Kommunales

Florian Janik. (Foto: dpa)

28.02.2020

OB-Wahl in Erlangen: Amtsinhaber Janik versucht zu tricksen

Serie: Der Kommunalwahlkampf in den acht bayerischen Großstädten. Teil 8 – Erlangen

Zur Kommunalwahl am 15. März 2020 stellt die Staatszeitung die Kandidaten für den Posten des OB und die für den Stadtrat antretenden Listen in den acht Städten des Freistaats mit mehr als 100 000 Einwohnern vor. Im 112 000 Einwohner zählenden Erlangen wollen sieben Konkurrenten OB Florian Janik (SPD) ablösen.

„Wer keine Vision hat, vermag weder große Hoffnung zu erfüllen, noch große Vorhaben zu verwirklichen.“ US-Präsident Woodrow Wilson (1856 bis 1924) hat das gesagt. Der Erlanger SPD-Oberbürgermeister Florian Janik (Jahrgang 1980) wollte da keine Lücke lassen. Auf seinen Plakaten zur Kommunalwahl 2020 prägte er den Slogan: „Meine Vision: Eine Stadt für alle“. Die Vision hat er allerdings schlicht abgekupfert. Sie entstammt nämlich dem im Dezember 2016 einstimmig vom Stadtrat beschlossenen „Masterplan Personalmanagement“ und wird seitdem auf den offiziellen Briefkuverts der Stadtverwaltung als „Hinweis auf die Karrieremöglichkeiten“ genutzt. Mit dieser Formulierung erreiche die Stadt – so eine Stellungnahme der Pressestelle – „eine breite Wahrnehmung als attraktive Arbeitgeberin in vielen sehr unterschiedlichen Berufsfeldern einer Kommunalverwaltung“.

CSU klagt: „Verstoß gegen die Neutralitätspflicht“

Der stellvertretende CSU-Fraktionschef Christian Lehrmann sah es als „starkes Stück, wie der gleiche Slogan für die Stadtwerbung und für die SPD-Pateiwerbung verwendet wird“. Damit missbrauche Janik städtische Mittel für seine eigenen Wahlkampfzwecke. Auch missfällt den Kritikern, dass auf der städtischen Homepage www.erlangen.de auf der gleichen Seite, auf der die Stadt zur Kommunalwahl informiert, auf städtische Vorhaben, Planungen und Projekte der derzeitigen Rathauskoalition hingewiesen wird – ein Verstoß gegen die Neutralitätspflicht.

Der Parteienzwist offenbart, mit welchen harten Bandagen im Erlanger Kommunalwahlkampf gerungen wird. Das hat seine Gründe. Während die Vorgänger Heinrich Lades (CSU), Dietmar Hahlweg (SPD) und Siegfried Balleis (CSU) über 13, 24 und 18 Jahre an der Spitze der Stadt gestanden hatten, gerät Nachfolger Florian Janik in Gefahr, bereits nach sechs Jahren die Segel streichen zu müssen. 2014 hatte er noch in einer Wechselstimmung mit dem Versprechen einer Stadt-Umland-Bahn punkten und so einen überraschend hohen Wahlsieg einfahren können.

Den Umstand, dass Erlangen „hervorragend dasteht und Wirtschaft und Wissenschaft aufblühen“, schreibt Janik stolz seiner Politik zu, hat seine Ursachen aber vor allem durch den neuen MDAX-Börsenstar Siemens Healthineers, der für sprudelnde Gewerbesteuern in nie dagewesener Stärke und damit für eine bis zum Rand gefüllte Stadtkasse sorgt, ebenso in der durch das Rathaus nicht beeinflussbaren Innovationskraft der Friedrich-Alexander-Universität. Diese hat Florian Janik im Gegenteil eher despektierlich behandelt: Bei der 275-Jahr-Feier glänzte der Oberbürgermeister durch Abwesenheit. Im Jahr vor der Wahl ist er dagegen beim Umgang mit seiner Zeit nicht so zimperlich, predigt man sogar in der evangelischen Kirchengemeinde St. Matthäus.

