Kommunales

Politisch noch bunter geht es kaum: Der im März 2014 gewählte 80-köpfige Münchner Stadtrat (hier bei seiner Eröffnung durch Oberbürgermeister Dieter Reiter) zählt derzeit 14 politische Vereinigungen, die sich zu vier Fraktionen und fünf Gruppierungen zusammengeschlossen haben. (Foto: dpa)

30.01.2015

Neuer Anlauf für Drei-Prozent-Hürde

In NRW wollen SPD und CDU die wachsende Zahl an Kleinparteien in Stadträten und Kreistagen nicht länger hinnehmen – bayerische Kommunalpolitiker sind skeptisch

Die sozialdemokratisch geführte Landesregierung von Nordrhein-Westfalen plant die Wiedereinführung einer Drei-Prozent-Sperrklausel für die Kommunalwahlen 2019, die oppositionelle CDU signalisierte bereits Unterstützung. Das Ziel: Stabilere Mehrheit und konstruktiveres Regieren in Deutschlands einwohnerstärkstem Bundesland.

Nein, leichter regieren lässt sich eine Kommune sicher nicht, wenn immer mehr Parteien in den Stadtrat oder Kreistag drängen: Mehrheitsbildungen sind für den Bürgermeister oder Landrat deutlich schwieriger, endlose Debatten eher die Regel als die Ausnahme. Doch gerade in den Großstädten wird die lokalpolitische Landschaft immer heterogener: In München etwa drängen sich seit der Kommunalwahl vom März vergangenen Jahres 14 verschiedene Parteien und politische Vereinigungen im gerade mal 80-köpfigen Stadtrat. In Nürnberg, Augsburg oder Regensburg sind die Verhältnisse ähnlich, auch in den meisten Bezirkstagen, ja selbst kleine 5000-Einwohner-Gemeinden kennen mittlerweile sieben oder acht Fraktionen. Denn während für den Bundes- und den Landtag weiterhin eine Fünf-Prozent-Hürde gilt, wurde diese in fast allen Bundesländern für Stadträte in den vergangenen Jahren aufgehoben.
Auch wenn man den meisten Volksvertretern dieser politischen Winzlinge ehrliches Engagement zubilligen möchte – die Zahl der Querulanten ist unter ihnen doch höher als bei den Vertretern etablierter Parteien. Häufig gelangten sie mit monothematischem Hintergrund in den Stadtrat – etwa als Gegner eines lokalen Bau- oder Verkehrsprojekts. Auch politische Extremisten rücken unter Tarnbezeichnungen verstärkt ein – so etwa in München die Bürgerinitiative Ausländerstopp. Häufig gründen aber auch die Parteien selbst Ableger, um ihre Mandate zu erhöhen – die CSU beispielsweise gern mit eigenständig kandidierenden Listen der Jungen Union.

„Schwere Willensbildung“


„Die gemeinsame Willensbildung ist dadurch schwieriger geworden in der Kommunalpolitik“, klagt etwa Siegfried Balleis (CSU), der frühere Oberbürgermeister von Erlangen. „Obendrein treten diese Kleinparteien dann auch meist mit einem eignen Kandidaten bei der (Ober)Bürgermeisterwahl an. Zwar hat von denen kaum einer eine reale Chance auf den Sieg – aber diese Verhältnisse zwingen den Amtsinhaber meist in die Stichwahl. Und dort unterstützen die Kleinparteien dann in der Regeln den Herausforderer“, so Balleis. Die Befürchtung des altgedienten Kommunalpolitikers: In der Zukunft werden sich selbst erfolgreiche OB’s und Landräte wohl häufig schon nach einer Legislaturperiode wieder von ihrem Amts verabschieden müssen. Auch wenn er das Projekt begrüßt, sieht Balleis trotzdem nur geringe Chancen, dass sich die Volksparteien in NRW damit durchsetzen: „Für die Europawahl wurde die Schwelle ja gerade erst abgesenkt.“
Auch der Bayerische Gemeindetag zeigt sich skeptisch: „Wir hielten eine solche Sperrklausel vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sogar für verfassungswidrig“, erläutert Sprecher Wilfried Schober. Eine „Unregierbarkeit“ bayerischer Gemeinde- und Stadträte aufgrund einer Vielzahl kleiner Parteien und Wählergruppen sei derzeit nicht erkennbar, heißt es seitens des kommunalen Spitzenverbands.
Ebenso gegen irgendwelche neuen Hürden ist Eva Gottstein, die kommunalpolitische Sprecherin der Freien Wähler im bayerischen Landtag und frühere Bezirksvorsitzende von Oberbayern. „Politische Minderheiten sollten in Kommunalparlamenten berücksichtigt werden“, fordert Gottstein und ergänzt: „Demokratie ist halt manchmal anstrengend.“
Davon wollen sich SPD und CDU in NRW aber nicht entmutigen lassen und verweisen auf eine Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtshof vom Sommer 2013. Im Stadtstaat hatten diverse Kleinparteien angestrengt, dass die in der Bundeshaupstadt noch geltende Drei-Prozent-Hürde für die Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung – die politische Volksvertretung unterhalb des Senats – abgeschafft werden solle. Doch die Richter waren dieser Argumentation nicht gefolgt. (André Paul)

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