Kommunales

Die Mitarbeiterin einer Stadtverwaltung legt ihren Finger auf ein Lesegerät zur Bestimmung des Fingerabdrucks. Der neue Personalausweis ist unter anderem mit biometrischen Informationen des Bürgers ausgestattet. (Foto: DAPD)

15.10.2010

Personalausweis 2.0

Das Dokument dient nun auch der Identifikation in der virtuellen Welt

Jens Fromm legt gleich zu Beginn der Informationsveranstaltung mit einem Seitenhieb los: „Vielleicht lässt sich heute ja die Frage klären, was Lötkolben, Schraubenzieher und Neuntklässler mit dem neuen Personalausweis zu tun haben“, sagt der Leiter der Forschungsgruppe elektronische Identitäten am Berliner Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme (Fokus). Fokus und das Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie (SIT) sind als Partner des Bundesinnenministeriums Test- und Demonstrationszentren für den neuen Ausweis.
Fromm ist ein guter Präsentator, seine Berliner Schnauze hat Charme. Das ist wohl nicht ganz unwichtig, denn der IT-Experte muss in München Überzeugungsarbeit leisten. Der neue Identitätsnachweis soll am 1. November in Deutschland eingeführt werden. Er kostet für 16- bis 24-Jährige 22,80 Euro und ist sechs Jahre gültig, über 24-Jährige müssen gar 28,80 Euro bezahlen, bei einer Gültigkeit von zehn Jahren. Der alte Ausweis kostete nur acht Euro, für junge Leute bis 21 Jahre war die Erstausstellung sogar kostenlos.


Daten leicht zu knacken

Wegen dieser Preiserhöhung, vor allem jedoch wegen angeblicher Sicherheitsmängel, ist das Dokument in die Kritik geraten: Experten des Chaos-Computer-Clubs (CCC) hatten vor einigen Wochen den Chip eines Prototyps geknackt, die geheime PIN-Nummer geändert und so alle neuen Servicefunktionen gesperrt. Selbst Neuntklässler eines Gymnasiums schafften es, den digitalen Chip zu deaktivieren. Den Schülern reichten dazu Lötkolben und Schraubenzieher – genau jene Utensilien also, die Fromm meinte.
Solche Horrormeldungen versuchen die Experten in München schnell zu relativieren: „Was der CCC gezeigt hat ist, dass Bürger ganz genau darauf achten sollten, auf welchen Internet-Seiten sie sich bewegen und was sie downloaden. Das ist kein Problem des neuen Personalausweises, sondern ein grundsätzliches Problem, das allzu oft vor dem Rechner sitzt.“ Mit entsprechender Virensoftware auf dem Computer könne nichts passieren.
Doch was ist überhaupt neu an dem neuen Personalausweis? Und was hat er mit dem Internet zu tun? Zunächst einmal ist er nur noch so groß wie eine EC-Karte. Neu ist auch, dass, anders als beim alten Ausweis, die Postleitzahl und mögliche Künstlernamen zu sehen sind. Das Revolutionäre ist jedoch der integrierte Speicherchip, auf dem einige Daten, ein verpflichtendes digitales Bild und optional zwei Fingerabdrücke des Inhabers gesammelt werden. Genau jener Chip also, den der CCC geknackt hat. Durch die digitale Datenerfassung soll es der Ausweis bald nicht nur Behörden oder Grenzkontrolleuren erleichtern, Bürger zu identifizieren. Mit dem Ausweis können sich die Inhaber künftig auch bei Internet-Videotheken, Behörden oder ihrer Bank online ausweisen, Lotto spielen oder in ein Hotel einchecken. „Das Konzept und die Umsetzung sind eine Weltneuheit“, schwärmt Michael Herfert, Bereichsleiter Transaktions- und Dokumentensicherheit am SIT: „Außerdem erfüllt der Ausweis höchste Sicherheitsstandards.“
Auch die bayerischen Meldebehörden bereiten sich seit einigen Monaten auf den neuen Ausweis vor. Im Freistaat kümmert sich die Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung (AKDB), deren Träger die kommunalen Spitzenverbände sind, um die Einführung: „Unsere Aufgabe ist es, die Behörden dabei zu unterstützen, dass die Bürger den Personalausweis bestellen können“, sagt AKDB-Sprecherin Susanne Schuster. Damit die Mitarbeiter wissen, wie sie den neuen Ausweis beantragen, hat die Anstalt seit Juli rund 166 Seminare in ganz Bayern mit mehr als 2000 Teilnehmern durchgeführt. In den nächsten Tagen wird den Verwaltungsangestellten eine E-Learning-CD zugeschickt, mit der sie sich weiterbilden können.


Höherer Aufwand

„Zu Beginn wird es sicher einen höheren Aufwand geben, da der neue Ausweis zusätzliche Funktionen hat“, sagt Schuster. Im Inneren des Ausweises ist eine Funkantenne, mit deren Hilfe Daten kabellos durch die Luft übertragen werden können. Man braucht ihn also nur noch an ein bestimmtes Lesegerät halten, etwa bei der Passkontrolle oder zuhause vor dem eigenen Rechner. Allerdings benötigt der Inhaber, wenn er online aktiv werden will, neben einer Sicherheits-PIN Software und Lesegerät.
Die Software ist kostenlos, Lesegeräte kosten derzeit zwischen 40 und 150 Euro. Die Bundesregierung hat allerdings vor, ab November 1,5 Millionen Sicherheitskits mit Lesegeräten an die Bürger zu verschenken, um die Akzeptanz des elektronischen Personalausweises zu fördern. Anbieter wie eine Online-Videothek erhalten nur dann Zugang zu den Ausweisdaten, wenn sie bei der Vergabestelle für Berechtigungszertifikate eine Erlaubnis beantragt haben. Geht der Internetnutzer also zukünftig auf die Homepage , wird er etwa beim Kauf der DVD aufgefordert, sich auszuweisen. Er legt seinen Personalausweis auf das Lesegerät, die Videothek schickt daraufhin das Zertifikat an den Nutzer, der seine Daten dann mit der sechsstelligen Geheimzahl freigibt. All dies passiert innerhalb weniger Sekunden. Rechtsverbindliche Verträge können aber nicht abgeschlossen werden.
Skeptikern sei geraten, sich noch bis Ende Oktober den alten Ausweis ausstellen zu lassen. Dann hat man, je nach Alter, noch sechs bis zehn Jahre Zeit, um sich endgültig umzustellen. (Sebastian Winter)

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