Dem Wald in Bayern geht es schlecht. Schuld ist zum einen der Klimawandel, der Schädlinge wie den Borkenkäfer begünstigt. Aber die Forstverwaltungen haben noch mit einem weiteren Problem zu kämpfen: Personalmangel. Jahrelang wurde gespart – das rächt sich jetzt.
Andreas Schlegel muss mit seinem Taschenmesser die Baumrinde gar nicht richtig anritzen. Es reicht schon, wenn er mit der Klinge über das Moos fährt, das am Stamm hochwächst. Schon rieselt es. Die braune Substanz sieht harmlos aus, wie Kaffeepulver. Doch es handelt sich um Bohrmehl.
Für den Forstwirt ist das ein Alarmzeichen. Noch ein Baum, der dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen ist. Der verbreitet sich immer weiter in den bayerischen Wäldern, beinahe rasend schnell: „Ein Baum, der vom Borkenkäfer befallen ist, kann im Umkreis bis zu 50 andere Bäume anstecken.“ Das dauert etwa vier bis sechs Wochen. Wenn die befallenen Bäume nicht sofort aus dem Forst entfernt werden, stecken die 50 ihrerseits wiederum je weitere 50 Bäume an. „Dann hat man rasend schnell schon 2500 kranke Bäume auf diesem Fleck.“
Andreas Schlegel berät als Staatsförster der Dienststelle Schwindegg im Landkreis Mühldorf auch private Waldbesitzer. Einer von ihnen kommt zufällig mit dem Traktor vorbei. Er weiß, dass jeder infizierte Baum sofort entfernt werden muss. Doch nicht jeder Waldbesitzer kümmert sich wie dieser Mann um seinen Bestand. So bleiben infizierte Fichten oder Kiefern häufig stehen und stecken nach und nach immer mehr Bäume mit dem Borkenkäfer an.
Schädling unterbricht den Saftstrom unter der Rinde
Und so läuft das Sterben ab: Der Schädling unterbricht den Saftstrom unter der Rinde. Dann kommen Wasser und Nährstoffe aus den Wurzeln nicht mehr bis hoch in die Baumkrone. Dort beginnt darauf der Todeskampf der befallenen Bäume. Nach der abgestorbenen Krone fällt auch die Rinde vom Baum. Der Käfer fliegt dann aus seiner Behausung unter der Rinde und nistet sich im nächsten Baum ein, der geschwächt ist. Davon gibt es immer mehr in Bayern. Denn der Klimawandel setzt dem Bestand nachhaltig zu.
Die Lage wird immer dramatischer. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) macht dafür auch den Stellenabbau verantwortlich. Im Zuge der bayerischen Forstreform wurde seit 2004 ein Fünftel des Personals abgebaut. Personal, das jetzt fehlt, wenn es darum geht, vom Borkenkäfer befallene Bäume so schnell wie möglich zu entfernen. Oder auch darum, die Folgen des Klimawandels einzudämmen. Dazu müssten sehr viel mehr neue Laubbäume angepflanzt werden.
Nadelbäume wie Fichten und Kiefern sind eigentlich fremd in Bayern. Doch schon seit Jahrhunderten werden sie hier in Monokulturen gezüchtet, weil sie schneller wachsen und so früher Holz liefern als die heimischen Laubbäume. Der Preis für dieses schnelle Wachstum ist langfristig jedoch sehr hoch. Denn die Streu der Nadelbäume – also Äste und Nadeln, die im Herbst herabfallen – bekommen manchem Boden nicht gut. Vor allem auf Monokulturen zersetzt sich die Nadelstreu nicht richtig.
Anders ist es bei Laubbäumen wie Eschen und Buchen: „Deren Nährstoffe aus Blättern und Ästen werden schneller in den Boden zurückgeführt. Bei reinen Nadelbeständen dagegen versauern die Böden. Obwohl alle Experten den Klimawandel im Wald mit Händen greifen können, wird immer mehr Holz aus den Staatswäldern zu Geld gemacht. Dadurch entstehen immer größere Schneisen, in denen Stürme immer größere Schäden anrichten können. Ein Teufelskreis.
Die Schäden sind in Bayern unterschiedlich stark verteilt
Die Schäden sind in Bayern unterschiedlich verteilt, je nach Jahresniederschlägen. In den Landkreisen Mühldorf, Altötting und im angrenzenden Niederbayern sind sie massiv. „In Franken sind in einigen Bereichen, wie beispielsweise den Landkreisen Würzburg und Schweinfurt, sogar Laubwälder von Trockenschäden betroffen, das habe ich im September gesehen,“ erläutert Andreas Schlegel.
Der Vorsitzende der IG Bau Oberbayern, Michael Müller, macht sich Sorgen, weil der Borkenkäfer nach den heißen Dürresommern vier statt bisher zwei Generationen lang überlebt. Mittler-weile befalle der Schädling sogar junge Bäume. „Die Ausfälle bei der Holzernte könnten damit in einigen Jahren massiv sein,“ warnt Michael Müller.
Zwei Drittel von insgesamt 2,6 Millionen Hektar Wald in Bayern bestehen aus Nadelbäumen. Solche Monokulturen haben im Klimawandel keine Chance. Für eine nachhaltige Bewirtschaftung seien auch mehr Förster und Waldarbeiter nötig, meint die IG Bau. Der Borkenkäfer hat jetzt bis April Ruhepause, in dieser Zeit müssten die Schadflächen nach Möglichkeit neu bepflanzt werden. Wie das am besten funktioniert, wissen staatliche Forstleute. Sie können Waldeigentümer dabei umfassend beraten und unterstützen. Wenn man ihnen eine geeignete Arbeitsstelle dafür gibt. (Heinz Hollenberger)
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