Vor allem in Innenstädten ist die Problematik gravierend: Mitarbeiter*innen von ambulanten Pflegediensten finden fast keine Parkplätze mehr. Eva-Maria Pscheidl, Leiterin des Fachbereichs Pflege und Betreuung beim Caritasverband für Stadt und Landkreis Würzburg, spricht von einer „Katastrophe“. Und es könnte noch schlimmer werden.
Das Auto soll aus den Städten weitgehend entfernt werden. In München etwa sollen nach dem Willen von Vizerathauschefin Katrin Habenschaden (Grüne) fortan pro Jahr 5000 Parkplätze ersatzlos gestrichen werden. Das hat dramatische Auswirkungen auf viele Berufszweige. Vom Handwerk war schon häufiger die Rede. Aber auch die ambulanten Pflegedienste leiden unter dem Regidismus gegen die Pkw.
Etwa 50 Patient*innen werden von Eva-Maria Pscheidl und ihren Kolleg*innen in der Würzburger City betreut. Doch immer häufiger müssen die betagten und in vielen Fällen chronisch kranken alten Leute sehr lange auf das Eintreffen der Pflegekraft warten, weil die keinen Parkplatz findet. Kommt das Personal dann endlich – deutlich später –, bleibt weniger Zeit für die Versorgung. Schließlich wartet schon der nächste Pflegebedürftige auf der meist proppenvollen Liste. Würzburgs sogenannten Klimabürgermeister Martin Heilig (Grüne) scheint das nicht zu tangieren. In den nächsten Jahren sollen mehrere Hundert Parkplätze in der unterfränkischen Bezirkshauptstadt verschwinden.
Zusätzliche nervliche Belastung
Für die ohnehin dauergestressten Pflegekräfte bedeutet dies eine zusätzliche nervliche Belastung, sagt Eva-Maria Pscheidl: „Sie fahren herum und suchen einen Parkplatz und haben dabei im Hinterkopf, dass noch zehn Leute auf sie warten.“ Das erzeuge einen immensen Druck. Die Situation belastet aber auch die ambulante Pflegeabteilung des Verbands im Gesamten. Zum einen müssen ständig Knöllchen bezahlt werden: „Wir bekommen aber auch die Zeit, die wir für die Parkplatzsuche benötigen, nicht vergütet.“ Anders als andere Pflegedienste in Bayern lehnt die Würzburger Caritas dennoch keine neuen Patient*innen aus der dicht besiedelten Innenstadt ab.
Um die Situation zu entschärfen, wurde bereits überlegt, ob man in den Kofferraum der Fahrzeuge nicht E-Scooter oder Elektroräder packen könnte. Man könnte dann am Rande der City parken und zu den Patienten radeln. Beim Brainstorming stellte sich jedoch heraus, dass dies keine besonders gute Idee ist. „Zum einen stehen dem haftungsrechtliche Fragen entgegen“, sagt Eva-Maria Pscheidl. Außerdem wäre es ungünstig, bei Regen, Eis oder Kälte mit dem E-Scooter zu fahren. Schließlich sei es auch wegen des Gepäcks der Pfleger*innen nicht sinnvoll, aufs Bike umzusteigen: „Unsere Pflegekräfte haben bei ihren Einsätzen Taschen mit Pflegeutensilien dabei.“
Von einem „massiven Problem“ spricht auch Sabine Helmer, die einen Pflegedienst im niederbayerischen Dingolfing betreibt. Bekanntlich müssten ohnehin immer weniger Pflegekräfte immer mehr Pflegebedürftige versorgen. Sind die Mitarbeiter*innen der ambulanten Dienste eine halbe Stunde lang auf Parkplatzsuche, werde die ohnehin angespannte Situation weiter verschärft. „Wir könnten mehr Leute aufnehmen, wenn die Parkplatzproblematik nicht wäre“, sagt die Pflegedienstleiterin. An sechs Standorten werden von ihren Beschäftigten aktuell täglich bis zu 350 Pflegebedürftige versorgt.