„Seit 2014 haben wir viel geschafft“, zieht die SPD in ihrem Wahlprospekt Bilanz. Neben dieser Aussage stehen zahlreiche Schlagworte, um die Erfolge zu unterstreichen. Bei manchen erschließt sich allerdings das sechs-jährige Schaffen der Stadtspitze nicht: Das „Erlanger Modell“ für den Islamunterricht an Schulen ist ein Modellversuch der FAU aus dem Jahr 2003, das Stadtsignet „Offen aus Tradition“ stammt aus dem Jahr 1974, Siemens Healthineers ist ein eigenständiges Unternehmen und hat mit der SPD nichts zu tun, und das Frauenwahlrecht gibt’s seit 100 Jahren. Ein neues Stadtviertel im Stadtwesten für 10 000 Einwohner sollte mehr Wohnraum ermöglichen – doch die Erlanger erteilten dem Vorhaben der Ampelkoalition per Bürgerentscheid mit 54 Prozent Nein-Stimmen eine deutliche Abfuhr.

Auch bei der laufenden Nachverdichtung mitten in der Stadt regte sich der Protest von Tausenden Betroffenen, die ihrer gewohnten Grünzonen verlustig gehen. Keineswegs Freunde gemacht hat sich Janik ebenso durch die Sperrung einer wichtigen Durchgangsstraße zum Klinikum, denn seitdem müssen sich die Autofahrer in kilometerlangen – und emissionsreichen – Staus durch Nebenstraßen quälen. Und um – getrieben von „Fridays für Future“ – in der Klimadiskussion ganz vorne zu marschieren, rief die Stadtratsmehrheit als erste Kommune im Freistaat den „Klimanotstand“ aus. Was der Bayerische Gemeindetag mit „purem Aktionismus“ kommentierte. Ein halbes Jahr danach nahm Florian Janik in Düsseldorf auf „Deutschlands grünster Gala“ stolz den „Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2020“ entgegen. 

Ja, was denn nun? Der OB-Kandidat der CSU, der seit zwei Jahren amtierende Stadtrats-Fraktionschef Jörg Volleth, plädiert für den Wechsel an der Stadtspitze – und muss dabei einige hohe Hürden überspringen. Bei Podiumsdiskussionen, im Schlagabtausch im Stadtrat sammelt der versierte Rhetoriker Janik gegenüber seinem Herausforderer Punkte. In der Stadt mit der höchsten Akademikerdichte in Deutschland ist das nicht unwichtig. Seit 1959 tragen alle Erlanger Oberbürgermeister den Doktortitel. Volleth (Jahrgang 1971), mit der Leitung des Einsatztrainings betrauter Polizeibeamter und aus einer Landwirtsfamilie stammend, sucht den Nachteil mit engagiertem Bürgerdialog auszugleichen.

Bewerber von FW, ÖDP und Linke sind eher chancenlos

Statt Klimanotstand predigt er eine Klimaoffensive, dem Ersticken beim Verkehr will er durch eine „intelligente Verkehrslenkung“ begegnen, er fordert einen Masterplan für die Stadtentwicklung und setzt ein wirtschaftsfreundliches Klima an die erste Stelle. Er will quasi als Moderator die Stadt bewegen, die klügsten Köpfe vereinen – und doch reicht das alles nicht für eine geballte Vision, die sich unter einem Schlagwort finden lässt. Seine eigene Stellenbeschreibung sucht nach Unterscheidungen zum jetzigen Rathauschef: „In Zeiten, in denen die Gesellschaft immer weiter auseinanderdriftet, braucht es einen OB, der die Menschen zusammenbringt, der Brücken baut, der den Konsens sucht.“

CSU oder SPD – das war in Erlangen bislang die Regel, wenn es um den Posten des Oberbürgermeisters ging. Diesmal allerdings werden die Karten neu gemischt, bahnt sich ein Dreikampf an. In Erlangen spielen aufgrund der überdurchschnittlich starken Zu- und Wegzüge in der Einwohnerstatistik die Köpfe nicht annähernd die Rolle wie etwa in der Nachbarstadt Fürth, wo ein OB Thomas Jung quasi unangreifbar thront. Viele wählen in erster Linie die Partei statt der Personen – und da haben die Grünen in einer Uni-Stadt wie Erlangen eine starke Wählerbasis, haben dort in den letzten Jahren immer wieder zugelegt. Deshalb geht die bisherige 2. Bürgermeisterin Susanne Lender-Cassens nicht chancenlos ins Rennen. 

