Bischof (FW), Vizepräsidentin des Landkreistags und Präsidentin der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, macht das wütend. Lauterbach nehme die Kommunen mit ihren Sorgen „nicht ernst“ und man finde sich mit den eigenen Argumenten in der aktuellen Debatte nicht wieder.

Man akzeptiere, versichern die Landrät*innen, „dass nicht jedes unserer Häuser erhalten bleiben kann“. Das sei auch akzeptabel, solange man beispielsweise über Behandlungen wie eine neue Hüfte rede; eine solche Operation lasse sich mehrere Wochen im Voraus planen und man könne auch zu einer weiter entfernten Klinik fahren. Aber bei akuten Notfällen wie einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall sei das anders, meint Thomas Karmasin. „Die Leute werden sich nicht einreden lassen, dass es in Ordnung ist, wenn sie damit fortan 20 Minuten länger fahren müssen“. Und Tamara Bischof gab zu bedenken, dass diese längeren Anfahrtswege ja auch den Rettungsdienst vor bisher ungeklärte Herausforderungen stelle.


„Datenschutz hat digitale Krankenakte verhindert“


Vieles, was auch den kleinen Kliniken in der Vergangenheit beim Kostensparen geholfen hätte, sei wiederum verschleppt wurden, meinte Karmasin und nannte konkret die digitale Krankenakte. „Da wurden immer wieder Datenschutzbedenken ins Feld geführt.“ Das gefährde aber Menschenleben – etwa wenn ein nicht mehr ansprechbarer Kranker eingeliefert werde und es sich auf die Schnelle nicht klären lasse, ob bei dem Menschen Unverträglichkeiten gegenüber speziellen Medikamenten bestehen.

Anders als ihr Parteichef Hubert Aiwanger – er hatte sich im Wahlkampf noch ablehnende gegenüber den Ausbau von medizinischen Versorgungszentren und Polikliniken wie in Ostdeutschland und anderen EU-Ländern geäußert und die Zweigleisigkeit aus niedergelassenen Fachärzten sowie Krankenhäusern priorisiert – zeigte sich Tamara Bischof aufgeschlossen gegenüber Strukturveränderungen: alles, was die Versorgungssituation der Menschen speziell im ländlichen Raum verbessere, müsse mitgedacht werden.

Unterstützung signalisierten Bayerns Landräte einer Forderung des Deutschen Landkreistagspräsidenten Reinhard Sager (CDU), dass ukrainische Flüchtlinge künftig bei den Leistungen Asylbewerbenden aus anderen Regionen der Welt gleichgestellt werden sollen – also nur noch Hilfe nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, aber kein Bürgergeld mehr.  Lindaus Landrat Elmar Stegmann (CSU) berichtete in diesem Zusammenhang von einer ukrainischen Familie, die kürzlich aus Frankreich – wo sie bereits Schutz erhalten hatten – nach Bayern gewechselt war. Gefragt nach den Gründen, hätte die Leute geantwortet: In Frankreich habe es monatlich 150 Euro pro Person gegeben, aber in Deutschland seien die Sozialleistungen ja deutlich üppiger.

Ein weiteres erschütterndes Beispiel brachte Thomas Karmasin an: In der Ukraine dürfe man mit 57 Jahren in Rente gehen. Wenn nun ein Mensch in diesem Alter nach Deutschland käme, stocke ihm der deutsche Staat die Differenz seiner Rente bis zur Höhe des deutschen Bürgergelds auf. „Und das, wo wir gleichzeitig diskutieren, dass deutsche Arbeitnehmer künftig bis 67 Jahre arbeiten sollen, weil die Rentenkassen leer sind“, meinte Karmasin. Das sei den Menschen nicht mehr vermittelbar und das werde „auch nicht mehr lange gut gehen“. Elmar Stegmann ergänzte: „Da braucht man sich über die Wahlerfolge der AfD nicht wundern. Die Organisation Pro Asyl kündigte allerdings bereits Widerstand gegen etwaige Pläne an, Ukrainer*innen fortan vom Bürgergeld auszuschließen. (André Paul)

 

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