Zusätzliche Arbeitszeit wird dem Personal nicht vergütet
Nun bieten Kommunen in Bayern Sozialen Diensten ebenso wie Handwerkern oder Handelsvertretern Ausnahmegenehmigungen an. Damit kann zum Beispiel kostenfrei im eingeschränkten Halteverbot, in Bewohnerparkzonen oder auf Parkplätzen mit Parkscheinautomaten geparkt werden. Auch im Kreis Dingolfing ist dies möglich. „Das Problem ist, dass dann wirklich jedes Auto mit einer Ausnahmegenehmigung ausgestattet sein muss, und das kostet ganz schön viel“, sagt Sabine Hellmer. Fast 100 Euro müssen berappt werden. Bei bis zu 40 Autos seien das nahezu 4000 Euro im Jahr.
Und selbst mit Ausnahmegenehmigung findet sich nicht immer ein freier Stellplatzplatz. Sabine Hellmer würde sich wünschen, dass die Verkehrsüberwachung hin und wieder ein Auge zudrückt, wenn falsch geparkt wird. Das würde sie als Zeichen der Wertschätzung gegenüber den Pflegekräften sehen. Tatsächlich erfährt die Geschäftsführerin oft das Gegenteil: „Die Verkehrsüberwachung hat kein Verständnis für uns.“ Hedwig Stimpfle, Pflegedienstleiterin der Diakoniestation im schwäbischen Nördlingen, führte soeben eine Befragung unter ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durch, um herauszufinden, wie groß die Parkplatznot aktuell ist. „Die einheitliche Antwort war: ‚Katastrophal!‘“, teilt sie mit. In der Nördlinger Innenstadt gebe es überall Einbahnstraßen: „Das heißt, dass wir oft mehrmals eine Runde fahren, um nah beim Kunden parken zu können.“ Die Suche nach einem Parkplatz dauere inzwischen oft länger als der Hausbesuch bei der pflegebedürftigen Person.
Die Kolleg*innen von Hedwig Stimpfle quälen sich täglich durch enge Gassen, die von Autos der Anwohnenden oder von Dauerparkern vollgestopft sind. Sie werden durch Dauerbaustellen oder Sperrungen aufgrund kurzer Baustellen aufgehalten. Die Situation verschlimmert sich zu den Stoßzeiten, also am Mittag sowie am späten Nachmittag: „Da haben wir hier überall Staus.“
Am Wochenende ist es nicht besser
Am Wochenende sei es nicht besser – vor allem nicht im Sommer. Denn dann gäbe es „ein Fest nach dem anderen“, für das die Innenstadt komplett gesperrt ist. „Hier haben wir zwar eine separate Ausnahmegenehmigung, die uns aber wenig bringt, da die Stadt vollgeparkt ist“, so Hedwig Stimpfle. Gerade vor solchen Festen versuchen die meisten Pfleger*innen, freizubekommen: „Einzig, um dem Verkehrsstress zu entgehen“, verrät die Chefin.
Das Parkplatzproblem und die dadurch bedingten langen Fahrtzeiten machten es inzwischen unmöglich, Stadttouren kostendeckend zu gestalten. Im schwäbischen Nördlingen müssen für eine Ausnahmegenehmigung 50 Euro je Fahrzeug für drei Jahre berappt werden. Allerdings bringt die Genehmigung nicht viel, sagt Hedwig Stimpfle: „Wir können damit nur kostenlos auf ausgewiesenen Parkplätzen parken, aber die gibt es kaum.“
Auch in Regensburg werden saftig hohe Ausnahmegenehmigungen für die Sozialen Dienste erteilt. „Die Verwaltungsgebühr für die Ausstellung des Parkausweises beträgt 90 Euro“, informiert Pressesprecherin Juliane von Roenne-Styra. Wie in anderen Städten auch, hat sich die Parkplatzproblematik in der Oberpfälzer Bezirkshauptstadt dadurch verschärft, dass Parkplätze weggefallen sind. Dies geschah in erster Linie aufgrund von Straßenumbaumaßnahmen und durch die Ausweitung von Flächen für die Außengastronomie. „Schätzungsweise waren dies im öffentlich gewidmeten Straßenraum in den letzten fünf Jahren rund 30 Stellplätze“, so die Pressesprecherin. Für Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer augenscheinlich kein allzu drängendes Problem. Und die Stadt Augsburg lässt mitteilen, dass es für die Pflegenden „eine Sonderbehandlung durch die Verkehrsüberwachung“ nicht gibt. Wer falsch parkt, wird eben abgeschleppt. Basta. (Pat Christ)
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