Vor dem Polit-Beruf arbeitete sie als Krankenschwester. Derzeit verantwortet die gebürtige Hamburgerin im Rathaus das Sammelsurium Umwelt, Energie, Gesundheit, Sport und Soziokultur. Ihr hängt eine Entscheidung aus dem November 2018 nach, als sie überlastet den „zeit-, energie- und engagementintensiven“ Posten der ersten Werkleitung für den Eigenbetrieb Stadtgrün, Abfallwirtschaft und Straßenreinigung, abgab. Sie müsste wissen, dass das OB-Amt weit mehr Arbeitsbelastung mit sich bringt als ihr bisheriges Aufgabenfeld. Ihre politischen Schwerpunkte decken sich mit grundsätzlichen grünen Zielen: Klimaschutz, Grün in der Stadt, konsequente Verkehrswende, Wohnraum für alle, Demokratie und bessere Bürgerbeteiligung.

Die weitere fünf-köpfige Bewerberriege spielt angesichts des potenten Trios nur eine Statistenrolle. Am ehesten hätte noch der FDP-Bewerber Holger Schulze, Hirnforscher und Jugenbuchautor, in das Favoritenfeld gepasst, doch schadet ihm das seit der Thüringer Ministerpräsidentenwahl angeschlagene Image seiner Partei. Erneut tritt die biologisch-technische Assistentin Anette Wirth-Hücking für die FW an. Für die ÖDP kandidiert der Sparkassenbetriebswirt Joachim Jarosch, früher war er bei der CSU. Die Erlanger Linke repräsentiert der Software-Entwickler Johannes Pöhlmann. Der Projektmanager Sebastian Hornschild tritt für die „Klimaliste“ an, eine im Sommer 2019 neu gegründete lokale Vereinigung. (Udo B. Greiner)

Kommentare (4)

  1. Studierender am 02.03.2020
    Danke für einen Gegenentwurf zu den Erlanger Nachrichten, in welchen die SPD hofiert wird. Dies ist allerdings auch keine neutrale Berichterstattung, sondern eine Hofierung der CSU.
    Wer sich in der Stadt umhört, weiß, dass Susanne Lender-Cassens eigentlich keine Chance mehr hat. Viel größer werden die Chancen von Sebastian Hornschild sein, der die Klimabewegungen mit nach Erlangen brachte. Dass dieser in jenem Artikel keinerlei Beachtung findet, ist schade. Dass neue Listen nichts zugetraut wird, ist ein Fehler im System, der spätestens nach Bekanntgabe des Wahlergenisses die Journalisten und Journalistinnen einholt.
  2. Willibald am 28.02.2020
    Komplimentfür diesen Artikel aus kompetenter Feder!!
    So finden wir in Ihrem Blatt ein schwergewichtiges Gegengewicht zu der Hofberichterstattung des Erlanger Tagblattes, weiter so!
  3. ksk am 27.02.2020
    Das Vermengen von Amt und Parteiwerbung hat bei den SPD-OBs Methode. Auf der Homepage der Stadt Bamberg erklärt ein Video anhand des SPD-OBs und der SPD, wie man wählt. Das Video hat der 3. Bürgermeister (ebenfalls SPD), von Beruf Lehrer, mit Schülern (!!!) hergestellt.
  4. Ein Erlanger am 27.02.2020
    Ja da schau her. Udo B. Greiner - ein konservatives Urgestein der EN, von dem kolportiert wird, er habe sich einst in kleinen aber öffentlichen Runden gerne gerühmt, seinerzeit Janniks Vorgänger mit ins Amt geschrieben zu haben - darf seine "Expertise" zum Besten geben... Wie hieß nochmal der Spruch, der den Hosenbandorden schmückt ?!? ;-)
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